Berlinale-Tagebuch Promis im Schnee

Startschuss für die Berlinale: Die nächsten zehn Tage wird sich in der deutschen Hauptstadt alles um das Thema Film drehen. Pünktlich zur Eröffnung zeigte sich das Wetter mal wieder von seiner besten Seite.

Stellen wir uns mal kurz vor, wir wären ein Tourist aus dem Hessischen. Der komplett ahnungsfrei mitten in einer grauen Februarwoche über den Potsdamer Platz tappst. Und sich mal kurz zum Aufwärmen in die Lobby des Hyatt-Hotels wagt.

Kulturschock! Hektische Hundertschaften, globales Geschnatter. Fotografen, Kamerateams, Interviewer. Die geballte Kulturschreiber-Kompetenz vom bulgarischen Internet-Magazin über die Londoner Nachrichtenagentur bis zur seichten Glamour-Postille flutet Flure, Sessel und Treppen. Und fast alle wollen den ganzen Tag über eigentlich nur eines: Ins Kino. Und das am besten mehrmals. Und dann drüber reden, am besten übers Handy. Mann, oh, Mann, wo ist man hier bloß reingeraten...

Wir dagegen sind natürlich Profis. Dem Filmkunstmonster Berlinale stellen wir uns bereits seit mehreren Jahren. Und auch wenn immer neue Nebenreihen und Schwerpunkte, Spezialpreise und Sonderprogramme wuchern: An seinem 57. Geburtstag ist das Festivalbiest dennoch sehr schön anzusehen. Und zu bändigen.

Sehnsucht nach Spiderman

So gibt es jedes Jahr zum Berlinale-Start einige unausrottbare Konstanten, die das Leben leichter machen: Der erste Blick auf das Programm erschlägt. Auch Eingeweihte. Die Macher um Obermacher Dieter Kosslick haben sich heuer 4921 Filme angesehen und daraus 373 lange und 74 kurze ausgewählt, darunter 59 deutsche. Der Rest kommt aus 51 Produktionsländern von A wie Argentinien bis V wie Volksrepublik China. Doch wer nun glaubt, das Kino würde hier neu erfunden, bei so viel Auswahl müssen sich doch irgendwo unglaubliche, unbekannte Meisterwerke finden lassen: Spätestens nach drei, vier Tagen geballtem Schauen späht man heimlich wieder hinüber zum stinknormalen Kinoprogramm. Wann läuft noch gleich "Spiderman 3" an?

Oder vergessen Sie zum Beispiel den Klimawechsel und den wärmsten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor siebzehntausend Jahren: Zur Berlinale-Eröffnung wird nie wie in Cannes oder Venedig eine wärmende Sonne auf den roten Teppich scheinen. Nein, es schneit und matscht seit Generationen. Trotzdem tragen die Damen dünnste Kleider und zeigen Mut zur, nun, Brustwarze.

Oder das berüchtigte Genre des Festivaleröffnungsfilms. Der eigentlich von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Denn der Spagat aus Star-Power, Anspruch und Massen-Appeal gelingt selbst Oscar-Gewinnern nur selten.

So gesehen hielt sich "La vie en rose" wacklig, aber wacker. Die abwechslungsreiche Lebensgeschichte der legendären französischen Chanteuse Edith Piaf hat man solide in Szene gesetzt, auch wenn Regisseur Olivier Dahan ("Die purpurnen Flüsse 2") oft zu richtungslos zwischen harter Jugend in Bordell und Zirkus, ersten Erfolgssträhnen und Totenbett hin und her hüpft. Und vor lauter Hüpfen das Faszinosum Piaf aus den Augen verliert.

Schauspielerisch preiswürdig, inszenatorisch fragwürdig

Angedickt mit vielen Klassikern wie "Je ne regrette rien" oder dem Titellied reizt das Filmporträt vor allem wegen seiner Hauptdarstellerin. Die 31-jährige Pariserin Marion Cotillard, die man kürzlich an der Seite von Russell Crowe in "Ein gutes Jahr" bewundern konnte, schlüpft in die Piaf-Rolle wie in eine zweite Haut. Die weit aufgerissenen Augen, die linkischen Bewegungen, die derben verbalen Ausbrüche: Perfekt bis in die Nuancen. Auf der Pressekonferenz gesteht Cotillard dann auch, dass sie nach vier Monaten im Piaf-typischen Watschelgang, ernste Probleme hatte, wieder gerade zu gehen. Fazit: Schauspielerisch preiswürdig, inszenatorisch fragwürdig. Schön, dass es gleich am Anfang wieder was zu Meckern gibt.

Nach dem Film wurde im Berlinale-Palast noch ausgiebig gebechert. Wer sich nicht in Acht nahm, sah sich plötzlich neben einem Star stehen - unter anderem ließen sich Willem Dafoe, Mario Adorf, Bürgermeister Klaus Wowereit, Katja Flint, Detlev Buck, Iris Berben und Jeff Goldblum blicken. Und wer einmal in eine Horde Fotografen geraten ist, die hyänengleich ihre Opfer in eine Ecke drängt und mit Dauerblitzen zur Strecke bringen, versteht besser, weshalb mancher Prominente so öffentlichkeitsscheu sind. Mann, wo ist man hier nur reingeraten...

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