Umstrittene Stammzellstudie "Nature" legt nach

Im August hatte das Fachmagazin "Nature" eine Studie veröffentlicht, die einen Durchbruch in der Stammzellforschung suggeriert hatte. Zweimal relativierte "Nature" bereits, nun lieferten sie noch eine Ergänzung nach.

Das britische Journal "Nature" und eine Gruppe um den US-Forscher Robert Lanza haben eine umstrittene Studie über die Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen ergänzt. Die Vorab- Veröffentlichung der Arbeit durch "Nature" am 23. August 2006 hatte den Eindruck erweckt, Lanzas Gruppe habe einen neuen Weg zur Herstellung solcher Stammzellen gefunden. Das Fachjournal hatte damals mitgeteilt, Lanza habe Embryonen in einem frühen Stadium Zellen entnommen und dabei die Embryonen "intakt" gelassen. Dies relativierte das Journal wenige Tage später zwei Mal.

Stammzellen und therapeutisches Klonen

Mit Hilfe des therapeutischen Klonens wollen Forscher gesundes Gewebe mit dem Erbgut eines Patienten züchten, das nicht vom Immunsystem abgestoßen wird. Dies könnte beispielsweise Parkinson-, Diabetes- und Herzpatienten helfen.

Aus einer beliebigen Eizelle entfernt man zunächst den Zellkern mit den Erbinformationen. In diese "entkernte" Eizelle werden Körperzellen des erkrankten Menschen implantiert. Hierbei entsteht eine neue totipotente Zelle, die zur Teilung angeregt wird und sich wie eine befruchteten Eizelle zu einem Embryo entwickeln kann.

Nach einigen Tagen hat sich der Embryo so weit entwickelt, dass man embryonale Stammzellen entnehmen kann. Der Embryo wird hierbei zerstört.

Aus den Stammzellen lassen sich verschiedene Gewebearten wie Herzmuskeln oder Nerven züchten.

Forscher schreiben Ergänzung

In seiner aktuellen Ausgabe druckt "Nature" (Bd. 444, S. 481) die Studie, die es bislang nur online gab. Auf Wunsch der Herausgeber schrieben die Forscher nun eine Ergänzung ("Addendum"). Darin heißt es unter anderem, dass keinem der Embryonen nach dem Eingriff die Gelegenheit gegeben wurde, sich weiter zu entwickeln. Außerdem schreiben die Forscher, ihr Ansatz habe "die Entwicklungsfähigkeit des Ursprungsembryos nicht beeinflusst" - einen Beleg dafür wurde allerdings nicht erbracht. Zudem änderten die Wissenschaftler die Beschriftung einiger Tabellen.

Aus den entnommenen Zellen hatte Lanza zwei Stammzelllinien gezüchtet. Viele Mediziner hoffen, mit solchen Zellen eines Tages zum Beispiel verschlissenes Gewebe ersetzen zu können. Kritiker lehnen das Töten von Embryonen zur Produktion von Stammzellen ab, hier zu Lande ist dies verboten.

Vorwurf der Irreführung

Die Studie hatte die Debatte um die Forschung mit Stammzellen auch in Deutschland neu entfacht. Mehrere deutsche Forscher kritisierten sowohl das britische Journal als auch die US-Forschergruppe um Lanza vom Unternehmen Advanced Cell Technology (Worchester/US-Staat Massachusetts).

Prof. Hans Schöler, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster, warf Lanza vor, den Eindruck erweckt zu haben, 16 Embryonen jeweils eine Zelle (so genannte Blastomeren) entnommen und daraus zwei Stammzelllinien gewonnen zu haben. Stattdessen seien es 91 Blastomeren gewesen, und die Embryonen seien offensichtlich zerlegt worden. Die Einleitung das Fachartikels vom August führe den Leser auf eine falsche Fährte. Der Zusatz, die beschriebene Technik spreche die "ethischen Bedenken vieler" an, sei für eine wissenschaftliche Studie nicht angebracht, kritisierte Schöler. (Fachartikel-Identifikationsnummer: Die Ergänzung und die Studie haben die gleich Nummer: DOI 10.1038/nature05142)

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