Die woke Gegenwart kann kompliziert sein. Diese Erfahrung muss gerade die leicht ergraute deutsche Punkband Tote Hosen um Sänger Campino machen. Die Düsseldorfer Gruppe soll auf den Zwillingsfestivals Rock am Ring/Rock im Park Anfang Juni als Headliner auftreten. Doch der Auftritt ist mittlerweile umstritten und stößt vielfach auf Kritik.
Der Grund ist, dass die US-Heavy-Metal-Band Pantera ebenfalls dort für Shows gebucht ist. Deren Sänger Phil Anselmo hatte sich im Jahr 2016 während eines Auftritts in Los Angeles einen üblen rechtsextremen Ausfall geleistet. Völlig betrunken (nach eigener Auskunft, aber glaubhaft) zeigte Anselmo nachts um zwei Uhr den Hitlergruß und grölte "White Power" in die Menge. (Das Konzert fand damals zu Ehren des erschossenen Pantera-Gitarristen Darell "Dimebag" Abbott statt. Die Band hatte sich bereits 2000 aufgelöst und erst 2022 wiedervereint).
Debatte nimmt immer mehr Fahrt auf
Zunächst versuchte der Frontmann damals, den Vorfall herunterzuspielen. "White Power" war angeblich ein band-interner Gag und stand für den Weißwein, den sich die Gruppe hinter der Bühne hinter die Binde kippte. Doch nachdem die Kritik zunahm und Bands wie Anthrax und Machine Head Anselmo scharf kritisierten, nahm der eine Woche später ein Entschuldigungsvideo auf ("Es war hässlich, es war unangebracht"). Tage später schob er ein schriftliches Statement nach. Es folgten Interviews, unter anderem im Magazin "Rolling Stone", in denen er erklärte, dass er kein Rassist sei ("I don’t give a fuck about the color of skin or nationality or religion or whatever"). Viele nahmen oder nehmen Anselmo die Entschuldigung aber nicht ab.
Der Vorfall 2016 war auch nicht der erste, mit dem der Metal-Sänger negativ auffiel. Es sind mehrere Geschichten aus den 1990ern belegt, in denen er sich in rassistischen Andeutungen erging oder das T-Shirt der Band Carnivore mit einem rassistischen Motiv aus Südafrika getragen haben soll.
Jetzt ist die 2022 wiedervereinte Band zu einer weltweiten Konzerttour gestartet und wird zumindest in Deutschland teilweise kritisch gesehen. Vorfälle wie der von Anselmo sind nicht einfach vergessen. Die Debatte um den Pantera-Auftritt nahm zuerst in den sozialen Medien Fahrt auf. Dann schloss sich die grüne Stadtratsfraktion in Nürnberg dem Protest an und forderte die Veranstalter, die Argo Konzerte GmBH, auf, den Auftritt von Pantera abzusagen.
Wortreiche Begründung der Toten Hosen
Die Toten Hosen mischten sich schließlich in die Diskussion ein, in dem sie ebenfalls zwei Statements veröffentlichten. Das erste erschien am vergangenen Freitag. Darin begründen sie wortreich, warum sie ihren Auftritt trotz Pantera abhalten wollen. Den Hitlergruß von Anselmo finden sie natürlich "abstoßend und widerlich", schreiben sie. Und an der Entschuldigung des Sängers haben sie ihre Zweifel (wie die Grünen auch). Es bleibe die Frage, wie glaubwürdig das sei, schreibt die Band auf ihrer Facebook-Seite.
Sie betonen aber auch, dass sie Anselmo nie begegnet seien und nicht beurteilen könnten, wie es um seine wahre Gesinnung stehe. "Die ganze Situation empfinden wir als kompliziert und unglücklich." Zugleich verweisen sie darauf, dass Pantera in diesem Jahr auf zahlreichen Festivals zusammen mit Bands auftrete, die "schwerlich in die rechte Ecke zu stellen sind". Die "Mehrheit der Rockmusikwelt" scheine dem Sänger seine Läuterung abzunehmen, schrieben die Toten Hosen. Von sogenannter "Cancel Culture" also keine Spur bei den Altpunkern.
Daraufhin kassierte die Band teilweise heftige Kritik von Fans, denen die Reaktion offenbar zu lasch ausfiel. Das wiederum veranlasste sie zu einem zweiten, kurzen Statement, in dem sie ihre Entscheidung verteidigten und auf die verkauften Karten von Fans hinweisen. Am Ende schreiben sie "Wir halten Euch auf dem Laufenden". Es kann gut sein, dass die Debatte um Pantera und die Toten Hosen nicht vorbei ist.