Die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen, singt der US-Musiker Gil Scott-Heron in seinem Song "Revolution will not be televised". Im Falle von Franziskus liegt der Rapper falsch.
Mitte Januar dieses Jahres hatte sich der Ostermontag verstorbene Papst wieder einmal sehr volksnah gezeigt. Er war zu Gast in der populären Talkshow "Che tempo che fa" (sinngemäß: "Wie das Wetter so spielt") – live zugeschaltet aus seiner doch eher bescheidenen Wohnung im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Ganze 45 Minuten lang beantwortete der Pontifex einen bunten Strauß an Fragen. Er mochte den Moderator einfach zu gerne. Franziskus sprach über seine Gesundheit und vertraute dem Sonntagabendpublikum an, dass sich sein Arm nach einem Sturz wieder ganz gut bewegen lasse. Bei dieser doch ziemlich unpäpstlichen Plauderei verkündete das Kirchenoberhaupt plötzlich ganz locker eine Revolution.
Franziskus gab bekannt, dass er die Leitung des gesamten Vatikans in die Hände einer Frau legen wolle. Die Ordensfrau und Ökonomieprofessorin Raffaella Petrini solle Gouverneurin des Kirchenstaates werden und als dessen erste Regierungschefin über etwa 450 Einwohner und 4000 Mitarbeiter regieren. Franziskanerschwester Petrini werde die Verantwortung für die gesamte Organisation und Verwaltung tragen.

Und so wurde Petrini zuständig für Sicherheit, Fuhrpark, Kaufhaus, Feuerwehr, Telekommunikation, Post, Buchhaltung, Bauwesen, Gesundheit, die prächtigen Vatikan-Museen und die Verwaltung der päpstlichen Gärten. Außerdem wurde sie zur Vorsteherin der Vatikanfinanzen, die in der Vergangenheit bei Spekulationsskandalen Millionen verloren hatten. Franziskus machte die freundliche, zierliche, aber ausgesprochen durchsetzungsstarke Franziskanerin zur mächtigsten Frau im Vatikan.
Wie das Wetter so spielt: ein Donnerschlag!
War Franziskus nun etwa Feminist? Vielleicht zu genau 49,9 Prozent. Mehr konnte er sich gar nicht leisten. Schließlich hatte der verstorbene Papst in seiner Amtszeit ein wahres Dilemma zu lösen. Denn einerseits kehren immer mehr Frauen der Kirche den Rücken zu. Heutzutage kann man einfach keiner Frau mehr erklären, warum sie jeden Sonntag in einen reinen Männerverein pilgern und sich dort von der Kanzel herab die Welt erklären lassen soll. Also wenden sich immer mehr Frauen von der Kirche ab.
Untergrundpriesterinnen kämpfen für die Gleichberechtigung
Um dem entgegenzuwirken, gibt es inzwischen überall auf der Welt katholische Reformbewegungen, die aus eigenen Stücken eben jene Veränderungen einleiten, die eine sexistische Hierarchie den Frauen verwehrt. So gibt es inzwischen sogar regelrechte Untergrundpriesterinnen. Diese ungeweihten Seelsorgerinnen verheiraten zum Beispiel heimlich Paare, obwohl die Rituale nach kanonischem Recht keinerlei Gültigkeit haben. Aber manchen jungen Menschen macht das nichts. Sie wollen lieber den Segen einer ungeweihten Frau als ein unzeitgemäßes Ritual.
Die Unzufriedenheit der Frauen auf der ganzen Welt mit der Kirche war also die eine Seite des päpstlichen Dilemmas. Die andere: Sollte der Papst den Frauen Ämter zugestehen, die eine Weihe zur Voraussetzung haben, würde die katholische Kirche unweigerlich zerbrechen. Es würde einen echten Kirchenkrieg und ein wahres Schisma geben, das war sicher. Denn schon Franziskus' Barmherzigkeit in der Frage, ob man geschiedene und wiederverheiratete Gläubige zur Messe zulassen soll, hatte zu einer nie dagewesenen Kirchenkrise geführt.
Als Franziskus sich bei diesem Thema barmherzig zeigte, starteten konservative Kardinäle wie Raymond Leo Burke, Joachim Meisner und Gerhard Ludwig Müller einen regelrechten Feldzug gegen ihn. Wenn schon in solch einer doch eher harmlosen Frage ein Bürgerkrieg losbrach, war kaum auszudenken, was erst passieren sollte, wenn Franziskus die Frauenpriesterschaft erlauben würde. Für solch eine Revolution war der Papst einfach nicht mächtig genug.
Zudem hatte sich einer seiner Vorgänger mehr als deutlich zu der Frage geäußert. Papst Johannes Paul II. hatte ausdrücklich in seinem Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" dekretiert, "dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben."
Einerseits also definitiv keinerlei Weiheämter für Frauen, andererseits immer mehr Frauen, die der Kirche den Rücken zuwandten: Wie sollte Franziskus mit diesem Dilemma umgehen? Wie sollte er eines der größten Probleme der katholischen Kirche lösen?
Da der Papst ein gewiefter Stratege war, fand er eine raffinierte diplomatische Lösung: Als Friedensangebot an die Konservativen verweigerte er den Frauen jegliche Weiheämter. Noch 2024 machte er alle aufkeimenden Hoffnungen zunichte, als er in einem Interview mit dem US-Sender CBS die Ordination von Frauen kategorisch ausschloss. Er sagte: "Wenn es um geweihte Diakone geht, dann nein."
Doch um all den enttäuschten Frauen entgegenzukommen, beschloss der Papst, immer mehr Frauen all jene Ämter der Kirche anzuvertrauen, für die es keine priesterliche Weihe benötigt. Schon in seinem Reformpapier "Praedicate Evangelium" schrieb Franziskus im Jahr 2022: "Jeder Christ ist Kraft der Taufe missionarischer Jünger. Die Reform muss also auch Laien, Männer wie Frauen, in leitende Rollen einbeziehen."
Und in der Talkshow "Che tempo che fa" vertraute der Papst dem freundlichen Moderator an: "Die Frauen wissen besser zu verwalten als wir." Doch Franziskus traute den Frauen nicht nur die Verwaltung zu. Sondern – und das ist seine wahre Neuerung – er platzierte sie auch in den religiösen und geistlichen Gremien der Kirche.
So hat er die zierliche, aber eiserne Ordensschwester Raffaella Petrini nicht nur zur Regierungschefin des Vatikans ernannt, sondern auch mit zwei weiteren Frauen in eben jenes Gremium berufen, das die katholischen Bischöfe ernennt: Zusammen mit der Französin Yvonne Reungoat und der argentinischen Soziologin María Lía Zervino beeinflusst Petrini somit, wer heutzutage Bischof wird. Und das weltweit.

Außerdem vertraute Franziskus der Ordensschwester Petrini auch noch den Vorsitz der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt an, die für die Haushalts- und Finanzpolitik des Vatikans verantwortlich zeichnet und die Gesetze erlässt. Diese Kommission war bislang ausschließlich mit Kardinälen besetzt. Um Petrini hier einzuführen, musste Franziskus die Verfassung des Vatikans ändern – auch dies ein Zeichen für den entschiedenen Reformwillen des Papstes.
Auch die Ernennung der italienischen Missionsschwester Simona Brambilla zur Präfektin des "Dikasteriums für das geweihte Leben und apostolische Gemeinschaften" zeigte, dass Franziskus Frauen nicht nur als emsige Verwalterinnen sah, sondern der Überzeugung war, dass sie in religiösen Dingen mitreden sollten. Brambilla ist die erste Frau an der Spitze eines Dikasteriums der römischen Kurie – vergleichbar mit einem Ministerium. Die neue Präfektin ist die direkte Vorgesetzte eines Kardinals – auch dies bislang undenkbar.

Mit den Beförderungen von Raffaella Petrini und Simona Brambilla in hohe Kirchenämter sind also Frauen endlich in den Schlüsselpositionen sowohl des weltlichen als auch des kirchlichen Vatikanflügels angekommen. Denn das, was man gemeinhin als "Vatikan" bezeichnet, ist eigentlich streng zweigeteilt: Einerseits gibt es die Kurie, die alle Glaubensfragen regelt; und andererseits gibt es den Verwaltungsapparat des kleinsten Staates der Welt. Petrini und Brambilla besetzen nun sowohl weltliche als auch religiöse Kernämter. Über ihnen gibt es nur noch den Papst. Und Gott.
Strategisch klug hat Franziskus die Kirche bis in ihre Tiefenstrukturen hinein emanzipiert. Der ausgewiesene Vatikankenner Marco Politi beschreibt in seinem Buch "Der Unvollendete", welches Beben solche Gleichberechtigungsreformen im Vatikan auslösen konnten: "Regelrechte Schockwellen aber hat Franziskus mit seiner Entscheidung ausgelöst, die französische Ordensfrau Nathalie Becquart zur Untersekretärin der Bischofssynode zu ernennen: die erste Frau in einem jahrhundertealten männlich-klerikalen Machtgefüge. Und die erste Frau mit Stimmrecht in einer Versammlung, die ihre Entscheidungsgewalt seit 1700 Jahren kein einziges Mal mit einer Angehörigen des weiblichen Geschlechts geteilt hat."
In diesem Geiste der Emanzipation besetzte Franziskus in seiner Amtszeit Dutzende von Führungspositionen mit Frauen: die britische Soziologin Margaret Archer beispielsweise wurde Präsidentin der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften, Paloma García Ovejero Vizedirektorin des vatikanischen Pressesaals, die Kunsthistorikerin Barbara Jatta wurde Chefin der Vatikanischen Museen und Alessandra Smerilli Vizechefin des vatikanischen Entwicklungsdikasteriums.
Ende 2023 sagte Franziskus in einem Interview, man müsse "die Kirche entmännlichen". Und allein statistisch gesehen ist seine Bilanz nicht so schlecht. Als er 2013 zum Papst gewählt wurde, lag der Anteil weiblicher Angestellter in der römischen Kurie bei 19,2 Prozent. Zehn Jahre später war er um 4,2 Prozent auf 23,4 Prozent angestiegen. Vor allem aber war Franziskus der erste Papst, der Frauen nicht mehr nur nachrangige Posten anvertraute, sondern wichtige Führungspositionen.
Mit der Ernennung von Raffaella Petrini zur mächtigsten Frau im Vatikan hat der Papst kurz vor seinem Tod noch einmal versucht, seine emanzipatorischen Reformen mit einer besonders symbolischen und machtvollen Geste zu festigen. Doch der Einfluss der Frauen im Vatikan bleibt fragil. Seit dem Tode von Franziskus ruht das Amt von Raffaella Petrini, und Frauen wie Schwester Simona Brambilla mussten ihre Ämter niederlegen. Wie wird es nun mit den Frauen im Vatikan weitergehen?
Der neue Papst Leo XIV. gilt als Mann der Mitte. Es ist also zu vermuten, dass er die Frauenpolitik des Franziskus weiterführen wird. Auch Leo XIV. wird wohl immer mehr Frauen auf Führungspositionen berufen. Doch genau wie Franziskus wird er ihnen weiterhin die Priesterweihe verweigern. Seine Position zu dieser Frage wurde schon bei der Weltsynode 2023 deutlich. Damals warnte er vor einer "Klerikalisierung von Frauen". Das sei keine Lösung, sondern womöglich ein neuer Problemherd. Außerdem hätten Frauen bereits vielfältige zentrale Rollen in der Kirche.
Die Wahl von Kardinal Robert Francis Prevost zum Papst ist also eine gute Nachricht für die Schwestern Petrini und Brambilla. Voraussichtlich wird Papst Leo XIV. sie in ihren Ämtern belassen. Doch für die Untergrundpriesterinnen auf der ganzen Welt ist die Wahl des gemäßigten Pragmatikers eine sehr schlechte Nachricht. Die Hochzeiten, die sie in ihren Gemeinden zelebrieren, werden weiterhin ungültig bleiben.