Sehen Sie im Video: Burkhard Meißner ordnet die Bedeutung der beschädigten Krim-Brücke ein.Interview mit Prof. Burkhard Meißner, Vorstand des German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), einem Bundeswehr-Thinktank. Der Historiker und Oberst der Reserve gilt als einer der renommiertesten Militärexperten und sagt:
- Anschlag auf Krim-Brücke wird russischen Nachschub und Operationen erschweren
- Tiefgestaffelte Befestigungen der Russen sind größtes Problem für die Offensive der Ukraine
- Großes Problem ist der Mangel von Kampfjets und va. Kampfhubschraubern um die Bodentruppen zu unterstützen
- Weitere Staudamm-Sprengungen nicht ausgeschlossen
- Akzentverschiebung in der russischen Propaganda zum Krieg gegen des Westen statt Operation gegen die Ukraine
Meißner zusammengefasst:
Die Krim ist im Norden durch Marschland vom Festland getrennt. Das Gebiet sei schwer befahrbar. Es gibt zwei Hauptverkehrsadern, eine nach Nord-Ost, eine nach Nord-West. Auf der Linien nach Nord-Ost ist eine Brücke zerstört oder schwer beschädigt worden. Die Brücke werde für Nachschub und für die Versorgung von Verletzten genutzt. Die Ukrainer würden sich dadurch erhoffen, dass der Nachschubverkehr jetzt abnimmt und damit die Operationen der Russen erschwert werden. Die Russen werden natürlich schnell versuchen die Brücke zu reparieren. "Das wird bei so einer Stahlmetallkonstruktion, wie sie da offenbar vorliegt, auch möglich sein, aber ist nicht ganz trivial." Zu erwarten sind als Reaktion aber auch weitere Angriffe auf die Infrastruktur der Ukrainer. Auch vorherige Operationen wie z.B. die bei Cherson haben Monate gedauert. Auch bei der jetzigen Gegenoffensive werden größere Erfolge es dauern, weil die Russen tief gestaffelte Verteidigungsanlagen mit Panzer-Sperren wie Drachenzähnen, Panzergräben, befestigten Stellungen, Artilleriestellungen und Minensperren angelegt haben. Aus russischer Sicht spart man so Personal. Wenn man die Stellungen angreift, ist die Gefahr für die Ukrainer, große Schäden zu erleiden. Er bewertet es als sehr klug, dass die Ukrainer da nicht versuchen mit Übermacht anzugreifen. Im Westen sei der Krieg Teil der Unterhaltungskultur: "Je mehr pro Zeiteinheit passiert, desto interessanter ist er. In Wirklichkeit passiert in so einem Krieg aber ganz lange scheinbar gar nicht viel, jedenfalls nichts berichtenswertes." Dennoch sei das nicht unerheblich, so wie bei der Krim-Brücke heute. Die Ukrainer seien in letzter Zeit recht erfolgreich im Angriff von Munitionslagern und Verkehrsknotenpunkten. Gleichzeitig werde aber auch ihre Energie-Infrastruktur attackiert.
Verteidigung der Russen Problem für die Ukraine
Die größte Herausforderung für die Ukraine sind gerade die tiefen Verteidigungsanlagen der Russen, die nicht einfach zu überwinden sind. Im Westen hat man dafür in der Regel unterschiedliche Waffen. Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber spielen dabei eine große Rolle. Die stehen der Ukrainer aber nur sehr begrenzt zur Verfügung. "Hier rächt sich ein bisschen, dass der Westen sehr zurückhaltend ist dabei die Luftfahrzeuge zu liefern." Vor allem seien Hubschrauber sehr wichtig. Sie haben ältere Mil Mi-8- Hubschrauber, die den Erdkampf unterstützen. Die russischen Hubschrauber seien aber moderner. Die Ukraine bräuchte Luftunterstützung. Sie kompensieren es gerade nur durch Drohnen, Raketen und Artillerie.
Er rechnet erst einmal damit, dass der Krieg in den nächsten Wochen so weitergeht wie gerade. Trotzdem werde die Ukraine an irgendeiner Stelle der Verteidigungslinie durchstoßen. Aber auch überraschende Ereignisse wie der Bruch des Kachowka-Staudamm sind denkbar und könnten die Dynamik des Krieges verändern. Es gibt weitere Staudämme, die angegriffen werden könnten. Genauso gibt es die Drohungen mit Atomwaffen. Auch das würde überraschen, aber damit kann man nicht rechnen.
Nele Balgo spricht mit Prof. Burkhard Meißner, Vorstand des German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), einem Bundeswehr-Thinktank an der Bundeswehr-Uni Hamburg.