Es gibt Nachschub für alle "Bridgerton"-Fans: "Überredung" ist der neue Film auf Netflix, der in der Regency-Ära spielt, also Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Kostüme sind etwas schlichter und statt pikanter Sexszenen gibt es "nur" einige zarte Küsse zu sehen. Netflix traut sich damit an den Jane-Austen-Klassiker "Persuasion" ran. Die Hauptfigur Anne Elliot wird von "Fifty Shades of Grey"-Darstellerin Dakota Johnson gespielt. Zu Beginn des Films ist Anne mit dem jungen Offizier Frederick Wentworth zusammen, doch sie darf ihn nicht heiraten, weil er nicht reich genug ist. Ja, das war damals durchaus üblich. Sie trennen sich also. Er fährt zur See, wird zum Kapitän ernannt – und erlangt so Vermögen. Die Familie von Anne verarmt währenddessen aufgrund des verschwenderischen Lebensstils des Vaters immer mehr.
Jahre später – und da geht der Film erst richtig los– kehrt Frederick zurück und ist auf der Suche nach einer Frau. Seine Wahl fällt nicht auf Anne, da er immer noch von ihrer Zurückweisung gekränkt ist. Stattdessen bandelt er nun mit Damen aus ihrem Umfeld an. Die nächsten anderthalb Stunden drehen sich darum, wie Anne und Frederick doch noch zusammen finden. Anne ist – wie für Frauenfiguren von Jane Austen typisch – progressiv eingestellt und ihrer Zeit voraus. Was teilweise auch erfrischend ist.
Aber: Es ist auch ein Problem. Die Macher sind ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, als sie versucht haben, die Dialoge zeitgemäßer zu machen. So hört man aus Annes Mund Sachen wie: "Er ist eine 10", wenn sie über einen gut aussehenden Mann spricht. Im Setting der Regency-Ära wirkt das einfach fehl am Platz. Lächerlich statt modern. Auch wenn sie sagt: "Wir sind etwas Schlimmeres als Fremde: Wir sind Ex-Partner", wirkt das auch eher wie eine abgekupferte Internet-"Weisheit" anstelle eines realistischen Austen-Dialogs.
"Überredung" auf Netflix: Autorin Jane Austen wäre von der Umsetzung ihres Werks enttäuscht
Bei der direkten Ansprache des Publikums erinnert es an die Erfolgsserie "Fleabag", wenn Anne die sogenannte "vierte Wand" durchbricht und von ihrem Leben erzählt. Dass es dabei vor allem um Liebeskummer und Rotwein geht, dürfte Jane Austen ziemlich enttäuschen. Würde die Autorin diesen Film sehen, würde sie die Vielschichtigkeit ihrer Figur vermissen, ihren subtilen Humor und die dezente Gesellschaftskritik der damaligen Verhältnisse. Stattdessen macht Netflix daraus eine platte Liebesgeschichte.
Wer also eine Romanverfilmung erwartet, die zum Klassiker avancieren wird, wird enttäuscht werden. Dafür ist allein schon die Sprache zu sehr an die aktuelle Zeit angepasst. Wer einen nicht allzu aufregenden Liebesfilm sehen möchte, bei dem man sich sicher sein kann, dass die beiden sich am Ende schon kriegen (und das tun sie hier natürlich), kann sich den Film aber ansehen.