Für gegenseitige Rücksichtnahme und wahre Emotionen bleibt keine Zeit. Zu groß ist das Verlangen nach Selbstinszenierung, zu groß der Hunger nach ständiger Aufmerksamkeit. "Was können wir noch tun, um den Abend spannender zu machen?", ist die stets wiederkehrende Frage in dem Theaterstück "Andy Warhol's Velvet Underground. Was wird in dieser Fabrik eigentlich hergestellt?". Die Uraufführung des Werks, vom Autor Jörg Karrenbauer selbst in Szene gesetzt, wurde im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses Hamburg vom Publikum bejubelt.
Laut und schrill hat Karrenbauer sein Stück inszeniert. Schnelle Farb- und Mustervideos verwandeln die mit weißer Folie beklebten Wände einer Fabrikhalle zur Showbühne. Ein Laufsteg führt die vier Protagonisten der knapp zwei Stunden dauernden Aufführung direkt ins Publikum. "Ich glaube, irgendwann in den 60ern haben die Menschen vergessen, was Gefühle sind", heißt es in dem Stück. Dabei sind die Themen von damals die Themen von heute, denn der Traum von Hollywood, Schönheit und Reichtum inspirierte nicht nur die 60er Jahre.
Egoistische Einzelkämpfer
Das Stück beschreibt, wie vier junge Künstler ihren Weg nach oben suchen. Dabei werden Seilschaften Mittel zum Zweck. Die kurzzeitigen Bündnisse brechen schnell wieder auseinander - in Wahrheit ist jeder ein egoistischer Einzelkämpfer. Selbstvermarktung ist das einzige Interesse der Nachwuchsstars. Dabei buhlen die Schauspieler Edith Adam, Thomas Kügel, Bjarne Mädel und Sarah Masuch auf dem Weg der Selbstverwirklichung um die Gunst des Publikums. Der Autor macht in kurzen Szenen das Seelenleben seiner Protagonisten deutlich, ohne aber im klassischen Sinn eine Geschichte zu erzählen.
Mit dem Titel seines Stücks nimmt Karrenbauer Bezug auf die New Yorker Avantgarde-Band Velvet Underground, die Popart-Künstler Andy Warhol 1965 unter Vertrag nahm. Die Musiker, darunter Lou Reed und John Cale, erlangten auch durch ihren Mentor Warhol schnell Kult-Status. Die Hoffnung auf einen schnellen, durchschlagenden Erfolg ist es auch, der Karrenbauers vier Protagonisten mit Musikern zusammenarbeiten lässt. Wenn die Musiker Lieven Brunckhorst, Martin Engelbach, Dirk Ritz und Marco Schmedtje in der Inszenierung pausieren, greifen die karrieregeilen Showtalente selbst zu den Instrumenten, um ihrem Traum vom Ruhm ein Stückchen näher zu kommen.
Mit "Andy Warhol's Velvet Underground. Was wird in dieser Fabrik eigentlich hergestellt?" hat der 1967 im Saarland geborene Karrenbauer eine erste, beachtenswerte Regiearbeit am Hamburger Schauspielhaus auf die Bühne gebracht. Karrenbauer ist dort seit der Spielzeit 2000/2001 als Regieassistent tätig.