Die Diagnose Ein Mädchen hat einen Buckel. Das verwächst sich, bekommt die Mutter zu hören. Von wegen!

  • von Beate Wagner (Protokoll)
Illustration der wöchentlichen Kolumne "Die Diagnose": Eine Mutter und ihre Tochter mit Skoliose
Lässt sich die krumme Wirbelsäule eines kleinen Mädchens wieder aufrichten?
© Katrin Funcke/Art Act/Stern
Ein Arzt therapiert ein kleines Mädchen mit verkrümmter Wirbelsäule. Doch die Behandlung erfordert viel Geduld.

Das Mädchen war vier Jahre alt, als ich es in Begleitung seiner Mutter kennenlernte. Mir fiel sofort auf, warum die beiden wahrscheinlich zu mir gekommen waren: Das Kind hatte einen Buckel. Die Mutter erzählte mir die Geschichte: Mit ihrer damals zweijährigen Tochter war sie zur Kinderärztin gegangen, weil das Mädchen sich unbeholfen bewegte und der Rücken leicht gekrümmt aussah. Die Ärztin stellte einen Buckel im oberen Rücken fest, ansonsten war das Kind gesund. Mit der Verdachtsdiagnose "Skoliose" überwies sie es zum Orthopäden. 

Dr. Jens Seifert, Chefarzt Interdisziplinäre Wirbelsäulenchirurgie, Asklepios Fachklinik Hohwald, Neustadt in Sachsen
Diese Woche: Dr. Jens Seifert, Chefarzt Interdisziplinäre Wirbelsäulenchirurgie, Asklepios Fachklinik Hohwald, Neustadt in Sachsen
© Asklepios / Thomas Schlorke

Die Skoliose ist eine seltene Verkrümmung der Wirbelsäule. Man weiß bis heute nicht genau, was die Ursache ist. Die würfelartigen Wirbelkörper wachsen nach vorn etwas zu stark. Da im Körper nicht genügend Platz ist, verdrehen sich die Strukturen, der Rücken flacht ab, krümmt sich, und ein Buckel entsteht. Der Anteil der Kinder hierzulande, die wegen Skoliose behandelt werden müssen, liegt im Promillebereich. Oft häuft sich Skoliose in der Familie – in unserem Fall jedoch nicht. Der Orthopäde bestätigte daher die Diagnose "Skoliose mit unbekannter Ursache" und sagte: Das verwächst sich. So erzählte es die Mutter. Wie in diesem Fall hält sich leider bei vielen Orthopäden die Vorstellung, dass die Skoliose nicht schlimm sei. Eine krumme Wirbelsäule aber verwächst sich nicht; man sollte alle Verläufe mindestens weiter beobachten. Sonst kann die Deformität zunehmen, die Lungenfunktion eingeschränkt sein, oder Betroffene entwickeln Schmerzen oder bekommen neurologische Ausfälle.

Der Orthopäde schickte Mutter und Tochter mit einem Rezept für Physiotherapie nach Hause. Der Buckel aber wurde größer. Etwas später ließ der Arzt eine erste Röntgenuntersuchung machen. Die Skoliose kann mittels Röntgen einfach diagnostiziert werden: Die Krümmung der Wirbelsäule wird dabei als Winkel zwischen zwei Linien definiert, die auf der Aufnahme der Wirbelsäule gezogen werden. Dieser sogenannte Cobb-Winkel zeigt an, wie schwer die Skoliose ist. Die Bildgebung bestätigte die Diagnose. Doch das Kind erhielt keine weitere Behandlung, erzählte die Mutter mir. 

Erschienen in stern 06_24

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