Das Filmland Indien schickt seine ambitioniertesten Produktionen nicht länger nur in den Westen, sondern nutzt diesen längst auch als Kulisse. Zwar ist es nicht Los Angeles und Hollywood, das sich die Macher des Melodrams "Mein Name ist Khan" ausgewählt haben, um das neue Selbstbewusstsein von Bollywood zu demonstrieren. Doch der Schauplatz des am 9. Juni in die Kinos kommenden Films von Erfolgsregisseur Karan Johar spielt im nahen San Francisco und erzählt die tragisch-herzbewegende Geschichte vom scheuen Khan und der wunderschönen Mandira.
Khan ist Muslim und seit der Kindheit geplagt von einer autistischen Behinderung, die dem gut aussehenden Mann deutliche Schwierigkeiten in der Kommunikation zur Außenwelt und zu anderen Menschen bereitet. In die USA ist Khan gekommen, um am geschäftlichen Erfolg seines smarten Bruders teilzuhaben. Denn nach dem Tod der geliebten, ihn immer beschützenden Mutter hat der Inder keine Zukunft mehr in der Heimat. Mandira verdient als alleinerziehende Mutter hinduistischer Herkunft in einem Friseursalon der kalifornischen Stadt am Pazifik das Geld, das sie für ihren kleinen Sohn und sich selbst braucht.
Es dauert lange in dem 126-minütigen Film, bis sich das ungleiche indische Paar liebend zusammenfindet. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer. Denn die Folgen des Terroranschlags vom 11. September 2001 bringen große Verwerfungen in die kleine Familie und reißen Khan und Mandira auseinander. Der Moslem beginnt danach eine Reise durch seine Wahlheimat, in der er immer wieder eine Botschaft verbreitet: "Mein Name ist Khan, und ich bin kein Terrorist." Er begegnet dabei viel Spott, Unverständnis und auch Ablehnung. Aber der Inder berührt auch Menschen mit seiner naiven, verzweifelten Aufrichtigkeit.
Es ist eine ganz besondere Sichtweise auf die dramatischen Ereignisse im Jahr 2001 sowie die USA davor und danach in dieser indischen Produktion. Das macht den Film auch dann interessant, wenn die kalkuliert gefühlige, manchmal auch schlicht kitschige Machart für den Betrachter nicht immer leicht verdaulich ist. Aber "Mein Name ist Khan" ist ja auch vorrangig für das Publikum auf dem Subkontinent gemacht, und das hat andere Erwartungen auf das Leinwandgeschehen. Deshalb dürfte den indischen Kinobesuchern das affektiert-überdrehte Autistengehabe ihres Superstars Shah Rukh Khan, der die männliche Hauptrolle spielt, auch weit besser gefallen als westlichen Kinozuschauern.
Reizend anzusehen als Mandira ist Kajol Devgan, auch sie ein großes Filmidol in ihrer Heimat. Aber als Friseurin und hart arbeitende alleinerziehende Mutter kann man sich die indische Schönheit nicht so recht vorstellen. Unglaubwürdig sind auch einige Wendungen in der Handlung: So bleibt rätselhaft, warum sich die attraktive, begehrte Mandira ausgerechnet in einen Mann verliebt, der immer etwas neben der Spur ist. Regisseur Karan Johar wollte aber auf keinen Fall den Film ohne die beiden Stars drehen: "Es hätte mir das Herz gebrochen, wenn ich meine Geschichte ohne die besten Schauspieler des indischen Kinos der letzten 30 Jahre hätte erzählen müssen."
Hauptdarsteller Shah Rukh Khan, in seinem Kulturkreis ein von vielen Millionen angehimmeltes Idol, gibt solche Komplimente gerne an Johar zurück: "Er ist der wahre Held dieses Films, denn er verstand es bei aller Komplexität, den Überblick zu behalten - vom Asperger Syndrom bis zum Konflikt zwischen westlicher und islamischer Kultur." An Themen und Motiven fehlt es gewiss nicht in dem Melodrama, nur wirkt dieses eben deshalb überladen und oft allzu vordergründig. Offenbar sollen mit "Mein Name ist Khan" gleich mehrere Kinomärkte bedient werden. Ob das westliche Publikum sich von einem autistischen Muslim, der kein Terrorist sein will, und einer schönen Hindu-Friseurin, die ihm ihr Herz schenkt, locken lässt, muss sich allerdings erweisen.