Auf dem Cover des neuen Asterix-Bandes prangt ein Monster. Am Anfang der Geschichte von "Asterix und der Greif" tauchen weitere Fabelwesen auf, sogar Einhörner werden erwähnt. Und dann tritt schon auf der zweiten Seite eine Frau auf. Vollbusig, Minirock und mit einer blonden Mähne fast bis zu den Knöcheln. Oh weh, denkt da der Fan der Comic-Helden aus Gallien, das geht ja schon mal zweifelhaft los. Harry Potter trifft Barbie, oder was wird hier gespielt?
Doch die Sorge, sie ist unbegründet. Denn das 39. Abenteuer der Männer mit den Knollennasen und der Vorliebe für Wildbret und römisches Altmetall ist rundum gelungen. Und eine astreine Abenteuergeschichte, die sie diesmal auf eine ihrer bislang weitesten Reisen führt. Nach Nordamerika in "Die große Überfahrt" und Indien in "Asterix im Morgenland" geht es nun in die Steppen von Sarmatien im äußersten Osten Europas. Oder wie die Römer sagen würden: "Barbaricum".
Einer dieser Barbaren ist ein Schamane namens Terrine, ein alter Freund des Druiden Miraculix, man kennt sich aus einem Seminar für alternative Magie. Im Traum bittet er die Gallier um Hilfe. Die Römer haben sich nämlich in den Kopf gesetzt, das Heiligtum der Sarmaten zu entführen, eine Hybridkreatur aus Adler, Löwe und Pferd. Diesen Greif will Cäsar für seine Zirkusspiele einfangen, denn: "So ein Ungeheuer macht mich beim Pöbel beliebt".
Hübsche Anspielungen auf die Pandemie
Und schon geht es los mit Verfolgungsjagden, unter anderem über einen zugefrorenen See, Hinterhalten und einen Überfall im Nebel. Die Blondine vom Anfang entpuppt sich bald als ziemlich widerspenstige Amazone mit dem aussagekräftigen Namen Kalaschnikowa. Wie bei dem Reitervolk aus dem Osten überhaupt die Frauen längst das Regiment übernommen haben und die Kriegsführung, während die Männer am Herd stehen und sich um die Kinder kümmern. Und nein, Obelix sagt an keiner Stelle: "Die spinnen, die Sarmaten!"
Neben dem famosen Abenteuergarn, das hier gesponnen wird und bei dem bis zum Ende unklar bleibt, ob das Monster aus dem Titel wirklich existiert, überzeugt der neue Band auch durch seine Details und Nebenfiguren. Da gibt es den Großwildjäger Ausdimaus, eine wunderbare Parodie auf alle Alpha-Tiere und Superhelden, und den Geografen Globulus. Oder zwei Skythen, die sich als einheimische Wanderführer anbieten: "Eine Umgebung mit rustikalem Charme. Ideal für einen entspannten Kurzurlaub als Paar oder mit Freunden."
Es gibt zudem hübsche Anspielungen auf die Pandemie, der größte Teil des neuen Albums ist schließlich im Lockdown entstanden. Auf Abwehrkräfte, das Immunisieren und mögliche Nebenwirkungen. Ein skeptischer Legionär tritt ebenfalls auf. Seine Name: Fakenius. Und wir erfahren mehr über die Zutaten des unbesiegbaren machenden Zaubertranks: vierblättrige Kleeblätter gehören hinein und Hummer, aber auf keinen Fall ein Hamster.
Der neue Asterix fühlt sich schon fast an wie ein Klassiker
Nix Barbie, nix Potter also, sondern ein Album, das perfekt passt in den Kanon von Asterix und dass sich schon beim ersten Lesen fast anfühlt wie ein Klassiker. Nach zehn Jahren und fünf Alben, darunter das wirklich gelungene Werk "Der Papyrus des Cäsar" von 2015, scheint das neue Team gänzlich angekommen zu sein in der Parallelwelt der Gallier. Ihren Stärken und ihren Macken, ihrer Hilfsbereitschaft und ihrer Verzweiflung an der Welt um sie herum, die sich einfach immer weiterentwickelt, dabei wäre es doch auch im Hier und Jetzt des Jahres 50 vor Christus gerade so schön.
Römerhelm ab also vor den Zeichnungen von Didier Conrad, dem Szenario und den Texten von Jean-Yves Ferri, vom langjährigen Übersetzer Klaus Jöken wieder kongenial übertragen und mit eigenem Sprachwitz angereichert. Asterix lebt – und er fühlt sich zeitgemäß an wie lange nicht.