Eurovision Song Contest Schwule in Belgrad unerwünscht?

Homosexuelle aus ganz Europa sind zum Eurovision Song Contest nach Belgrad gereist. Willkommen sind sie nicht. Im stern.de-Interview erklärt Dr. Lars Peters, Vorsitzender des "Hamburg Pride", warum es so viele schwule Grand-Prix-Fans gibt und wieso sie in Serbien vorsichtig sein sollten.

Herr Dr. Peters, Sie sind wegen des Eurovision Song Contests nach Belgrad gereist. Würden Sie hier Händchen haltend mit Ihrem Freund durch die Stadt gehen?

Nein. Serbien ist zwar ein sehr gastfreundliches Land, aber auch homophob. Ich hätte da ein ungutes Gefühl. Die Veranstalter des Eurovision Song Contest haben in einem Rundschreiben sogar vor "gleichgeschlechtlichen Verhaltensweisen" in der Öffentlichkeit gewarnt.

Und trotzdem findet der Grand Prix in Belgrad statt?

Es gab im Vorfeld des Events eine große Diskussion darum. Serbien hat aber zugesichert hat, dass alle Besucher in der Stadt sicher seien. Explizit auf Schwule wurde allerdings nicht eingegangen.

Merkt man etwas von den Sicherheitsvorkehrungen?

Es ist hier sehr viel Polizei zu sehen. Sowohl um die Arena, als auch in der kompletten Innenstadt. Ich fühle mich deshalb relativ sicher, provozieren würde ich eine brenzlige Situation trotzdem nicht. Vor allem, weil die Polizei hier auch nicht als sonderlich schwulenfreundlich gilt.

Wussten die Belgrader nicht, dass mit dem Song Contest auch zahlreiche Schwule in die Stadt reisen?

Ich glaube doch. Aber das Thema wurde in den serbischen Medien im Vorfeld totgeschwiegen. Eine Diskussion darum wollte Belgrad um jeden Preis vermeiden, um sich als gastfreundliche Stadt präsentieren zu können. Serbien hat nach der jüngsten Vergangenheit schließlich nicht das beste Image in Europa.

Zur Person

Dr. Lars Peters arbeitet in Hamburg als Medienwissenschaftler und ist erster Vorsitzender des "Hamburg Pride e.V.". Der Verein organisiert den jährlichen Christopher Street Day in der Hansestadt.

Warum gibt es so viele schwule Grand-Prix-Fans?

Ich habe dafür zwei Erklärungen. Zum einen, weil Homosexuelle keine andere Veranstaltungen haben, auf die sie sich projizieren können. Heterosexuelle Männer haben die Fußball-Meisterschaften, Schwule lieben eben den Grand Prix. Dort geht es um Trickkleider, Trash und Kultur - das trifft genau die Zielgruppe. Zum anderen, weil sich in den letzten Jahren so etwas wie ein Camp-Charakter an den Veranstaltungsorten entwickelt hat. Nicht das Event an sich, sondern das Drumherum ist das Ziel der Reisenden: Schwule aus ganz Europa zu treffen und mit ihnen zu feiern.

In Belgrad muss die Feier wohl ausfallen?

Nein. Im Euro-Club zum Beispiel, der After-Show-Party nach den Halbfinals und nach den Proben trifft man zahlreiche Schwule, mit denen man feiern kann.

Feiern serbische Schwule mit?

Die halten sich sehr zurück. Schließlich nützt es ihnen nichts, jetzt im Schutz der ausländischen Touristen auf den Putz zu hauen. Sie müssen anschließend hier weiterleben.

Russland ist einer der Favoriten auf den Sieg. Was passiert, wenn der Grand Prix nächstes Jahr in Moskau stattfindet?

Schlimmer als hier kann es nicht werden. Und Moskau ist einen Schritt weiter. Dort findet ein Christopher Street Day (Anm. Der Redaktion: Demonstration von Schwulen und Lesben für Gleichberechtigung) immerhin statt, auch wenn es jedes Jahr Übergriffe Rechtsradikaler gibt. In Belgrad wurde er abgeschafft.

Wer noch kurzfristig nach Belgrad reisen will, sollte also zu Hause bleiben?

Nein. Der Grand Prix ist immer eine Reise wert. Und wer sich vorsichtig verhält, dem passiert auch nichts.

Interview: Jens Maier

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