Die Aufgabe klingt einfach: Drehe ein Video über deinen Tag. Egal wie, was und warum. Und wenn dir nichts einfällt, dann halte dich an folgende Fragen: Was macht dich glücklich? Wovor hast du Angst? Was bedeutet Deutschland für dich?
Aus all den eingesandten Schnipseln, so hofft der Filmregisseur Sönke Wortmann („Deutschland ein Sommermärchen“), werde in der Montage ein repräsentativer Querschnitt durch das Leben in der Republik entstehen, ein Film von allen für alle. Ganz ohne Drehbuch und prominente Darsteller. Titel: "Deutschland. Made by Germany". Produzent Daniel Ehrenberg nennt das ehrgeizige Vorhaben auf der Pressekonferenz in Berlin ein "nationales Projekt".
Deutschland bastelt sich seinen Kinofilm
Die einzige Vorgabe: Jedes Video muss am 20. Juni 2015 aufgenommen werden. Alles andere ist offen. Ob ein Beitrag eine Laufzeit von 24 Stunden hat oder nur eine Sekunde dauert - egal. Ob er per Smartphone, Tablet oder mit einer Kamera gefilmt wird - spielt alles keine Rolle. Jeder darf das Medium wählen, das ihm am besten liegt. Hauptsache, alles ist drei Wochen später bei Sönke Wortmann angekommen - online, über Facebook, wenn’s sein muss sogar auf dem analogen Postweg.
"User-generated project" nennt man sowas. Auf Deutsch: Die Kinozuschauer basteln sich ihren eigenen Film - und wollen ihn hinterher, ist ja klar, auch sehen. Publikum also garantiert, denn Mama und Oma sollen das ja auch gucken.
Ein weltweites Projekt als Vorbild
Das kommt Ihnen bekannt vor? Ja, das Youtube-Project „Life in a Day“ von 2011 stand tatsächlich Pate. Allerdings will Wortmann dessen Input toppen. Er rechne mit mindestens 100.000 Einsendungen privater Videos, so der Regisseur. Bei "Life in a Day" waren es "nur" 80.000. Auswertung und Schnitt der 4.500 Stunden Filmmaterial haben damals fünf Monate gedauert.
Wortmann hat 16 sogenannte "Logger" die für ihn vorsortieren und das Beste raussuchen sollen, mehr als zwei Monate sollte das nicht dauern, sagt er. Danach geht’s an Schneiden, bis aus Tausenden von kleinen Videos ein großer Film geworden ist.
Überhaupt sei alles viel leichter geworden seit 2010, als Kevin Macdonald und Joe Walker ihren Film zusammenfügten. "Jeder kann sein Handy in die Hand nehmen - sogar ich", sagt Wortmann. Ob er auch selbst filmen wird am 20. Juni? Ja, aber nicht als Regisseur, sondern privat. Überhaupt soll es bei dem Projekt keine Vorzugsbehandlung von Prominenten geben, jeder hat die gleichen Chancen - ob Schüler oder Bundeskanzlerin.
Aber wer macht mit?
Schwer vorherzusehen ist allerdings: Was wird überhaupt eingeschickt? Was werden wir sehen? Ein Ehepaar beim Zähneputzen, Freunde beim Einkaufen oder eine Familie vor dem Fernseher? Ist das spannend genug für einen Kinofilm? Die Kritiken zu "Life in a Day" waren nicht gerade überschwänglich. Die "Süddeutsche Zeitung" bezeichnete den Film sogar als "Verherrlichung des Banalen".
Und wer wird überhaupt mitmachen? Wird von der Werbekampagne nicht vor allem die Gruppe der Social-Media-Generation angesprochen? Kann so wirklich ein Querschnitt durch die Gesellschaft des ganzen Landes entstehen oder wird der Film am Ende nur ein Abbild der internet-affinen, ich-bezogenen jungen Deutschen, die eh pausenlos Selfies produzieren?
Das Team von "Deutschland. Made by Germany" versucht gegenzusteuern. Es spricht Taucherteams oder auch Fallschirmspringer an, um ein paar spektakuläre Aufnahmen zu bekommen. Am 20. Juni wird es Events besuchen, um auch andere Altersgruppen und soziale Schichten für den Film zu gewinnen. Falls keine Handys oder Kameras zur Verfügung stehen, schlichtweg weil die Personen keine besitzen, werden die Geräte spendiert.
Ob das ehrgeizige Filmprojekt eine schöne Idee bleibt, hängt allein von den Einsendungen ab. Und am Ende hat Wortmann sogar noch eine prima Ausrede: "Wenn es schlecht wird - ich hab es nicht gedreht."