Vogelgrippe H5N1 ist wieder im Anflug

Gut ein halbes Jahr nach dem ersten Vogelgrippe-Alarm in Deutschland hat das Friedrich-Loeffler-Institut vor einer neuen Seuchenwelle gewarnt. Der Grund: Die ansteigende Zugvogelaktivität im Herbst.

Die Gefahr eines neuen Vogelgrippe-Ausbruchs im Herbst sei hoch, sagte der Präsident des für Tierseuchen zuständigen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Thomas Mettenleiter. Das auch für Menschen gefährliche H5N1-Virus befinde sich nach wie vor in der hiesigen Wildvogelpopulation, was nicht zuletzt der jüngste Ausbruch der Krankheit in einem Dresdener Zoo gezeigt habe. Mettenleiter rief die Länder dazu auf, die Stallpflicht für Federvieh wieder strenger zu beachten.

Fragen an Elke Reinking vom FLI

Ab wann ist mit einem neuen Ausbruch zu rechnen?
Das können wir derzeit noch nicht abschätzen. Mit der zunehmenden Vogeldichte im Herbst, bedingt durch die Sammlung der Tiere für den Vogelzug in die Winterquartiere, und die Rückkehr der Überwinterungsgäste, werden die Grundbedingungen für die Verbreitung des Virus günstiger. Dann kommen an den Sammel- und Rastplätzen verschiedene Vogelarten in hoher Individuenzahl zusammen. Außerdem sinken die Temperaturen und das Virus überdauert auch außerhalb des Tierkörpers, also in Kot oder Nasensekret, länger als im Sommer bei hohen Temperaturen und intensiver Sonnenstrahlung. Ob es aber tatsächlich zu einem verstärkten Auftreten des Virus bei Wildvögeln kommt, lässt sich nicht genau voraussagen. Daher beobachten wir die weitere Entwicklung genau. Welche Regionen sind besonders betroffen?
Generell gehen wir nach den Erfahrungen des Frühjahrs davon aus, dass wassernahe Gebiete mit hohen Populationen von wilden Wasservögeln besonders gefährdet sind, also Gebiete an Flüssen und Seen sowie an der Küste. Wie kann man sich schützen?
Nach wie vor handelt es sich bei der Geflügelpest um eine Tierseuche. Generell sollte man sich an allgemeine Hygieneregeln halten, also tote Wildtiere - gleich welcher Art - nicht mit bloßen Händen berühren. Gibt es bis dahin einen Impfstoff für Mensch und Tier?
Die Entwicklung von Impfstoffen ist sehr zeitaufwändig. Das Friedrich-Loeffler-Institut arbeitet derzeit an zwei Markerimpfstoffen gegen die Geflügelpest bei Nutzgeflügel. Auch wenn die bisherigen Labortests sehr erfolgreich verlaufen, sind und für nächstes Jahr erste Freilandversuche unter Feldbedingungen in der Planung sind, wird eine Zulassung noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Für die Humanimpfstoffe sind das Robert Koch- und das Paul-Ehrlich-Institut zuständig. Interview: Jens Lubbadeh

Stallpflicht bleibt nötig

Im Herbst seien zur Zeit des Vogelzugs die Bedingungen für eine Ausbreitung des Virus günstiger. Außerdem könne der Erreger bei kälteren Temperaturen besser überdauern. Besonders gefährdet seien Landstriche in der Nähe von Seen oder Flüssen sowie die Nord- und Ostseeküste. Mettenleiter appellierte an die Länder, die vielen Ausnahmegenehmigungen noch einmal zu überprüfen. Die Stallpflicht bleibe nötig. Ansonsten drohe eine neue Einschleppung in Nutztiergeflügelbestände. Dies könne katastrophale Auswirkungen haben.

Bundesweit gilt die allgemeine Stallpflicht für Federvieh zunächst bis Ende Februar, ausnahmslos aber nur in der Nähe von Fundorten infizierter Tiere, an Seen und Feuchtgebieten sowie in Regionen mit viel Geflügel. In den übrigen Gebieten haben die Bundesländer großflächige Ausnahmen beschlossen.

Das auch für Menschen gefährliche Virus H5N1 war Mitte Februar 2006 bundesweit erstmals auf der Ostsee-Insel Rügen aufgetaucht. Dort gilt wegen der Vogelgrippe-Gefahr seit dem vergangenen Mittwoch wieder eine verschärfte Stallpflicht für Geflügel. Das Bundesagrarministerium begrüßte die Regelung, sah allerdings bisher noch keine Notwendigkeit für neue Maßnahmen gegen die Vogelgrippe- Gefahr in anderen Regionen.

WHO: Pharmaindustrie soll Forschung ausweiten

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Pharmaindustrie zu einer Ausweitung ihrer Forschung bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Vogelgrippe aufgerufen. Beide bislang bekannten Varianten des gefährlichen H5N1-Virus sollten in die Suche nach wirksamen Mitteln gegen eine mögliche Pandemie einbezogen werden, empfahl die WHO.

Rund ein Dutzend Unternehmen führen derzeit klinische Tests von möglichen Impfstoffen durch, die aufgrund des 2004 in Vietnam isolierten Vogelgrippe-Erregers entwickelt wurden.

"Wir wollen sicherstellen, dass die für H5N1-Impfungen genutzten Erregertypen der Entwicklung des Virus Rechnung tragen", erklärte der Koordinator des WHO-Grippe-Programms, Keiji Fukuda. Es sei nicht absehbar, welches Virus die nächste Grippe-Pandemie beim Menschen auslöse, betonte er.

Zulassungsanträge laufen

Sollte es sich jedoch um einen H5N1-Erreger handeln, könne eine Forschung auf breiterer Grundlage eine schnelle Reaktion erleichtern. Mitte 2005 wurde allerdings eine zweite Variante identifiziert, an dem Erreger starben auch Vögel in Europa.

Die europäische Arzneimittelagentur EMEA überprüft zur Zeit die Zulassungen für Pandemie-Impfstoff für den Menschen. Nach Angaben der EMEA haben bereits die Konzerne Chiron und Glaxosmithkline Zulassungsanträge für Musterimpfstoffe eingereicht.

Das eigentliche Vakzin gegen eine mögliche Pandemie kann erst zugelassen und hergestellt werden, wenn sich das Pandemie-Virus gebildet hat und ausgebrochen ist. Dann ist lediglich eine Abänderung der Zulassung bei der EMEA für den Wirkstoff eingereicht und kann schneller bearbeitet werden.

lub mit Agenturen

PRODUKTE & TIPPS