"Say You Will" Fleetwood Mac rocken noch einmal

Die Legende lebt: ein Vierteljahrhundert nach ihrem Klassiker "Rumours" präsentieren sich Fleetwood Mac putzmunter und ein gutes Stück gitarrenlastiger als auf früheren Platten.

Als energisch durch verschiedene Rock- und Popstile rumpelnde Zweckgemeinschaft präsentieren sich Fleetwood Mac auf ihrem aktuellen Album "Say You Will" (WEA). Es ist die legendäre "Rumours"-Besetzung ohne Keyboarderin Christine McVie. Das gibt vor allem Lindsey Buckinghams Gitarre mehr Raum, und auch Stevie Nicks stellt - endlich - mal wieder eindrucksvoll unter Beweis, dass sie mehr Rock- als Popsängerin ist. Dynamisch wie immer die Rhythmus-Abteilung der Namensgeber Mick Fleetwood (Schlagzeug) und John McVie (Bass).

Natürlich gibt es auch ein paar Kostproben jenes "Rumours"-Pops, der 1977 für die nächsten Jahrzehnte mit Liedern wie "Don't Stop" und "Go Your Own Way" den Mainstream von Rock und Pop definierte. Dafür stehen der Titelsong und "What's The World Coming To". Der Rest der 18 Songs - zehn von Nicks und acht von Buckingham - ist entweder rauer zwischen Blues und Rock angesiedelt oder mit zynischen Texten verstörende, in Pop verpackte Lebenserfahrung: "Until she herself/Became the deadliest poison/As she grew older/Ooh until she herself/Became just as fatal/As was her garden..."

Sarkastische und direkte Texte

Stevie Nicks hat für dieses Album mehrere Texte dieses Kalibers geschrieben: Sarkastisch und direkt wie das zitierte "Running Through The Garden", das fatalistische "Destiny Rules" ("Es ist nicht Zusammensein, es ist einfach nur das Einhalten von Regeln") das ironische "Smile At You" - der Titel ist ein verkürztes Zitat der Zeile "My first mistake was to smile at you". Alle 18 Lieder wurden von Buckingham arrangiert, dessen Gitarrenstil auf diesem Album die bisher größte Eigenwilligkeit erreicht.

"Eine großartige Platte"

Buckingham spricht von einem mysteriösen musikalischen Übereinstimmung zwischen Nicks und ihm. Die habe auch die private Trennung vor etlichen Jahren überstanden. "Wir drei Männer interagieren jetzt ganz anders", stellt er fest. Da habe sich eine neue Dynamik entwickelt. Nicks spöttelt: "Christines Abwesenheit hat uns mehr in das Gitarren-orientierte Genre gestoßen. Die drei mussten alles selbst machen, sie konnten wie Cream werden. Die gute Nachricht ist, dass wir eine großartige Platte gemacht haben, obwohl wir Christine verloren haben. Die schlechte Nachricht ist: Ich vermisse Christine, ihr Temperament, ihren Sinn für Humor, wie sie uns durch eine verfahrene Situation bringen konnte, und ich vermisse meine beste Freundin seit 1975."

Fruchtbare Auseinandersetzungen

Dass bei Fleetwood Mac regelmäßig die Fetzen fliegen, gehört sozusagen zur Rockgeschichte. Auch diesmal war es wohl so gewesen. "Wir sind fast nie einer Meinung", erklärt Nicks die Band-Chemie. "Aber wenn wir uns schließlich auf einen Song und seine Endfassung geeinigt haben, dann ist er großartig. Wenn es keinen Streit gegeben hätte, wäre es einfach nur eine nette Platte. Diese Platte hier ist intensiv, sie ist sehr tief, sie behandelt sehr ernste Themen." Und das sei bei Fleetwood Mac nichts anders als: "Great Tragedy for great art."

"Say You Will" könnten zwei, drei weitere Fleetwood-Mac-Alben folgen, sagt Nicks. "Vorausgesetzt, es wird gut angenommen. Wird es gut ankommen? Ich weiß es nicht. Ich bin keine 20. Ich hoffe, dass die Leute in meinem Alter aus ihrem Haus herauskommen und sich die Platte anhören. Wenn sie das machen, gibt es keinen Grund, nicht noch ein Album zu machen."

Innovation trotz Alter

Nicks wird am 26. Mai 55 Jahre alt, Buckingham ist 55, Fleetwood ist noch 60 (Geburtstag 21. Juni) und McVie 57. Ziemlich alt also in einem auf Teens und Twens fixierten Markt. Mit ihrem Album haben sie - wie manch andere Veteranen auch - eindrucksvoll gezeigt, dass "es" weder mit 50 noch 60 Jahren vorbei sein muss. Buckinghams "Murray Turning Over In His Grave" gehört zu den innovativsten Rocksongs dieses Jahres. Und in dem ebenfalls aus seiner Feder stammenden "Come" bringen sie nicht nur erotische Anspielungen, Beziehungsfrust und blanke Wut unter. "Weil es sonst niemand macht", röhrt Nicks. "And the band played on." Da ist man auch von der Intensität her fast wieder bei jener Blues-Combo Ende der 60er Jahre, die nach dem ersten Split ein Album mit dem programmatischen Titel "Then Play On" veröffentlichte.

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