London, Mittwoch, 5. September. 21.30 Uhr. Im herrlich barocken Koko-Club mit seiner gigantischen Disco-Kugel an der Decke betritt James Blunt die Bühne. Zum ersten Mal stellt er die neuen Songs seines zweiten Albums "All the Lost Souls" in der Öffentlichkeit vor. Der Druck ist enorm. Elf Millionen Mal hat sich sein erstes Album "Back to Bedlam" verkauft. Der Ex-Soldat wurde praktisch über Nacht zum erfolgreichsten Solo-Künstler Europas - und parallel zu einem der meist gehassten. Als "Heulsuse" und "Nervensäge" wurde er verspottet, seine Musik als "Jammerlappen-Pop" diffamiert. Zudem entdeckte ihn die Yellow Press als Klatsch-Opfer. Entnervt verließ Blunt das Land, um zur Ruhe zu kommen und an neuen Songs zu arbeiten. Und nun steht er hier im Herzen Londons und zeigt selbstbewusst, dass er nicht daran denkt, irgend etwas anders zu machen. "Ich war ein bisschen weg", sagt. "Aber ich freue mich, wieder bei euch zu sein. Hier sind meine neuen Lieder."
Und dann spielt er wie selbstverständlich die Songs seines zweiten Albums - und einer klingt besser und eingängiger als der andere. Perfekter, melodiöser Pop. Mal soft und langsam, mal druckvoll und fröhlich. Überladen mit Melodien und Einfällen. Sicher, da ist nichts schräg, innovativ oder cool. Blunt macht Gefühlsmusik, die sich sofort und ohne Umwege über das Großhirn in den Ohren festsetzt. Aber das macht er wie kein zweiter in diesen Tagen. In seinen besten Momenten erinnert er sogar an die Beatles. Übertrieben? Keineswegs! Ich sage voraus: James Blunt wird wieder ganz oben in den Charts stehen. Und das völlig zu recht.
Ich weiß: Es ist als Mann nicht leicht, ein Blunt-Fan zu sein. Aber man muss zu seinen Gefühlen stehen. "Das ist doch Mädchen-Musik", schrie ein Kollege in mein Büro hinein, als Blunt im CD-Player lief. Okay, bin ich eben eine Frau. Sind sowieso die besseren Menschen.