Mit einer ungewöhnlichen Taktik hat die Parlamentsverwaltung in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington am Sonntag versucht, eine Blockade von Impfgegnern vor dem Abgeordnetenhaus aufzulösen. Parlamentspräsident Trevor Mallard ließ die Demonstranten in Dauerschleife mit Welthits von Barry Manilow wie "Mandy" und "Could It Be Magic" sowie dem 1990er-Ohrwurm "Macarena" der Band Los del Río beschallen. Unterbrochen wurden die Lieder von Aufrufen zur Impfung gegen das Coronavirus.
Die Demonstranten, die über die in Neuseeland geltenden Corona-Impfpflicht verärgert sind, antworteten mit Buh-Rufen und Liedern wie "We're Not Gonna Take It" von Twisted Sister, die sie über ihre eigenen Lautsprecher erklingen ließen, wie der Sender Radio New Zealand (RNZ) berichtet.
Attacke mit Sprinkleranlage blieb erfolglos
Die Proteste hatten vergangen Woche Dienstag begonnen, als ein Konvoi von Fahrzeugen zum Parlament gefahren war. Inspiriert von dem sogenannten Freiheitskonvoi kanadischer Lkw-Fahrer in Ottawa gaben sich die Teilnehmer den Namen "Convoy for Freedom", blockierten Straßen in der Stadt und kampierten auf dem Rasen vor dem Parlament. Am Wochenende nahmen laut RNZ etwa 3000 Menschen an der Demonstration teil, teilweise hätten sie auch Kinder dabeigehabt.
Die Behörden hatten bereits am Freitag versucht, die Blockade aufzulösen, indem sie die Sprinkleranlage auf dem Rasen einschalteten. "Niemand, der hier ist, ist legal hier, und wenn sie sowohl von unten als auch von oben nass werden, fühlen sie sich wahrscheinlich nicht so wohl und wollen eher nach Hause gehen", erklärte Mallard laut der britischen Zeitung "I News" die Aktion. Doch die Demonstranten wehrten sich, indem sie Gräben aushoben und behelfsmäßige Abflussrohre bauten, um das Wasser umzuleiten. Daraufhin habe der Parlamentspräsident den Angriff mit Musik gestartet.
Die Musik-Attacke kam auch dem Musiker James Blunt zu Ohren, der Sinn für Selbstironie bewies und der neuseeländischen Polizei seine Hilfe anbot: "Melden Sie sich bei mir, wenn das nicht funktioniert @NZPolice", twitterte der Brite. Mallard zeigte ebenfalls Humor, antwortete via Twitter: "Wir werden auf Ihr sehr freundliches Angebot zurückgreifen" und fragte scherzhaft, ob das "fair" gegenüber den Polizeibeamten sei. "Ich denke, sie werden damit zurechtkommen", fügte er dann aber noch hinzu.
Nur wenig später ertönte Blunts größter Hit "You're Beautiful" aus den Behördenlautsprechern. Aber das spornte die Demonstranten nur noch mehr an, die anfingen, das Lied mitzusingen und zu schunkeln, wie "I News" berichtet.
Die örtliche Polizei zeigte sich von Mallards Aktion wenig begeistert: "Das sind sicherlich keine Taktiken oder Methoden, die wir gutheißen würden, und wir hätten es lieber gesehen, wenn es nicht dazu gekommen wäre", sagte Polizeichef Corrie Parnell am Montag gegenüber Radio New Zealand.
Auch die Opposition kritisierte die Musik-Attacke: "Mallards Mätzchen sind nicht nur unreif, sie sind nicht nur unwirksam, sondern haben eine ernste Situation noch viel schlimmer gemacht", sagte der Vorsitzende der oppositionellen ACT-Partei, David Seymour. "Sein kleinliches Verhalten hat die Demonstranten nur noch mehr ermutigt."
Neuseeland setzt im Kampf gegen Corona auf strenge Regeln
Polizeichef Parnell rief die Demonstranten zum wiederholten Male auf, ihre Fahrzeuge zu entfernen, die seit vergangener Woche die Straßen blockieren. Er verteidigte auch die Zurückhaltung der Polizei, die noch vergangenen Donnerstag versucht hatte das Camp zu Räumen, was zu gewaltsamen Zusammenstößen, dem Einsatz von Pfefferspray und mehr als 120 Festnahmen führte. Verhaftungen seien nicht die Lösung, sagte Parnell nun und forderte ernsthafte Verhandlungen mit den Demonstranten.
Premierministerin Jacinda Ardern forderte die Protestierenden am Montag hingegen erneut auf "nach Hause zu gehen und eure Kinder mitzunehmen". Sie kritisierte, dass die Impfgegner Menschen beschimpften, die Masken trugen. Die Demonstranten hätten auch die "Hinrichtung von Politikern gefordert", sagte Ardern.
"Was ich auf dem Vorplatz gesehen habe, deutet für mich nicht darauf hin, dass es sich um eine Gruppe handelt, die an der Entwicklung von Politik interessiert ist", zitiert RNZ die Premierministerin. "Es gibt dort unten Schilder, die den Tod von Politikern fordern."

Die Neuseeländer leben seit fast zwei Jahren mit strengen Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus. So gilt im Land eine Impfpflicht für Mitarbeiter unter anderem im Gesundheitswesen, Bildungsbereich sowie von Armee und Strafverfolgungsbehörden. Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, droht die Kündigung. Auch um in Restaurants essen zu gehen oder um an Sportveranstaltungen und Gottesdiensten teilnehmen zu können, müssen die Neuseeländer einen Impfnachweis vorlegen.
Die Restriktionen, Abriegelungen und eine internationale Grenzschließung haben dazu beigetragen, die Zahl der Infektionen und Todesfälle in Neuseeland sehr niedrig zu halten. Doch die Dauer vieler Maßnahmen führt in der Bevölkerung zu wachsendem Unmut. In den vergangenen Monaten kam es daher vermehrt zu Protestaktionen.
Quellen: Radio New Zealand, "I News", BBC, CNN, James Blunt auf Twitter