Angela Merkel wusste unlängst wieder einmal zu erregen. Das tut sie für gewöhnlich jetzt nicht im pilcherschen Sinne, noch hat sie gerade das Supertalent gewonnen, in dem sie mit den Achseln die Marseillaise flatuliert hat. Wenn die Kanzlerin herausragt, dann, indem sie neue Highlights der Gewöhnlichkeit setzt.
So war ihr Urlaubsoutfit, mit dem sie bereits seit dem Pleistozän nach Südtirol zu reisen pflegt, dermaßen überraschungsarm, dass sich selbst Menschen wie Jakob Augstein genötigt sahen, mittels lustiger Bildercollage zu belegen, dass sich bei Merkel seit fünf Jahren modisch nix getan hat.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Fairerweise muss man sagen, sollte man das aus irgendeinem Grunde vorhaben, man könnte schnell beweisen, dass der Prada-Sozialist Augstein seinerseits schon mit weißem Hemd, blauem Anzug und Elfenbeinturm-Mine zur Welt gekommen ist.
Zurück zur Regierungschefin: Da greift das alte Mantra "Im Sommer nur Wiederholungen". Die hansaplastfarbene Dreiviertel-Cargohose und das schorfrot-karierte Kurzarm-Trekkinghemd, nebst dem immergleichen Accessoire, einem stillgelegten Physikprofessor.
Dass Angela Merkel einen Look umhergondelt, den sogar schon der damals noch lebendige Ötzi etwas mutlos fand, ist natürlich ein großes Plus. Wenn "Gala" oder "Bild" Fotos veröffentlichen, die aussehen wie der Leitartikel im TCM-Katalog, dann berührt das zutiefst die deutsche Seele: "Guck mal, der Urlaub der Merkel ist genauso scheiße wie unserer. Klasse!" Der Durchschnittsdeutsche liefert sich ja ein spannendes Aussitzen mit sich selbst, teils über Jahrzehnte hinweg. Was wird wohl zuerst gewechselt: Der Urlaubsort - oder die speckige Erima-Badebuchse, in der er zwischen Blässhühnern und alten Damenbinden durch den Schilf zu waten gedenkt.
"24 Jahre Texel." Es klingt schon wie Höchststrafe.
Helmut Kohl musste noch einen draufsetzen
In einem Volk, in dem niemand herausragen darf, fängt der Mittelmäßigste die Herzen. Das hat ein Gerhard Schröder natürlich nie begriffen. Der, kaum dass er Kanzler war, regelmäßig in die Toscana flog, wild umherpulsierte, sich mit Überfünfeuro-Weinen erwischen ließ und den Pullover so provokant über die Schulter legte, wie es sich selbst ein Sigmar Solbach nie getraut hätte. Und der ist immerhin Arzt! Logisch, dass er 2005 wieder gehen musste. Arsch vivendi.
Da waren Helmut Kohls volksnahe Urlaube am Wolfgangsee den Menschen schon näher. Wenngleich die spektakulär inszeniert waren. So musste der Kanzler selbst stundenlang mühsam Text lernen - "der Dicke heißt also Walther, der andere Peter, aha, soso, interessant" - während Hannelore schon weit vor dem ersten Sonnenstrahl Schnittchen für die Fotografen, Requisiteure und Lothar Späth im Hirschkostüm schmieren musste. Das funktionierte lange gut. Bis Kohl mit der Einheit unbedingt noch einen draufsetzen musste.
Immer schon haben Politiker ihre Ferien genutzt, um den Bürger zu bezirzen. Man denke nur an Sarkozy beim romantischen Strandspaziergang mit Carla Bruni, was bei seiner Körpergröße allerdings unfreiwillig an eine Mutter-Kind-Kur erinnerte. Barack Obama wiederum wurde vornehmlich beim Eis essen gesehen oder lässig den Schläger schwingend beim Golfen. Solche Bilder gibt es natürlich auch haufenweise von dessen Nachfolger- keines davon allerdings stammt aus dem Urlaub.
"Brokeback Wladi" beim Angeln
Königsklasse sind die spontanen Schnappschüsse von Wladimir Putins Angel-Vacation, die von einer derart hohen Oberkörperbefreiung künden, dass man fast nicht glauben mag, dass der gesamte russische Raum frei von jedweder Homosexualität sein soll. Mehr Nacktheit gibt's nicht mal im Karpfenkalender. Fisch und Busen. Lechz.
Mein Kompliment gilt den fünf Tauchern, die es geschafft haben, pünktlich vorm Auslösen der Kamera "Brokeback Wladi" einen kapitalen Hecht unter Wasser an den Haken zu hängen.
Und was macht Martin Schulz eigentlich? Dem würde ich generell von Freizeit-Impressionen jedweder Art abraten, stand er zuletzt eh schon im Ruf, etwas zu lange abgetaucht zu sein. Sollte er planen, sich in irgendwo Badekleidung ablichten zu lassen, müsste er mindestens schon übers Wasser laufen.
Und selbst dann würden die Leute - in bester Berti-Vogts-Manier - behaupten, er sei zu blöd zum Schwimmen.