Rein rechnerisch hat Hollywood-Veteran Martin Scorsese die erste Runde im Oscar-Wettkampf gewonnen. Sein aufwendiges 3D-Fantasy-Märchen "Hugo Cabret" um einen Waisenjungen im Paris der 1930er Jahre hat sich mit elf Nominierungen an die Spitze der diesjährigen Oscar-Favoriten geboxt. Er könnte dem Oscar- Preisträger eine weitere Regie-Trophäe und den Goldjungen als "Bester Film" einbringen, doch die meisten Nominierungen entfielen auf Nebenkategorien.
Scorseses "Hugo" ist auch eine Hommage an die Anfänge des Films um den französischen Trickfilmpionier Georges Méliès. Aus dessen Heimat kommen die eigentlichen Stars der diesjährigen Oscar-Saison: Das Team um den französischen Regisseur Michel Hazanavicius lässt mit dem Stummfilm "The Artist" schon seit Wochen Hollywoods große Stars verstummen. Die kleine Schwarzweiß-Produktion hat mit zehn Nominierungen für den begehrtesten Filmpreis der Welt Großes geleistet. Mit seiner Liebeserklärung an die Silent Movies von Hollywoods verflossener Stummfilm-Ära hat Hazanavicius schon drei Golden Globes und zahlreiche andere Trophäen gewonnen.
Mon dieu!, vor wenigen Monaten hatte von Hazanavicius in Hollywood noch niemand gehört, nun quälen sich alle damit herum, seinen Namen richtig auszusprechen. Bei den Oscars könnte er die wichtigsten Preise abräumen, darunter für den besten Film, als Regisseur und Drehbuchautor, für Jean Dujardin als bester Hauptdarsteller und Bérénice Bejo als beste Nebendarstellerin. Der Nebenrollen-Oscar bliebe gleich in der Familie, denn der Regisseur und sein schöner Star sind ein Paar.
Auch Allen und Clooney nominiert
Doch bei den Oscars ist auch auf Altbewährtes Verlass. Als "Die eiserne Lady" überzeugte Meryl Streep, 62, in der Rolle der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher die knapp 6000 Academy-Juroren. Rekordhalterin Streep holte sich damit ihre 17. Oscar-Nominierung. Gewonnen hat sie erst zwei Mal, und das liegt Jahre zurück (1979 "Kramer vs. Kramer", 1982 "Sophie's Choice").
Auch Hollywood-Darling George Clooney brachte es als gestresster Vater und betrogener Ehemann in dem humorigen Drama "The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten" zu einer weiteren Nominierung: Seine vierte als Schauspieler, seine sechste insgesamt, einen Nebenrollen-Oscar für "Syriana" hat er schon im Regal.
Die Filmakademie muss es Woody Allen längst verziehen haben, dass er seine Oscars nie selbst abholt. Der Hollywood-scheue New Yorker hat für seine Pariser Romanze "Midnight in Paris" vier Nominierungen erhalten, darunter seine 15. als Drehbuchschreiber.
Leider keine Oscars für Vierbeiner
Doch bei der Verkündung der Oscar-Nominierungen im Morgengrauen in Hollywood gab es auch Überraschungsschreie. Das Terror-Drama "Extremely Loud & Incredibly Close" schaffte es unerwartet auf die Liste der neun Kandidaten für den "Besten Film". Der Film von Regisseur Stephen Daldry ("Der Vorleser") mit den Oscar-Preisträgern Tom Hanks und Sandra Bullock war bei den Kritikern recht zwiespältig angekommen und bei den Golden Globes völlig untergangen. Es ist die Story eines New Yorker Jungen, der seinen Vater bei den Terroranschlägen vom 11. September verlor.
Die Oscar-Juroren würdigten auch Terrence Malicks philosophisches Drama "The Tree of Life", das bei den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme gewonnen hatte. Der komplizierte Film mit Brad Pitt als unnachgiebiger Vater könnte den Oscar für Regie, besten Film und Kamera gewinnen.
Auch Uggie dürfte bei der Oscar-Gala am 26. Februar für Spannung sorgen. Der kleine Star trippelte schon bei den Golden Globes über den roten Teppich und auf die Bühne. Der Jack Russell Terrier, der auf Kommando "tot" spielen kann, ist durch seine Filmtricks in "The Artist" längst zu Hollywoods Top-Dog geworden. Gäbe es einen Oscar für den "Besten Vierbeiner", so wäre Uggie bestimmt nominiert worden.