Neulich, da haben sie sein aktuelles Album an verschiedene Radio-Stationen verschickt. Wie man das eben so macht, wenn ein neues Werk auf dem Markt ist. Auf dass es nun landesweit hoch und runter gespielt werde. Ein Sender schickte die CD ungeöffnet zurück, versehen mit dem Vermerk: "Wir spielen keine Casting-Stars." Alexander Klaws erzählt diese Geschichte und zuckt mit den Schultern. "Was soll ich da noch sagen, wenn ich auf solche Vorurteile stoße?"
Es gibt nicht wenige, die zusammenzucken, wenn der Name Alexander Klaws fällt. Da kommen so Gedanken wie: "Ach, Gott, ja, Alex K. - Superstar. Muss das jetzt sein? Kann der nicht bleiben, wohin die Daniel Küblböcks, Tobias Regners und Mike Leon Groschs dieser Welt verschwunden sind, nämlich in der Versenkung?" In der Tat wird es so wohl vielen Journalisten ergehen, die mit seinem neuem Album "Was willst du noch?!" bemustert werden. Die Vorstellung, ein weiteres Machwerk musikalischer Inspirations- und Ahnungslosigkeit durchhören zu müssen, ist schlimm genug: Einen Casting-Star MUSS man bescheuert finden.
"Er hat nun einen Job am Musicaltheater"
Alexander Klaws weiß das. In den fünf Jahren, die seit seinem Sieg bei DSDS vergangen sind, hat er zahlreiche medienwirksame Hinrichtungen erlebt. Hat Kloppe eingesteckt, kübelweise Häme. Zuletzt geschehen - wohl eher unbeabsichtigt - durch DSDS-Jury-Mitglied Bär Läsker, der über ihn verkündete: "Er hat nun einen Job am Musicaltheater." Alexander lacht bei dieser Umschreibung. Denn es klingt ein bisschen so, als würde er nach der Show durch die leeren Stuhlreihen fegen und zum Schluss das Licht ausknipsen. "Tatsächlich habe ich in Berlin als 'Alfred' eine Hauptrolle in Roman Polanskis 'Tanz der Vampire' gesungen. Ich war also gar nicht von der Bildfläche verschwunden, wie immer wieder geschrieben wurde, sondern durchaus noch präsent."
Seine letzte CD "Attention" liegt allerdings schon zwei Jahre zurück und landete im Gegensatz zu den beiden Vorgängern "Take your Chance" und "Here I am" nicht auf Platz 1, sondern lediglich auf Platz 20 der deutschen Albumcharts. "Ich war natürlich sehr erfolgsverwöhnt", erklärt Alexander, "und das war dann erst einmal ein Dämpfer. Wobei man auch sagen muss, dass viele davon träumen, auf Platz 20 zu landen." Trotzdem war der "Flop" Grund genug für die Presse, den heute 24-Jährigen endgültig nieder zu metzeln und seinen Abgesang zu intonieren. Für Alexander Klaws war er Grund genug, Plattenfirma und Management auszutauschen, sich etwas Neues zu überlegen und seine erste deutschsprachige CD aufzunehmen.
Verzückung oder Koma
Und das Album ist - richtig gut. Natürlich handelt es sich um Mainstream. Und natürlich werden viele sagen, Klaws springe mit dem Wechsel von Englisch zu Deutsch nur auf den fahrenden Zug auf, mit dem Juli, Silbermond und Revolverheld seit längerem erfolgreich unterwegs sind. Dennoch ist das Album hörenswert. Die erste Single-Auskopplung "Welt" erweist sich als die Sorte Ohrwurm, bei der jeder sofort mitsummen will, sobald die einprägsame Basslinie erklingt. Mit Stücken wie "Zu spät zu früh" oder "Was willst Du noch?" zeigt Alexander, dass er nicht nur Brit-Pop Anklänge geschickt mit deutschen Texten vermischen, sondern auch einfach mal drauflos rocken kann. Mit erstaunlich kraftvoller Stimme, die immer zur Musik und den Texten passt und teilweise eine ungeahnte Schnoddrigkeit an den Tag legt. Da erinnert nichts mehr an schnulzenhaft dahin gehauchte "Take me tonight"-Zeilen, mit denen Alexander früher seine Fans in Verzückung, alle anderen reihenweise ins Koma heulte.
Wenn Alexander Klaws - elegant in dunklem Hemd und Anzughose - über sein neues Album spricht, merkt man ihm an, wie wichtig es ihm ist. Dass da Herzblut drinsteckt, dass er da endlich mal das gemacht hat, was er als RTL-Marionette nicht konnte. Dass er - ein großes Wort, aber es soll an dieser Stelle trotzdem kommen - ein Künstler ist. Allein deshalb könnte seine neue Musik sogar Menschen jenseits der Pubertät gefallen, weil sie in Alexander Klaws nicht mehr den unbedarften Westfalen sehen, dem ein Heer von Stylisten eine flotte Frisur und eine Lederjacke verpasst hat, um ihn als wandelnden Klingelton in einen Pulk von kreischenden 12-Jährigen zu schubsen.
"Ich finde, DSDS hat seinen Reiz verloren"
Im Booklet seiner CD dankt der Sänger dem Team seines neues Plattenlabels ‚Cruiser Entertainment': "Seitdem ich mit euch zusammenarbeite, weiß ich, dass Arbeit und Spaß zusammenpassen." Huch? Da fragt man sich schon, wie es früher war, mit der Arbeit und dem Spaß. Kommen jetzt schöne Lästergeschichten über Dieter Bohlen und Konsorten? "Nein, nein", versucht sich Alexander diplomatisch, "vorher hat es natürlich auch schon Spaß gemacht, gerade auch mit Dieter. Es war halt anders, damals war ich nur Interpret, kein Musiker, der sich selbst einbringt."
Immerhin: Zu ein paar kritischen Äußerungen über die aktuelle Staffel von DSDS lässt sich der nette Alexander dann doch hinreißen: "Ich finde, die Sendung hat ihren Reiz verloren. Es geht nicht mehr darum, jemanden zu suchen, der sich nichts Schöneres vorstellen kann, als auf der Bühne zu stehen und die Leute glücklich zu machen. Natürlich geht es auch um Einschaltquoten, aber meiner Meinung nach müssen die aufpassen, dass die Sendung nicht zu einer reinen Zirkusveranstaltung verkommt, bei der alles nur noch ins Lächerliche gezogen wird."
Mark Medlock, den Gewinner der Staffel im vergangenen Jahr, findet Alexander trotzdem super. Allerdings nicht das, was sein Casting-Kollege da so singt. "Der hat eine extrem tolle Stimme. Aber seine Songs geben mir rein gar nichts. Das ist kommerziell, aber irgendwie auch seelenlos." Auch da weiß Alexander Klaws, wovon er redet, hatte er doch selbst das Vergnügen, zusammen mit Dieter Bohlen seine ersten musikalischen Gehversuche zu wagen. "Damals war das so, dass Dieter sagte: Komm mal vorbei und sing mal in drei Stunden fünf Songs ein. Das hat man den Stücken dann natürlich auch angehört. Ich meine, das war schon toll und wenn ich die Lieder heute höre, erinnere ich mich gern an diese Zeit zurück - aber mit Musik hatte das wenig zu tun."
"Wie will man da Ecken und Kanten bekommen?"
Da nimmt er es auch sportlich, dass Comedien Oliver Pocher mal über ihn behauptete, er hätte viermal nacheinander die gleiche Single heraus gebracht. "Na ja", meint Alexander und lacht, "das war ja aber auch so. Das hat Pocher auch gar nicht böse gemeint, das war eben pure Realität. Vom Klang her war das schon alles sehr seicht und weichgespült - und wie will man da Ecken und Kanten bekommen, wenn man immer auf so einer Schiene fährt?"
Nun hat Alexander Klaws die weichgespülte Schiene verlassen. Und hofft, dass es irgendjemand merkt. "Ich habe keine Lust mehr, mich für meine Vergangenheit zu rechtfertigen. Ich will die Leute davon überzeugen, dass ich kein Casting-Fuzzi bin, sondern dass es mir ernst ist." Den Musikredakteuren des Radio-Senders, von dem sein Album neulich so unfreundlich zurückgeschickt wurde, möchte er übrigens noch etwas mitteilen: "Die sollten aufhören, Justin Timberlake, Christina Aguilera oder Kelly Clarkson zu spielen - das sind nämlich auch alles Casting-Stars."