Spice Girls Ehemaligentreffen der Allerweltsfrauen

Von Alexandra Steffes
Die Spice Girls sind zurück. Das wirft Fragen auf: warum jetzt schon? Und vor allem: womit? Beantworten müssen die fünf Damen solche Fragen nicht, denn ihr Konzert in London war in 38 Sekunden ausverkauft.

Der Gig in London war Teil ihrer Welttournee mit Konzerten von Sidney bis Las Vegas - dem Comeback der Spice Girls. Dazu gibt es ein "Greatest Hits"-Album, das zu Weihnachten herauskommt. Das war's eigentlich schon. Und doch: Über eine Millionen registrierten sich angeblich online, um eins der Tickets für die Arena zu ergattern. Die glücklichen 20.000 Fans, die der Computer ausspuckte, wurden in weniger als einer Minute per SMS oder E-Mail benachrichtigt.

Von diesen "38 Sekunden" war von der "Times of India" bis zur "Winnipeg Sun" überall in der Welt zu lesen. Auch wenn das nach Propaganda und Publicity-Maschine riecht und danach, dass es tatsächlich nicht mehr zu berichten gibt über die "Legende der Spice Girls": Die Spice Girls und ihr alter Manager Simon Fuller würden es heftig bestreiten.

"Girlpower" und das Ende der Neunziger

Nichts zeichnete den Weltruhm der fünf eher unspektakulären Engländerinnen mehr aus als die schiere Leistung, das Ende der Neunziger mitzudefinieren. Ihre Alben verkauften sich weltweit über 53 Millionen Mal. Mit neun UK-Nummer-eins-Hits hatten sie so viele wie ABBA, drei weniger als Madonna und acht weniger als die Beatles. Das schafften nicht mal die Jungs von Take That.

Die Spice Girls prägten ein Stichwort und die dazugehörige Modewelle: "Girlpower". Das klang dreister und gleichzeitig harmloser als die "Frauenpower" der Achtziger. Mit Hits wie "Wannabe" und Seufzern wie "Ziga-zig-ah" traten sie auf - und trafen einen Nerv. Wir kauften die Spice Girls samt ihrer dreisten Behauptung, fünf ganz unterschiedliche Talente zu vereinen.

Es war die Zeit, als man mit einem Handy noch auffiel, in der MTV eine neue Form von Fernsehen und Karaoke eine neue Form der Unterhaltung war. Es war die Zeit, in der fünf unbekannte Mädchen sich lediglich auf eine Anzeige zu melden brauchten, um sich ihren Popstar-Traum zu erfüllen.

Modesünden und Marketing

Die Welt zog mit: Man trug Haarspängchen und Zöpfchen wie zu schlimmsten Grundschulzeiten, zu kurze Blümchenkleidchen und Schuhe mit aufgepumpten Schaumstoffsohlen. Und man hielt die Modeidee des Bauchfrei für eine große Befreiung, allenfalls vergleichbar mit der schlimmen Fehleinschätzung der Sechziger, dem BH-losen Busen.

Was an den Spice Girls wirklich neu war: Sie basierten auf einem Konzept. 1992 als weibliche Antwort auf das Erfolgsrezept der Boyband erdacht, erfüllten Melanie Chisholm, Melanie Brown, Geri Halliwell, Victoria Adams und Emma Bunton das Kriterium. Die Anfang 20-Jährigen bezogen ein nicht sehr vielversprechendes Haus in einem tristen Vorort außerhalb Londons, kassierten Arbeitslosenunterstützung und studierten vier Jahre lang Tanzroutinen ein. 1996 stieß Simon Fuller dazu, die berüchtigte Gelddruckmaschine, der schon alles gemanagt und zu Geld gemacht hat. Der Rest ist, wie die Engländer sagen, Geschichte.

Als Geri Halliwell vom strippenziehenden Management und ihren Kolleginnen schließlich genug hatte, ging es mit der Band bergab. Der gefeuerte Simon Fuller vollzog den einzig logischen Schritt und erfand die TV-Sendung "Pop Idol", die Vorlage für internationale Ableger wie "Deutschland sucht den Superstar". Zehn Jahre später sind von den Spice Girls gerade mal zwei Hits übrig, an die wir uns schwach erinnern. Dazu verworrene Geschichten darüber, wie keine von ihnen trotz Geld, Connections, Verbissenheit und wiederholter Anläufe eine Solokarriere starten konnte.

Solo ging's bergab

Mel C, immerhin mit dem größten Singtalent gesegnet, kollaborierte mit Bryan Adams, fand aber bald nur noch wegen ihres Körpergewichts in der Presse Erwähnung. Geri Halliwell, die für den "Bridget Jones"-Film eine Coverversion von "It's Raining Men" sang und dann zusehends abmagerte, erging es ebenso, bis sie mit dem exzentrischem Namen ihrer Tochter Bluebell Madonna wieder für Schlagzeilen sorgte. Mel B schaffte es, sich von Eddie Murphy schwängern zu lassen, der die Vaterschaft abstritt. Und dann ist da natürlich das Phänomen Victoria Adams, die den Richtigen heiratete - den Fußballstar. Seitdem stieg sie von ihren Ursprüngen als ehrgeiziges Mädchen neureicher Eltern über die Spice Girls zur Marke "Mrs. Beckham" auf. Kein Gesicht erklärt das seltsame Konzept der Spice Girls besser: Auf jedem ihrer Fotos ist Frau Beckham noch heute mit dem gleichen verbissenen Blick zu sehen. Dem Blick, der sagt, wie wichtig es ihr ist, vor einer Kamera zu stehen und alles richtig zu machen mit dem Superstar-Sein.

Schon vor zehn Jahren hatte man Schwierigkeiten, Erklärungen zu finden für die Faszination der Spice Girls. Keine sah übermäßig gut aus, keine konnte wirklich singen oder tanzen, und keine zeichnete sich durch ihren Charakter aus. Sportys Spitznamen lagen ein paar große Turnschuhe zugrunde. Posh Spice, mit ihren Leder-Minis und der Stupsnase, war nicht edel-vornehm, sondern Edel-Tussi, Baby Spice war, äh - blond. Und Geri Halliwell alias Ginger Spice, angeblich der Kopf der Gruppe, hatte Kurven und rot gefärbte Haare.

Ehemaligentreffen der Allerweltsfrauen

Das besondere Talent der Spice bestand letztlich darin, talentlos zu sein. Die Mädchen personifizierten die Nachbarstochter von nebenan, die ungefährliche Engländerin, die mit den Jungs zum Pub geht und heimlich von ihren Pin-up-Qualitäten träumt. Die Allerweltsfrau mit dem Traum. Dass es sie als Mittdreißiger noch gibt, nach Pleiten, Streits und Erwachsenwerden, hat etwas Tröstliches. Ihr Comeback ist wie ein Ehemaligentreffen.

Die Spice Girls waren das weibliche und - man muss es ihnen lassen - witzigere Pendant zu Boybands. Sie waren immerhin die erste Girlband: sinnentleerter, aber harmloser Fun. Und der größte Act dieser Zeit. Also eben doch Girlpower. Das muss man ihnen erst einmal nachmachen.

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