M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Volkssport Beinbruch: Über den Wahnsinn auf der Skipiste

  • von Micky Beisenherz
Micky Beisenherz
© Illustration: Dieter Braun/stern
Fahren Sie noch in den Skiurlaub? Sagen Sie hinterher aber nicht, unser Kolumnist hätte Sie nicht gewarnt.

Es ist nicht so, als wäre jemand wie ich nicht offen für echten Nervenkitzel: einen Achttausender besteigen. Haitauchen. Das Zimmer einer Siebenjährigen aufräumen.

Wahr ist auch, dass ich mich von ein paar Dingen so langsam verabschiede. Also, freiwillig. Damit meine ich nicht meine Haarfarbe oder eine gewisse Geschmeidigkeit in der Hüfte. Mit Letzterer aber hat es zu tun, dass ich wahrscheinlich nie mehr Skiurlaub machen werde. Habe ich ohnehin selten getan, aber nachdem gefühlt niemand mehr aus einem solchen zurückkehrt, ohne körperlich dazustehen, als hätte er mit einer Pistenraupe gerangelt, halte ich Abstand davon.

Ein Freund, der ins Büro humpelt wie der späte Quasimodo und der einen Tag später die Diagnose "Fraktur des Beckenrings" bekommt. Eine Freundin, die nach dem Brettern, das die Welt bedeutet, einen tonnenschweren Plastikfuß trägt, der jedes Playmobilmännchen beschämen würde.

Und natürlich der deutsche Nationaltorhüter, der hinterm Haus auf dem Hang in den Vorruhestand gewedelt ist.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Mir unverständlich, wie man sich am Ende eines langen Winters noch proaktiv woanders in den Schnee werfen kann. Eingedenk der Verletztenwelle kommt es mir vor wie die kollektive Arschbombe in den Häcksler. Volkssport Beinbruch. Frakturstandort Deutschland.

Was mich eh gestört hat, ist die Materialintensität eines solchen Urlaubes. Die entsetzlichen Skischuhe, der Helm, die fürchterliche Kleidung, die unerträglich wird, sobald einem nur ein wenig Schnee in den Nacken und dann runter in den Rücken rutscht.

Dazu die sperrigen Bretter, die man sich in einem muffigen Skikeller abholen muss, bevor man sich in einem elend früh abfahrenden Bus fremder Leuts Skistöcke ins Auge stechen lässt.

Da hängst du dann im Sessellift, gekleidet wie Robocop in Grönland, und hast schon vor dem ersten Kaffee ob der Höhe der Gondel die Tena Men voll. Da ist der Blick den Hang hinab nicht eingepreist.

Skiurlaub ist wie eine Art Höhenkarneval

Auf der Piste machst du von Panik förmlich gelähmt Zeitlupenschwünge wie ein Orang-Utan mit Osteoporose, bevor dich auf der Hangmitte von der Seite irgendein Werner umplästert, weil die zwölf Obstler auf der lustigen Hütte halt doch ein bisschen auf die Koordination einwirken.

Derweil lässt sich die eigene Frau auf dem Snowboardhang von Skilehrer Toni in juicy Tagträume hineincharmieren, weil der mit seinem sonnengegerbten Bergdoktorcharme noch jede Hafermilch-Amazone klein gehobelt hat.

Dabei hat mir das mal Spaß gemacht. In der neunten Klasse auf der Skifreizeit lernte ich die Grundzüge. Durch punktgenaues Sitzenbleiben haben mich meine Eltern in der neuerlichen Neunten noch mal mitfahren lassen, sodass ich meine Skills verfeinern konnten, nur um dann in der zehnten Klasse als Hilfsskilehrer mitfahren zu können.

Ich war schon auch ein kleines Genie. Ein faules heutzutage. Mit Aversion gegen Kälte, Gedränge und Hüttenmusik. Eigentlich ist es eine Art Höhenkarneval. Nur, dass du dich bei Andreas Gabalier plötzlich nach der intellektuellen Tiefe der Höhner sehnst.

Die Freundin mit dem gebrochenen Fuß übrigens durfte in der Klinik während der OP unter lokaler Betäubung auf einer Videobrille einen Film gucken. "Mission: Impossible" sollte es sein. Durch einen kleinen Software-Fehler wurde es: "Mister Bean". Damit ist alles über Wunsch und Wirklichkeit eines Skiurlaubes gesagt.

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