Equal Pay Day Warum selbst Single-Männer profitieren, wenn Frauen gerecht bezahlt werden

Lohnlücke Männer Frauen
Eigentlich müsste die Vorschullehrerin genauso gut verdienen wie der Elektroingenieur - tut sie in Deutschland aber nicht
© Christin Klose/ / Picture Alliance
Bis in den März haben Frauen in Deutschland quasi umsonst gearbeitet: 18 Prozent beträgt die Lohnlücke aktuell zwischen den Geschlechtern. Uta Zech vom Equal Pay Day erklärt, warum die Frauen nicht das Problem sind.

Zuerst die nackten Zahlen: Frauen verdienten 2020 laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 18 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Es ist ein deutliches Indiz für mangelnde Gleichbehandlung. Der stern sprach mit Uta Zech, Chefin des deutschen Equal Pay Days. Es ist ein symbolisches Datum und markiert den Tag, bis zu dem Frauen umsonst gearbeitet haben, während Männer schon abkassieren. Zech erklärt, was Frauen tun können, um beim Gehalt aufzuholen und warum sie nicht selbst schuld an der Misere sind.

Frau Zech, zuletzt hat sich in Sachen Gleichstellung ein bisschen was getan: Der Gender Pay Gap ist in einem Jahr von 21 auf 18 Prozent gesunken, das Quoten-Gesetz zu Frauen in Führungspositionen ist ausgeweitet worden und beim Entgelttransparenzgesetz müssen nun die Arbeitgeber nachweisen, dass es keine Diskriminierung ist, wenn Frauen weniger verdienen als Männer. Braucht es da so einen Tag wie den Equal Pay Day überhaupt noch?

Das alles freut uns natürlich. Aber 18 Prozent sind noch immer 18 Prozent zu viel. Dass es in der Bevölkerung mittlerweile überhaupt ein Bewusstsein für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen gibt, liegt auch am Equal Pay Day. Der europäische Durchschnitt liegt übrigens bei 14,1 Prozent, das heißt, wir stehen in Deutschland immer noch deutlich schlechter da. Außerdem können Frauen kaum etwas gegen die Strukturen tun, die dafür sorgen, dass sie weniger verdienen.

Was sind das für Strukturen, an denen Frauen scheitern?

Zum Beispiel, dass Berufe, in denen vermehrt Frauen arbeiten, hierzulande unterbewertet sind. Dabei haben wir jetzt gerade in der Corona-Krise gemerkt, wie wichtig die Pflegeberufe sind. Es geht um gleiche Bezahlung von gleicher Arbeit und gleichwertiger Arbeit. Bei gleicher Arbeit geht’s um Qualifikation und Berufserfahrung im gleichen Jobumfeld. Um die Gleichwertigkeit einer Arbeit festzustellen, kann man den sogenannten Comparable Worth Index zu Rate zu ziehen. Der hat vier geschlechtsunabhängige Kriterien definiert, Kompetenz, Verantwortung, psycho-soziale und körperliche Anforderungen. Wenn man Berufe danach werten würde, dann müsste die Vorschullehrerin genauso viel verdienen wie der Elektroingenieur. Sie geht aber im Schnitt mit 18 Euro in der Stunde nach Hause, während er 30 Euro kassiert. Dieses System müsste sich dringend ändern.

Statistisches Bundesamt:  Orientierung für Gehaltsgespräche: Hier können Arbeitnehmer ihren Lohn vergleichen
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Orientierung für Gehaltsgespräche: Hier können Arbeitnehmer ihren Lohn vergleichen

In den 18 Prozent ist nicht berücksichtigt, dass Frauen häufiger Teilzeit arbeiten als Männer, zum Beispiel wegen der Kinderbetreuung. Sind die Frauen nicht selbst schuld, wenn sie sich für unbezahlte Care-Arbeit entscheiden?

Eigentlich spreche ich über den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap nicht, denn er greift zu kurz, weil er eben die Strukturen dahinter nicht berücksichtigt. Er liegt immer noch bei sechs Prozent. Und es stimmt: Die letzten Berechnungen sagen, dass Frauen zirka 52 Prozent mehr Sorgearbeit übernehmen als Männer. Aber warum ist das so? Häufig gucken Männer und Frauen bei der Familiengründung auf die Gehaltszettel und stellen fest: Der Mann verdient mehr, also steckt die Frau zurück, damit man den Lebensstandard halten kann. Das heißt: Alles hängt mit allem zusammen.

Was können Frauen dagegen tun?

Es ist sehr wichtig, dass die Elternzeit paritätisch aufgeteilt wird. Das Elternzeitgesetz ist ein guter Ansatz. Ich würde noch ein Schritt weiter gehen, und es nur noch halbe/halbe anbieten. Einfach, um zu verhindern, dass die Frauen zu lange aussteigen und dann Nachteile bis zur Rente haben. Das würde auch Bewerbungsgespräche verändern: Momentan haben Frauen im gebärfähigen Alter einen Nachteil, weil befürchtet wird, dass sie bald ausfallen. Wenn das beim Blick auf gleichalte Männer genauso wäre, dann wäre es vielleicht einfach mal normal. Aber diese Lösungen müssen nicht nur von den Frauen gesucht werden, sondern auch von den Partnern und vor allem den Unternehmen. Was Frauen an Kindererziehung und Care-Arbeit generell leisten ist eine riesige Schattenwirtschaft. Das muss eingepreist werden.

Aber nicht jede Frau kann oder möchte sechs Monate nach Geburt schon wieder topfit im Job stehen. Was raten Sie denen?

Ich würde raten, im Kontakt zu bleiben mit den Unternehmen, auch, wenn ich nicht da bin. Und es muss mir auch bewusst sein, dass es Folgen für meine Rente hat. Man könnte zum Beispiel mit dem Partner ausmachen: Ok, wenn du arbeiten gehst für Geld und ich hier arbeite ohne Geld, dann legen wir für meine Rente Geld an.

Wie wichtig sind Männer beim Thema Equal Pay?

Ohne die Männer kommen wir nicht vorwärts. Unser Motto dieses Jahr ist "Game Changer", wir wollen damit bewusst Frauen und Männer ansprechen und deutlich machen, dass Equal Pay eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Denn Männer profitieren auch. Selbst die Singles hätten einen Vorteil, wenn es zum Beispiel mehr flexible Arbeitszeitmodelle gäbe, um das eigene Leben zu gestalten.

Ein weiteres Vorurteil ist, dass Frauen weniger verdienen, weil sie in Gehaltsverhandlungen eine schlechte Figur abgeben. Stimmt das?

Es stimmt, dass Frauen genauso häufig nach Gehaltserhöhungen fragen, sie aber seltener bekommen, dazu gibt es Studien. Das ist aber auch eine Sache von Rollenstereotypen, dass eine fordernde Frau weniger bekommt als ein fordernd auftretender Mann. Männer werden auch öfter gefragt, auf die wird aktiv zugegangen.

Und was kann man dagegen tun?

Wichtig ist, dass man über Geld mit den Kollegen spricht, um Ungerechtigkeiten überhaupt mitzubekommen. Leider ist das in Deutschland noch ein Tabu. Da kommt das Entgelttransparenzgesetz ins Spiel, das jetzt endlich Zähne bekommen hat: Frauen können Gehälter einsehen und klagen, wenn sie weniger verdienen als Männer in vergleichbarer Position. Seit neuestem müssen die Unternehmen nachweisen, dass es keine Diskriminierung war, früher war es anders rum. Das geht in die richtige Richtung. 

sst

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