Meinung Israel-Hass auf der Berlinale: Vom Filmfestival zum Trauerspiel

Berlinale-Chefin Tricia Tuttle (l.) und Ehrenbär-Preisträgerin Tilda Swinton bei der Eröffnung auf dem roten Teppich
Berlinale-Chefin Tricia Tuttle (l.) und Ehrenbär-Preisträgerin Tilda Swinton bei der Eröffnung auf dem roten Teppich
© Julie Edwards / Avalon / Imago Images
Die Meinungsfreiheit-Offensive der neuen Berlinale-Chefin ist schon nach wenigen Tagen gescheitert. Nun ermittelt sogar der Staatsschutz auf Deutschlands wichtigstem Filmfestival.

Der Film "Queerpanorama" des chinesischen Regisseurs Jun Li zeigt in 87 Minuten einen frivolen Streifzug durch die Gay-Dating-Szene Hongkongs. Die namenlose Hauptfigur stolpert von einem One-Night-Stand zum nächsten, bedient sich jeweils an der Identität des vorhergehenden Sexualpartners, plappert dessen Phrasen nach. Formulieren wir es höflich: Es wäre vermutlich nicht jener Beitrag der 75. Ausgabe der Berlinale gewesen, von dem alles spricht. Doch Glückwunsch an den Regisseur, es ist anders gekommen.

Tiefsinnige Filmbeiträge, tumbe Ansichten

Es war vorauszusehen, dass es nicht lange dauern würde, bis die aggressive Pro-Palestine-Bewegung mit ihren Parolen auch in diesem Jahr die Berlinale kapert. Tilda Swinton machte schon auf der Pressekonferenz nach der Eröffnungsgala Werbung für die BDS-Bewegung, die Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will und in deren National Comitee auch die islamistischen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad einen Sitz haben. Am Samstag hatte Regisseur Jun Li in der Urania eine Rede seines iranischen Darstellers Erfan Shekarriz vorgelesen, der im Schwarz-Weiß-Werk "Queerpanorama“ eine Nebenrolle hat. Und das Festival selbstredend boykottiert.

Von Israel als "Siedlerkolonialstaat" ist da die Rede, von "Apartheid" und "Völkermord", und natürlich darf auch der antisemitische Slogan nicht fehlen, der die Auslöschung des jüdischen Staates fordert: From the river to the sea. Damit sind der Jordan im Osten und das Mittelmeer im Westen des Landes gemeint. Ein Schlachtruf, der keinen Interpretationsspielraum lässt und auch deshalb aus gutem Grund in Deutschland untersagt ist.

Alle Jahre wieder: Israel-Hass

Die Szenerie wirkt inzwischen redundant. Offen zur Schau getragener und deutlich antisemitisch geprägter Israel-Hass ist weiterhin salonfähig und erntet Applaus. Doch wirken die Szenen noch einmal grausamer und geschichtsvergessener als zuvor. Geschehen sie doch parallel zu den menschenfeindlichen, zutiefst verachtenswerten Inszenierungen, die sich gerade in Gaza ganz real während des Waffenstillstands ereignen. 

Schauen diese Leute keine Nachrichten, sehen sie nicht, wer ihre Freunde und BDS-Mitstreiter sind? Jene Terror-Schergen, die in der Kluft der IS-Kämpfer die ausgemergelten, gefolterten und teils geschändeten Geiseln unter dem widerwärtigen Gejohle der palästinensischen Bevölkerung vor dem Austausch mit Verbrechern demütigen und vorführen? Hören und lesen sie nicht die Berichte, was diesen Menschen angetan wurde?  

Berlinale toleriert Kolonialismusvergleich

BDS-Unterstützer und ihre Pro-Palestine-Bewegung folgen einer absurden Doktrin, die den Staat Israel in seiner gesamten Existenz infrage stellt und als kolonialistisches Konstrukt hinstellt. Die Begriffe sind schlau gewählt, stellen sie doch jüdische Menschen, die über Jahrzehnte in das Land ihres Ursprungs zurückgekehrt sind, mit jenen Kolonialisten reicher europäischer Staaten in eine Reihe, die im 19. Jahrhundert brutal ihre Machtbereiche auf große Teile der Welt auszuweiten suchten und dabei schreckliche Verbrechen begingen.

Ein unhistorischer und geradezu unmoralischer Vergleich. Die großen Wellen jüdischer Einwanderung in das britische Mandatsgebiet "Palästina" waren die Folge von Pogromen und Vertreibungen, lange vor und auch nach dem Holocaust. Nicht zu vergessen die etwa 800.000 Juden, die dringend einen eigenen Staat als Zufluchtsort suchten, nachdem sie aus dem gesamten arabischen Raum vertrieben worden waren. Wer mit Vertretern des Pro-Palestine-Aktivismus versucht, ins Gespräch zu kommen, muss oft feststellen, dass es an einfachsten historischen Hintergrundinformationen fehlt.

Die neue Berlinale-Chefin Tricia Tuttle scheint mit ihrer Strategie der Meinungsfreiheit in alle Richtungen gescheitert. Der Staatsschutz ermittelt gegen die Ausfälle auf offener Bühne. Den völlig unbekannten Darsteller von "Queerpanorama", der den Wirbel verursachte, dürfte das nicht sonderlich jucken. Man kann für ihn bloß hoffen, dass er sich nicht im Iran aufhält oder gar in Hamas-Gaza, wo der Film mit seinen expliziten schwulen Szenen vermutlich wenig Applaus, dafür ganz andere Reaktionen hervorgerufen hätte.

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