Es hätte so eine glitzernde, wilde Superparty werden können: George W. Bush ist weg und damit auch Michael Moore, der Drehbuchautoren-Streik ist vorbei, und mit Hugh Jackman wird der "Sexiest Man Alive" durch den Abend führen. Und dann das: Die Weltwirtschaft macht schlapp. Wie soll man denn bitte zwanglos die größte Glamour-Veranstaltung des Jahres feiern, wenn die Menschen draußen vor dem Fernseher bangen, ob sie sich die Kinokarte nächste Woche überhaupt noch leisten können? Am Sonntag werden nicht nur zum 81. Mal die Oscars verliehen, die Showbranche muss auch ihr Gesicht wahren. Und das ist in diesem Jahr schwieriger denn je.
Schon ein Klick auf die Oscar-Website offenbart Schizophrenie. Da läuft eine Werbung, die vor einem Jahr noch wie ein Witz geklungen hätte: Wenn jemand einen Hyundai Assurance erwerben sollte, verspricht eine warmwohlige Männerstimme, dann würde der Autokonzern sogar die Rückversicherung bereit stellen: "Wenn Sie im kommenden Jahr Ihren Job verlieren, geben Sie uns das Auto einfach zurück." Es ist nicht vorbei, bis es vorbei ist, soll das wohl heißen.
So hat sich das Showbiz in diesem Jahr zu einer "Aber"-Veranstaltung entschlossen: Hollywood wisse um die Krise, aber die Brillanten werden trotzdem blitzen, stellt Juwelier Neil Lane fest, der seit Jahren die Stars behängt: "Wenn der 'Look' ein großer, teurer Diamant ist, dann wird er auch getragen. Das wird die Wirtschaft nicht verhindern", sagte er der Nachrichtenagentur AP. "Ich habe großes Mitgefühl angesichts der Krise. Aber das ist Hollywood."
"Pures Hollywood" mit weniger Glitzer
Die Partys gehen ebenfalls weiter, wenn auch in kleinerem Umfang: "Wir werden Hollywoods großen Abend feiern", sagt Graydon Carter, berüchtigter Chef des Hochglanzmagazins "Vanity Fair", das die berühmteste aller Oscar-Partys ausrichtet. Aber die Gästeliste werde deutlich kürzer ausfallen. "Wegen der Wirtschaftslage und für die Umwelt" werde außerdem das Dekor vom vergangenen Jahr verwendet. Und während sich die Redaktion der gerade eingestellten deutschen "Vanity Fair" neue Jobs suchen muss, sinnieren internationale Schmuck- und Modedesigner über den diesjährigen Oscar-Style: "Pures Hollywood" soll es sein, wenn auch weniger glitzernd.
Wenn es um die Oscars geht, beweist Hollywood Durchhaltevermögen. Noch nie ist die Verleihung der berühmtesten aller Filmpreise ausgefallen, seitdem sie am 16. Mai 1929 das erste Mal bei einem Abendessen mit weniger als 250 Leuten in Los Angeles überreicht wurden. Als Reaktion auf eine Krise geboren, haben den Goldjungen weder der Zweite Weltkrieg, noch die Kriege in Korea oder in Vietnam und auch nicht die Golfkrise aufhalten können. Mitte der 20er Jahre sahen die Filmschaffenden das Kino durch das Radio bedroht, weil immer mehr Menschen Hörspiele verfolgten anstatt Geld für Eintrittskarten zur großen Leinwand auszugeben. 1927 wurde die Academy of Motion Picture Arts and Sciences gegründet, ein Ritter als Trophäe auserkoren, der seinen Namen angeblich dem spontanen Ausruf der hauseigenen Bibliothekarin verdankt: "Der sieht ja aus wie mein Onkel Oscar!".
Nur drei Mal wurden die Oscars verschoben: 1938 um eine Woche, nachdem Los Angeles von einer großen Flut heimgesucht worden war. 1968 um zwei Tage, nach der Ermordung Martin Luther Kings. Und 1981 um 24 Stunden wegen des Attentats auf US-Präsident Ronald Reagan. Der soll sich die Gala dann übrigens vom Krankenbett aus im Fernsehen angeschaut haben. Die Sendung sehen sich alljährlich angeblich rund 800 Millionen Menschen weltweit an.
Goldiges Wertsteigerungsinstrument
Solche Aufmerksamkeit bedeutet Geld. Viel Geld, und um nichts anderes geht es bei den Oscars. Die 35 Zentimeter hohe und knapp vier Kilo schwere goldig-nackte Statue mit Schwert ist eine Geldmaschine, ein Wertsteigerungsinstrument, eine internationale PR-Nummer: fürs Fernsehen, das die Gala überträgt - 30 Sekunden Werbung während der Oscars kosten bis zu 1,4 Millionen Dollar. Für die Filme, die Darsteller, die Regisseure, die ausgezeichnet werden. Und für die Filmstudios, die Produzenten, die im Hintergrund die Strippen ziehen. Allein die Stadt Los Angeles verdient an der Preisverleihung Jahr für Jahr rund 130 Millionen Dollar - vom Hotelzimmer bis zur Ansichtskarte. Für einen Schauspieler kann die Trophäe eine Gagensteigerung von 250.000 auf fünf Millionen Dollar bedeuten. Ein Oscar kann die Einspielergebnisse eines Films vervielfachen: Als "Million Dollar Baby" im Januar Anfang 2005 ins Kino kam, spielte Clint Eastwoods Boxer-Drama gerade mal acht Millionen Dollar ein. Nach sieben Nominierungen und vier gewonnenen Oscars waren es bald 56 Millionen Dollar.
Dagegen wirken die Kostenkürzungen bei den Oscar-Partys wie die berühmten Peanuts. Um größere Summen geht es da schon bei den Oscar-Kampagnen. Die Mittel zur Beeinflussung der 5810 stimmberechtigten Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences sind für die Filmstudios streng limitiert. Außer DVDs und Kinokarten dürfen die Juroren keine Geschenke annehmen. Also pumpten die Studios ihr Geld bisher gezielt in Werbeaktionen für ihre Filme. Geschätzte 50 Millionen Dollar wurden alljährlich für großformatige Anzeigen in den Branchenblättern "Variety" und "Hollywood Reporter" sowie in der "Los Angeles Times" ausgegeben. Dazu gehörten auch "Spezial-Veranstaltungen" anlässlich von DVD-Starts oder "zufällig" groß gefeierte Geburtstage von Stars. Die Studios verraten keine genauen Zahlen, aber die "Los Angeles Times" berichtet, dass die Oscar-Anzeigen in diesem Jahr bis um die Hälfte zurückgegangen seien.
"Rezession, nicht Apokalypse"
Weniger Werbung und weniger Partys heißen aber noch lange nicht weniger Glamour: "Würden Sie wirklich den Fernseher einschalten, um ein paar Frauen in schwarzen Hosenanzügen auf dem roten Teppich zu sehen?", zitiert die "Los Angeles Times" einen Kommentator der populären TV-Show "Good Morning America". "Es ist eine Rezession, keine Apokalypse." Und wie bemerkte der Stylist von Jennifer Lopez so schön anlässlich der kürzlich verliehenen Golden Globes: "Wegen der Wirtschaftslage wollte sie es mit den Edelsteinen im Haar nicht übertreiben". So laufen die Vorbereitungen der Starparade wie gewohnt auf Hochtouren. "Die Welt will einen Traum!", formulierte es Star-Juwelier Neil Lane. Aber auf der "Vanity Fair"-Party gibt es diesmal eben nur Hühnersuppe anstatt Foie Gras.