Vor wenigen Tagen ging ich mit meiner Tochter über den Hamburger Dom. Wenn man in Sichtweite dieses Rummelplatzes wohnt, kommt man nicht umhin, ihn auch zu besuchen. Die blinkenden Lichter, das illuminierte Riesenrad, vor Begeisterung juchzende Menschen, all das ist weithin zu sehen und zu hören.
Die Schreie, die ich innerlich ausstoße bei dem Gedanken, dort wieder hinzumüssen, die höre indes nur ich. Aber welches sechsjährige Mädchen liebt es nicht, inmitten von Autoscootern, Gruselkabinetten und gigantischen Teddybären in eine Art entrückten Rausch zu verfallen? Zumindest, so rede ich mir Mut zu, werde ich bei irgendeinem vierschrötigen Kettenraucher ein paar saure Gurken aus seinem räudigen Fass holen. Ob das rechtfertigt, binnen Minuten knapp 50 Euro in das Erspielen von Plastikschrott zu investieren, erscheint dennoch zweifelhaft. Schneller ist die gleiche Summe nur verbraten, wenn man Super tankt.
Mit schier übermenschlicher Kraft schleift mich die Kleine über den Platz. Irrgarten, Kamelrennen, Haifisch-Achterbahn für Kinder. Aber besser die statt der für Erwachsene, da bin ich immer kurz vor Panikdiarrhö. Nur die Kettenkarusselle, die sich emporschrauben auf 10 Meter "Flughöhe", sind noch schlimmer. No way!
Wobei es letztlich, muss ich gestehen, gar nicht die Fahrgeschäfte sind, die ich am allermeisten fürchte. Sondern vielmehr die Tatsache, dass die Leute, die sie zusammengeschraubt haben, dies unter Rest-alkoholeinfluss getan haben.
Das Kind begeistert, Papi ein Held
Meine Tochter war jedenfalls schon vor ein paar Tagen mit ihrer Mama hier, aber ohne jeden Erfolg beim Dosenwerfen, Entenangeln, Greifarmautomaten. Jetzt soll es der Alte richten. Gekonnt steuere ich den Joystick auf eines dieser "Glubschi"-Tiere zu. Greifarm justiert, Kralle ausgefahren, um den Katzenkopf gelegt: Zugriff! Das Stofftier fährt im Zangengriff nach oben, zittert noch leicht (jetzt nicht runterfallen!), wird über der Entnahmeschale losgelassen: geschafft! Das Kind begeistert, Papi ein Held. Ich gebe zu, dass mich dieser doch recht banale Akt völlig unangemessen erhebt. Wenn man sonst als Vater in all dem Alltagsirrsinn nicht so richtig was geschissen bekommt, ist der Sieg gegen eine tumbe Maschine eine angenehme Ausnahme. Mit der Glubschi-Katze im Arm und einer Tüte Schmalzgebäck geht es weiter zur Schießbude. Ich will jetzt auch noch dieses Alpaka!
Dafür muss ich bloß einen Papierring vom kleinen Kupferrohr runterschießen. Erstes Entsetzen: keine patente Munition, mit Korken lädt das Gewehr. Sei's drum. Ich orientiere mich links neben der Säule zum Zielobjekt, anstatt mittig am Tresen zu stehen, was den Schießstandinhaber sichtlich nervös macht. Ich lade, schieße – daneben. Schuss No. 2: nix passiert. Die Ladebewegung hatte ich gemacht, allerdings vergessen, den Korken in den Lauf zu stecken. Hole ich nun nach, um den zweiten Schuss abzugeben. Wieder daneben. Korken rein, laden, Schuss drei: daneben. Der Budenmeister mutmaßt nun aber, das sei schon Schuss No. 4 gewesen, ich mithin zugange, mir Gratisschüsse zu ergaunern. Er blafft, was ich da treibe. Ich lege ihm sein Gewehr hin und empfehle, sich die Korken dahin zu stecken, wo …
Ja, Sie ahnen es. Father of the Year. Ein unrühmliches Ende. Wir verlassen den Rummel, die plüschige Trophäe im Schlepptau. Mit Tieren aus dem Greifarm ist es wie mit meiner Contenance: bisweilen schwer zu halten. Die nächsten Monate lassen wir den Dom erst mal in Kölle.
Micky Beisenherz freut sich, von Ihnen zu hören. Schicken Sie ihm eine E-Mail an:
beisenherz@stern.de