Herr Heiermann, gibt es in diesem Jahr besonders viele Zecken?
Es gibt niemanden, der Zecken bundesweit zählt, insofern kann man es nicht genau sagen. Meine persönlichen Beobachtungen würden die Annahme allerdings stützen: Bei meinem Hund habe ich in diesem Jahr schon viele Zecken gefunden. Und ein Kollege von mir war vor kurzem zu Forschungszwecken in der Natur unterwegs, eigentlich um Insekten und Spinnen zu fangen und zu zählen. Am eigenen Körper hat er allerdings sieben Zecken mitgebracht. Das ist schon rekordverdächtig. Von den klimatischen Bedingungen ist 2016 jedenfalls ein Zeckenjahr.
Inwiefern?
Der vergangene Winter war mild. Das ist zwar nicht für alle Tierarten unmittelbar günstig, aber manche profitieren davon. Zecken sind Spinnentiere. Diese überleben den Winter zahlreich, wenn es ihren Wirten, bei kleinen Zecken etwa Nagetieren wie Mäusen, gut geht. Mäuse wiederum hatten in diesem Winter perfekte Überlebenschancen. Sie sind weder erfroren noch verhungert. Was wiederum für die Zecken gut ist, die sich an ihnen festgesaugt haben. Es dürfte also dieses Jahr viele Zecken geben. Das aktuell feucht-warme Wetter ist zudem gut für sie.
Was ist Borreliose?
Die Lyme-Borreliose, oft auch nur Borreliose genannt, wird durch Bakterien, sogenannte Borrelien, verursacht. Zecken übertragen diese Erreger. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge kann die Erkrankung besonders die Haut, das Nervensystem und die Gelenke betreffen. Allerdings: Längst nicht alle Zecken sind Überträger von Borrelien. "Das Vorkommen von Borrelien in Zecken schwankt sowohl regional als auch kleinräumig sehr stark und kann bis zu 30 Prozent betragen", schreibt das RKI. Von den infizierten Menschen entwickle nur ein kleiner Teil (rund ein Prozent) Symptome. Da die Erreger im Darm der Zecke sitzen, dauert es, bis sie in den Körper des Menschen gelangen. Das Tier muss daher möglichst schnell entfernt werden.
Ein typisches Zeichen der Borreliose ist die sogenannte Wanderröte, die nach wenigen Tagen bis Wochen auftritt und sich als ringförmige Rötung um die Einstichstelle zeigt. Der Ring wandert allmählich nach außen. Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen können auftreten. Auch Monate oder Jahre später können sich noch Spätfolgen zeigen - etwa Lähmungen, Taubheitsgefühle oder chronische Entzündungen.
Zumindest die Zecken mögen also den Regen.
Ja, in feuchten, dicht bewachsenen Lebensräumen fühlen sie sich wohl. Man kann sich die Tiere zwar auch auf einem trockenen Rasen einfangen. Dann aber eher am Waldrand, wo es schattig ist, und im Unterholz. Von hohen Bäumen springen sie nicht herunter. Das ist ein Mythos. Zecken lauern an Büschen, Kräutern oder im hohen Gras. Wer da spazieren geht, kann sich viele Zecken einfangen. Die Tiere erklimmen die Grashalme und können dort monatelang auf einen Wirt warten. Streift ein Reh oder ein Mensch den Halm, erschnuppern sie das und klammern sich rasch fest. Obwohl wir Menschen ja eher eine Panne, ein Fehlwirt für die Zecken sind.
Sie wollen uns eigentlich nichts Böses?
Nein. Zur Reproduktion tragen wir Menschen ja nicht so richtig bei. Die läuft normalerweise so ab, dass ein Zeckenweibchen einen Wirt befällt. Hat es genug Blut gesaugt, kommt ein Männchen dazu. Die beiden Zecken paaren sich und die Eier werden im Boden abgelegt. Eine dicke, mit Blut gefüllte Zecke wird von uns jedoch meist entdeckt, entfernt und platt gemacht. Vermehren klappt dann nicht mehr.
Was ist FSME?
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, wird durch Viren ausgelöst. Überträger sind ebenfalls Zecken, allerdings ist hauptsächlich der Süden Deutschlands betroffen. Das RKI veröffentlicht jährlich eine Karte mit den Risikogebieten. Doch auch dort trägt längst nicht jede Zecke den Erreger in sich. Bis zu etwa drei Prozent sind infiziert, schätzt das RKI.
Gegen FSME gibt es eine Impfung. Die am RKI angesiedelte Ständige Impfkommission empfiehlt sie Personen, die in Risikogebieten mit Zecken in Kontakt kommen können und die durch ihren Beruf gefährdet sind, etwa Forstarbeiter. Um den vollen Impfschutz zu erhalten, sind drei Impfungen nötig. Wer einmal an FSME erkrankt ist, hat offenbar ebenfalls einen Immunschutz, schreibt das RKI. Allerdings muss die Erkrankung nachgewiesen worden sein - etwa durch einen Antikörpertest. Auch dieser Schutz sollte aber nach drei bis fünf Jahren durch eine Impfung aufgefrischt werden.
Auch eine Infektion mit FSME führt nicht immer zu Symptomen. Etwa bei jedem Dritten treten nach ein bis zwei Wochen grippeähnliche Begleiterscheinungen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen auf. Bei einem Teil dieser Infizierten kann es zu einer Entzündung der Hirnhaut, des Gehirns und des Rückenmarks kommen. Schwere Krankheitsverläufe werden fast nur bei Erwachsenen beobachtet, schreibt das RKI. Ein Großteil erhole sich selbst davon wieder - ohne bleibende Schäden.
Schade für die Zecke. Aber gut für den Menschen. Wie gefährlich sind Zecken denn für uns?
Sie sind das gefährlichste Wildtier, das wir hier in Deutschland haben. Gefährlicher als Wolf, Luchs und Wildschwein. Das liegt an den Krankheiten, die sie übertragen - die Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME (siehe Kasten). Borreliose kommt landesweit vor. Mit dem Erreger, sogenannten Borrelien, infizierte Zecken sind in ganz Deutschland zu finden. FSME wird über Viren übertragen. Zecken, die sie verbreiten, sind hauptsächlich in Süddeutschland anzutreffen. Eine Karte der FSME-Risikogebiete veröffentlicht das Robert Koch-Institut jährlich.
Gibt es eine Impfung?
Gegen Borreliose kann man sich nicht impfen lassen, gegen FSME schon. Eine Impfung ist ratsam, wenn die Gefahr besteht, dass man in den Risikogebieten mit Zecken in Kontakt kommt. (siehe Kasten)
Wie schützt man sich vor Zecken?
Arme und Beine mit langer Kleidung zu bedecken, bietet einen gewissen Schutz. Ebenso wie feste Schuhe. Wichtig ist es auch, sich nach einem Spaziergang auf Zecken hin abzusuchen. Gerne auch gegenseitig, wie die Affen, die sich lausen. Besonders wichtig ist das Absuchen bei Kindern. Kniekehlen, Ellenbeuge, Haaransatz, Achseln oder der Genitalbereich sollten begutachtet werden, denn Zecken bevorzugen feucht-warme Stellen und krabbeln da gerne hin. Nach einem Spaziergang im hohen Gras die Kleidung besser nicht im Schlafzimmer ausziehen, sondern zum Beispiel in die Badewanne legen. Auf dem Weiß lassen sich Zecken gut erkennen.
Helfen Sprays?
Sogenannte Repellentien bieten einen gewissen Schutz. Er hält aber nur für einige Stunden an. Ratsam ist es, die Sprays nicht direkt auf die Haut, sondern etwa auf die lange Kleidung aufzutragen.
Was ist zu tun, wenn man gebissen wurde?
Die Zecke so schnell wie möglich und bestenfalls komplett entfernen. Je länger sie in der Haut steckt, desto größer ist das Risiko, dass Viren oder Bakterien in den Körper gelangen. Mit einer spitzen Pinzette oder einer Zeckenzange lässt sich das Tier möglichst nahe an der Hautoberfläche - und keinesfalls am dicken Körper - greifen und möglichst gerade herausziehen. Drehen sollte vermieden werden. Bei großen und dicken Tieren geht es manchmal aber gar nicht anders. Da hilft vorsichtiges und leichtes Drehen. Die Richtung ist dabei vollkommen egal. Öl und Klebstoff auf die Tiere zu träufeln, bringt nichts. Im Gegenteil: Es schadet sogar. Die Zecken erbrechen sich dann - und geben mit dem Speichel die Erreger in den Körper ab. Nachdem das Tier entfernt wurde, sollte die Wunde desinfiziert werden.
Wie lange ist denn "Zeckenzeit"?
Im Prinzip das ganze Jahr über. Die Hauptzeit erstreckt sich allerdings meist von März bis Oktober. Ist der Winter mild, kann man sich eine Zecke aber sogar mit einem frisch geschlagenen Weihnachtsbaum ins Haus holen.
Wie entfernt man Zecken richtig? Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zeigt in Bildern wie es geht. Die Serie findet sich hier.
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