Musik ist "Ausdruck des Lebens", sagt Herbie Hancock. Sie habe nichts mit B-Dur und D-Moll zu tun. Und so scheut sich der legendäre Jazz-Pianist auch nicht, alles in seine Musik zu packen, was sie so bunt und prall klingen lässt wie das Leben: Klassische Elemente von Debussy und Ravel, schwarze Folklore à la George Gershwin, Rhythm & Blues, Rock, Pop und Rap. Mit Mozarts fünftem Klavierkonzert in D-Dur, begleitet vom Chicago Symphony Orchestra, hatte das Wunderkind Herbie 1952 erstmals vor großem Publikum gespielt. Seitdem erschien sein Name auf mindestens 200 Alben. An diesem Montag (12. April) feiert Hancock seinen 70. Geburtstag. Er gilt als einer der einflussreichsten Komponisten und Interpreten des Jazz - und das schon seit einem halben Jahrhundert.
Mit naserümpfenden Puristen wie seinem Landsmann Wynton Marsalis steht der innovative Jubilar auf Kriegsfuß. Im Gespräch mit dem Musikjournalisten Christian Broecking (Berlin) protestierte Hancock dagegen, "Jazz ins Museum" abzuschieben. "Jazz ist offen", erklärt er. "Jazz geht auf andere Kulturen und Genres zu, öffnet sich und verbindet die verschiedenen Einflüsse zu neuen Sounds". Broecking veröffentlicht die Ansichten des Vollblutjazzers zu dessen rundem Geburtstag in einem schmalen Band unter dem Titel "Herbie Hancock - Interviews" (Creative People Books).
1940 in eine afroamerikanische Mittelstandsfamilie in Chicago geboren, nahm Herbert Jeffrey Hancock vom siebten Lebensjahr an Klavierunterricht. 1963 stieg er in das Quintett des legendären Miles Davis ein. Zu jener Zeit war er selbst noch "ein richtiger Jazz- Snob", ein Purist, bekennt Hancock. Da Miles alles hörte - Jimi Hendrix, Manitas de Plata, Cream und die Rolling Stones - öffnete sich auch Hancock anderen Einflüssen: "Weil ich so hip und cool wie Miles sein wollte." Für ihn war der neugierige Jazztrompeter "der King of Cool".
Der Song "Watermelon Man" aus seinem Debüt-Album "Takin' Off" (1962) hatte die Jazzgemeinde erstmals auf Hancock aufmerksam gemacht. Der Hit gilt als die Blaupause für guten Jazz und ist seitdem von mehr als 200 Musikern gecovert worden. Es folgten weitere Erfolge wie "Cantaloupe Island" oder "Maiden Voyage".
Das Miles-Davis-Quintett mit Wayne Shorter, Ron Carter, Tony Williams und natürlich dem Newcomer Hancock wurde zu einer der einflussreichsten Jazz-Combos der 60er Jahre. Die fünf komplementierten sich perfekt und ließen sich gleichzeitig genug Freiraum, um ihre Gefühle und Stimmungen musikalisch auszudrücken. Schon damals nahm Hancock Anleihen beim Rock sowie Rhythm & Blues. Mit dem immens erfolgreichen Album "Chameleon" landete er später sogar in der Disco-Ecke.
Immer wieder stürmte er die Hitparaden und schreckte auch nicht vor der Vertonung von Werbespots und TV-Serien zurück. Er komponierte auch die Musik für den Action-Streifen "Ein Mann sieht rot" (1974) mit Charles Bronson und bekam einen Oscar für den Soundtrack von Bertrand Taverniers Jazz-Film "Round Midnight" (1986). Mitte der 80er Jahre dockte er mit "Future Shock" erfolgreich an den Hip-Hop an.
Noch heute schließt Hancock sein Vorbild Davis von einst mit ein, wenn er über "die seltenen Menschen" spricht, die die Welt verändert und die Zukunft gestaltet haben: "Miles Davis war einer von ihnen, Nelson Mandela und Gandhi. Auch Joni Mitchell ist eine Heldin für mich." Der kanadischen Sängerin und Songwriterin, mit der ihn eine lange Freundschaft verbindet, widmete Hancock das Album "River: The Joni Letters". Es ist eine Sammlung von Mitchells Songs interpretiert unter anderen von Norah Jones, Tina Turner und Leonard Cohen.
Die CD wurde 2008 von den Grammy-Verleihern als bestes Jazzalbum und als Album des Jahres gekrönt, eine Ehre, die nur ein einziges Jazzalbum zuvor zuteil wurde. Mit den beiden Trophäen von 2008 ist Hancock zwölffacher Grammy-Preisträger.
Hancock ist seit 1968 mit der Deutschen Gudrun Meixner verheiratet und hat eine Tochter, die ihn auf Tourneen als persönliche Assistentin begleitet. Seit 1972 ist er praktizierender Buddhist. Leben und Musik sind für ihn mystisch miteinander verknüpft: "Ich will, dass mein Leben mehr ist als eine bloße Folge von Ereignissen", sagte er einmal. "Was ich suche, ist die Magie, die den Raum mit Herz erfüllt."