Die Fassade ist oft unscheinbar, die Inneneinrichtung gruselig. Trotzdem oder gerade deswegen gibt es in London an jeder fünften Straßenecke einen Pub - für Matthias Politycki "der urenglische Ort schlechthin". Er muss es wissen, er hat die Kneipenlandschaft der englischen Hauptstadt so systematisch erkundet wie kein anderer vor ihm und auch das Angebot aus den Zapfhähnen dort: Ale um Ale hat er sich bei einem ausdauernden "Pubcrawl" quer durch die Stadt getrunken, bei dem er sich für kein Bier zu schade war und schmeckte es noch so widerlich. Es war ein inspirierendes Erlebnis, wie "London für Helden" beweist, das Buch, das Poltitycki darüber geschrieben hat.
Es ist frei von jeder Katerstimmung, im Gegenteil beschwingt und witzig, eine ironisch gebrochene Hymne auf die Londoner Pubs, reimfrei, aber in Versform. Ein Loblied auf das englische Bier singt der Schriftsteller allerdings nicht: Er nennt es "das traurige Gesöff für Menschen, die auch beim Essen kaum über fish and chips rausgekommen sind".
Es schmeckt nach verranztem Murmeltier
Englands Bierlandschaft ist jedenfalls bunt, und schon die Namen haben oft Unterhaltungswert: "Ridley's Witchfinder" hat Politycki genauso runtergespült wie ein "Titanic Iceberg", ein "Goosinator" oder ein "Double Chocolate Stout". Umwerfend fand er es selten: Bei einem der Biere war er sich nicht sicher, ob es im Abgang, nach "verranztem Murmeltier, 'nem räudigen Kater oder nach Ziegenbock" schmeckt.
Buchtipp:
Matthias Politycki: "London für Helden - The Ale Trail", Hoffmann und Campe, 96 Seiten, 18 Euro
Ein anderes erinnerte ihn an "feuchte alte Feudel, die man nachm Wischen nie or'ntlich ausgewaschen hatte", das nächste an "'ne Art Altbierbowle für Schnabeltassentrinker". In diesem angenehm schnöseligen Tonfall geht es über fast 100 Seiten.
Nett ist das nicht gegenüber englischen Bierliebhabern, aber nett will Politycki auch gar nicht sein. Sein "London für Helden" ist eine Satire, die sich lustig macht, über Brauereien, die in ihren Werbesprüchen große Töne spucken, aber geschmacklich wenig zu bieten haben. Bierernst gemeint ist sie nicht. Polityckis Fazit ist versöhnlich: "Nein, ein Freund des englischen Bieres bin ich, weiß Gott, bei diesem Selbstversuch nicht geworden. Ein Freund der Stadt und ihrer Bewohner hingegen schon."