Was da wie ein Sack Kartoffeln ins Wasser fällt, ist ein Model. Platsch. Sie heißt Julia. Vielleicht auch Lena, Melissa oder Cäcilia. Wer weiß das schon. Wieder und wieder krabbelt sie die Leiter zum Drei-Meter-Brett hoch, stapft wie durch eine extradicke Schicht Patex zur Kante, Absprung, kurzer Luftkampf mit der Schwerkraft, platsch. Von unten ruft jemand: "Gib mir ein schönes Gesicht!" Das ist Heidi. 1A Personality, 2B Deutsch. "Auch wenn du ängstlich bist von innen", scrabbelt sie, "das ist die Kunst eines Models, das zu überspielen."
Wasser-Shooting. Boring. Interessant daran waren nur zwei Aspekte. Erstens: Die Fotografin war die Schwester von Lana Del Rey. Zweitens: In Los Angeles regnete es. Ganz anders dagegen Miami: Geiles Wetter, geile Videodrehs, geile Schuhdesigner, die Fabrice heißen. Und eine Handvoll durchgedrehter deutscher Modemagazin-Tanten.
Pornogrimassen auf der Besetzungscouch
Der Betriebsausflug von L.A. nach Florida stand unter dem Motto "Casting-Marathon". Zwei Tonnen CO2 pro Person hin, zwei Tonnen zurück. Die Kandidatinnen sollten sich selbst in der Stadt orientieren und fünf Termine wahrnehmen. Ersparen wir uns die Details. Das einzig Lustige an diesen Castings sind ja ohnehin die Typen, die ihre Fast-Fashion-Fummel promoten oder irgendwas in Miami drehen, was sie in Mannheim tausendmal billiger bekommen hätten.
Wie eben Fabrice Tardieu, ein Franzose, Typ Autotune-Rapper, der in den USA gestrandet ist und seine Sneaker mithilfe von "GNTM" auf dem deutschen Markt verkloppen will. Oder die Videotruppe um den deutschen "Singer-Songwriter" (Wikipedia) Nico Santos, der eigentlich Nico Wellenbrink heißt. Der suchte eine Hauptdarstellerin für sein neues Video. Profilbeschreibung des Regisseurs: "Wir brauchen ein natürliches Mädchen, was Bock hat, eine Nacht – unforgettable night in Miami – mit dem Auto rumzufahren und auf Dächer zu steigen." Natürlich hatten alle Bock, Autofahren ist immer gut. Dafür fläzten sich die Models neben Santos auf die Besetzungscouch und schnitten Pornogrimassen. Die Aufgabe: Sage Nico ohne Worte "Das wird eine geile Nacht".
"Man muss den Kunden mit seinem Aussehen und Auftreten einfach umhauen", diktierte Heidi Klum ihrer Zielgruppe ins Poesiealbum. In der Hinsicht liegt Vanessa, die karrieregeile Schreckschraube, ziemlich weit vorne, gefolgt von der mental etwas breiter aufgestellten Simone, die in der gestrigen Folge für ein Magazin-Shooting durch die Everglades schippern durfte. Knallersatz der Redakteurin für die Ewigkeit: "Die Natur ist hier sehr rough, durch die romantischen Kleider bringen wir da einen kleinen Break rein." Ein Krokodil machte kurz neben dem Boot Halt, schwamm aber leider weiter.
Ungeschminkt und im Nachthemd
Und dann gab es ja noch die Ring-Geschichte. Ein kreischendes "Erzähl, erzähl, erzähl!" und "Oh, wie süß!" zwischen Los Angeles und Miami von Smartphone zu Laptop. Die Klum, ungeschminkt und im Nachthemd, erzählte den aufgekratzten Kandidatinnen, wie ihre vier Kinder an Weihnachten früh morgens mit einem Tablett ans Bett kamen. Darauf eine Schatulle mit dem Verlobungsring. Wo sich Tom Kaulitz, der Drahtzieher der Aktion, zu dem Zeitpunkt befand, erzählte sie nicht. Lag er auch im Bett und kratzte sich – gerührt von sich selbst – seinen Zauselbart? Oder stand er "ängstlich von innen" auf der Veranda und rauchte? Und: Ist eigentlich etwas noch romantisch, wenn man es mit Millionen Leuten teilt?

Eine Sendungsstunde später war die Klum jedenfalls wieder in "Elimination"-Stimmung. "Elimination", was für ein hässliches Wort. Es erwischte Melissa, eine traurige Oberbayerin, für die der Rauswurf wie eine Arschbombe vom Zehn-Meter-Turm war. "Wir sind eine Familie bei GNTM", säuselte die Klum scheinheilig, "du wirst immer dazugehören. Verstehst du das?" Nee, verstand sie nicht.
