"Allein unter Bauern" Politikerklischees in Serie

  • von Peer Schader
Er wollte Außenminister werden und muss er als Dorfbürgermeister noch einmal anfangen: In der Sat.1-Serie "Allein unter Bauern" spielt Christoph M. Ohrt einen gescheiterten Politiker, der vom Regieren nicht genug kriegen kann - leider ein bisschen zu gemächlich.

Was müssen sie bei Sat.1 gelacht haben, als sie sich die Politikerklischees für ihre neue Serie ausgedacht haben: Politiker sind selbstsüchtig und krallen sich an ihrer Macht fest. Sie sind völlig unfähig, im Team zu arbeiten, weil sie zu jeder Zeit im Mittelpunkt stehen wollen. Politiker sind schmierig, arrogant, korrupt und tun in schönen Reden bloß so, als würden sie sich für die Probleme ihrer Wähler interessieren. Eigentlich kümmern sie sich aber einen Dreck darum.

Wäre das nicht lustig, wenn man all diese Klischees in eine einzige Person packen würde, die dann aber nicht richtig unsympathisch sein darf, sondern im Herzen gut sein muss, weil sonst ja beim nächsten Mal keiner mehr einschaltet? Nein, das wäre es nicht. Sat.1 hat es trotzdem probiert.

"Ausgerechnet Österreich!"

"Es ist Zeit, dass wir als Politiker endlich aufhören, an unserer Macht zu kleben, und für die Menschen arbeiten. Wir brauchen endlich mehr Ehrlichkeit!", schwärmt der EU-Abgeordnete Johannes Waller. Aber als die Kamera wieder aus ist, verfliegt sein Lächeln schnell, er motzt über "die von dem Medien", die alles falsch machen, und stößt alle Leute vor den Kopf, die ihm eben noch Glauben geschenkt haben.

Der Mann hat aber auch Pech gehabt! Eben noch sollte er Außenminister der Bundesrepublik Deutschland werden. Um das ausgiebig zu feiern, ist er mit der nächstbesten Brünetten ins Bett gehüpft, die da in der Kantine herumstand - und dummerweise die Frau des österreichischen Botschafters war, wie sich am anderen Morgen herausstellt, als die Paparazzi vor Wallers Hotelzimmer lauern. Ein Skandal! Und für Waller das Ende vom Traum als großer Staatsmann.

"Ausgerechnet Österreich!", stöhnt sein Assistent nachher. Und sein Chef fragt: "Wäre die Schweiz den besser gewesen?"

Schicksalhafter Kuh-Unfall

Dann rast Waller, gespielt von Christoph M. Ohrt ("Edel & Starck"), mit seinem Dienstwagen übers Land, um die Kanzlerin auf einer Tagung doch noch von seinen politischen Qualitäten zu überzeugen, weicht in einem kleinen Dorf einer Kuh aus, rammt einen Schuppen, wird von einer attraktiven Ärztin gesund gepflegt und bleibt nachher einfach als Bürgermeister da, weil er eh nichts mehr zu verlieren hat. Genau so hat Sat.1 sich das ausgedacht. Und schämt sich jetzt nicht einmal dafür.

"Allein unter Bauern" ist keine Serie über die Berliner Republik, kein zweites "Kanzleramt", mit dem das ZDF vor zwei Jahren so arg auf die Nase gefallen ist, sondern eher der Gegenentwurf dazu: eine Familienserie, die Politik lediglich als Projektionsfläche nutzt. Blöd nur, dass den Autoren nicht so richtig eingefallen ist, was sie überhaupt projizieren wollen. Außer ein paar Dorfrangeleien, die der Politiker aus Brüssel mit dem Landvolk auszutragen hat, weil er im Radio Sparmaßnahmen ankündigt, aber gleich danach den teuren Auftrag für die Renovierung des Rathauses vergibt.

Wie aus der Zeitmaschine

Es scheint ein Fluch zu sein, dass deutsche Serien immer so aussehen müssen, als seien die Produzenten für den Dreh zurück in die 80er Jahre gereist. In den USA kommen Autoren auf die Idee, Geschichten aus der Kleinstadtidylle zu erzählen, aber sie würzen sie so sehr mit Sarkasmus, dass etwas wie "Desperate Housewives" dabei herauskommt.

In Deutschland wird jede halbwegs gute Idee gleich familientauglich eingewickelt, dann wird ihr jede Schärfe entzogen und plötzlich ist "Allein unter Bauern" wieder nur eine Serie von vielen, in der sich niemand getraut hat, mal etwas anders zu machen.

Was hätte das spannend werden können, wenn Christoph M. Ohrt seinen Johannes Waller wirklich als furchtbaren Unsympathen hätte spielen dürfen, ohne dass die Zuschauer Mitleid für ihn empfinden, weil er so schlimm gescheitert ist. Und was hätte das ein Spaß sein können, wenn im (erfundenen) Dorf Kudrow nicht das liebenswert schrullige Stammtischvolk herumsäße, sondern eine Horde völlig durchgedrehter Landwirte mit spitzen Heugabeln warten würde? Soweit wollte beim Sender offenbar niemand gehen.

"San Francisco" zur Dorfidylle

Bei aller Kritik muss man aber auch sagen, dass "Allein unter Bauern" nicht wirklich schlecht ist. Ein paar Gags zünden tatsächlich. Als Waller am Morgen nach seinem Unfall aufwacht und sich völlig irritiert umzusehen beginnt, wo er denn hier gelandet ist, singt Scott McKenzie im Hintergrund "San Francisco" und über "gentle people with flowers in their hair". Von denen ist aber weit und breit keine Spur, man sieht bloß einen verstruwwelten Diplomaten in Feinrippunterwäsche.

Und trotzdem ist es in einer Zeit, in der alle über erfolgreiche US-Serien diskutieren, die oft allein schon an ihrer Machart zu erkennen sind, nun mal ziemlich leichtsinnig, eine deutsche Serie aufzusetzen, der ganz offensichtlich eine eigene Handschrift fehlt.

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