Interview mit Conor Oberst "Langweile macht produktiv"

Die Haare sind länger geworden, die Musik bombastischer und Conor Oberst, die vermeintliche Indie-Heulsuse von Bright Eyes, ist erstaunlich gut gelaunt. Vielleicht, weil er jetzt "mit dem Universum geht".

Herr Oberst, Sie haben Ihr neues Album "Cassadaga" genannt. So heißt auch ein spirituelles Zentrum in Florida. Waren Sie da schon mal?

< Ja, sogar mehrmals. Ein Freund hatte mir davon erzählt und ich hab sofort Feuer gefangen und bin hin gefahren.

Also haben Sie jetzt einen Guru?

Nein, das nicht. Ich war bei einer Frau und hatte ein paar Sitzungen. Aber der Ort hat mich fasziniert. Eine ganz kleine Stadt voller spirituell gestimmter Menschen. Das hat was.

Was haben Sie bei diesen Sitzungen denn gelernt?

Ach, die Frau hat mir eigentlich nur gesagt, dass ich jetzt mit dem Universum gehe und nicht mehr dagegen. Dass alles okay sein wird. Das kann einem jeder sagen, aber ihr habe ich das geglaubt. Viel wichtiger war mir aber das Gefühl, mit dem ich von dort wegging. Friedlichkeit. Natürlich kann man das alles als Quatsch abtun, aber für mich sind Meditation, Gebete oder solche Sitzungen gar nicht so anders als Psychoanalyse. Es geht darum, seine Gedanken zu fokussieren und zur Ruhe zu kommen. Aber ganz abgesehen davon: Ich habe die Platte "Cassadaga" genannt, weil das Wort so hübsch klingt. Kommt aus dem Indianischen.

Ihre Lieder klingen nicht mehr so introvertiert und, na ja, wütend wie früher...

Echt, ich klang wütend?

Manchmal schon. Oder sagen wir: Energisch.

Nein, ich mag "wütend". Ich dachte nur immer, man hält mich eher für einen Singer-Songwriter-Softie.

Musik-Tipp

"Cassadaga" von Bright Eyes ist am 7. April erschienen

Naja, jetzt mit den langen Haaren… Aber ich meine ja auch nicht, dass Sie wie die Metal-Bands Pantera oder Slayer geklungen hätten. Trotzdem hat man eindeutig das Gefühl, dass Sie Musik machen, weil da was raus muss.

Die Songs müssen auf jeden Fall raus, das war schon immer so. Deshalb habe ich überhaupt angefangen, Musik zu machen.

Das war in Omaha, Nebraska, wo Sie aufgewachsen sind. Nicht gerade ein Epizentrum der Popmusik.

Eher das Gegenteil. Zum Glück. Im Nachhinein. Wir mussten von Anfang an alles selber machen, es gab keine Plattenfirmen oder Agenturen. Wenn ich in Los Angeles oder New York aufgewachsen wäre, hätte mich das bestimmt vom Weg abgebracht, so viel, wie da los ist. Langweile hilft beim Nachdenken. Und macht produktiv.

Offensichtlich. Sie sind gerade 27 geworden, Ihre ersten Songs haben Sie mit zehn Jahren geschrieben, Ihr erstes Album mit der Band Commander Venus machten Sie mit 15 und von Bright Eyes gibt es auch schon sieben Platten. Wo kommt das alles her?

Ich weiß nicht, was ich sonst mit meiner Zeit anfangen soll. Jedes Mal, wenn eine Platte fertig ist, denke ich: Jetzt nur noch Urlaub, Strandhütte, einen Monat schlafen... Dann fahr ich irgendwo hin und nach ein paar Wochen hab ich eine Melodie im Kopf. Und ein paar Worte. Das ist für mich wirklich das Magische. Ich habe keine Kontrolle darüber, wann und wo das passiert. Aber wenn der Song in meinem Kopf existiert, will ich auch daran arbeiten.

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Song?

Nein. Ich weiß nur, dass ich damals bloß zwei Gitarren-Akkorde konnte. Aber ich kann mich noch daran erinnern, als meine erste Platte rauskam und tatsächlich jemand eine Rezension darüber geschrieben hat. Das war total aufregend, weil ich mir überhaupt nicht erklären konnte, warum sich jemand die Mühe macht, so viel über das Zeug zu schreiben.

Lesen Sie jetzt noch, was über Sie in der Zeitung steht?

Nein, das wäre eher schädlich. Leute sagen die nettesten und schmeichelhaftesten Sachen über mich - oder bösartige Gemeinheiten. Weder das eine noch das andere ist wahr. Man muss sich davon distanzieren, sonst glaubt man das irgendwann noch. Ich bin nicht beleidigt, wenn jemand meine Musik nicht mag. Ich hoffe nur, dass es überhaupt Musik gibt, die er mag. Weil Musik so wichtig ist. Wenn jetzt junge Teenager zu meinen Konzerten kommen und so richtig mitgehen, ist das großartig. Musik kann in dem Alter die Welt bedeuten. So war es zumindest bei mir. Und wenn ich dieses Gefühl heute jemand anderem geben kann, macht mich das glücklich. Der Rest ist egal.

Das klingt alles sehr zielstrebig. Haben Sie nie daran gezweifelt, dass Musikmachen der richtige Weg für Sie ist?

Ich hatte immer Zweifel daran, wie ich Musik machen will. Und ich wollte auch schon mit allem aufhören: keine Platten mehr veröffentlichen, nie mehr auf Tour gehen. Aber die Musik könnte ich gar nicht aufgeben, selbst wenn ich wollte. Das klingt jetzt so pathetisch, aber das geht bestimmt jedem Musiker so. Jeder, der aufhören könnte, würde das auch tun. Zwischendurch ist es so frustrierend, wenn irgendwas nicht läuft, wenn du dich von einer kleinen Tour zur nächsten hangelst und dein Zuhause aufgibst. Klar, der Erfolg macht Vieles einfacher - ich habe jetzt ein Zimmer im Hilton - aber grundsätzlich gilt: Die Liebe zur Musik muss dich antreiben. Sonst ist es das alles nicht wert.

Interview: Andrea Ritter

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