Dieser "Tatort" dürfte so etwas wie der feuchte Traum eines öffentlich-rechtlichen Fernsehredakteurs sein: Bei der Folge "Kaltstart" ist die Krimi-Handlung durch allerlei aktuelle Probleme aufgepeppt, die ihr Relevanz verleihen sollen. Es geht um staatlich-subventionierten Wahnsinn, geprellte Anleger, Schlepperbanden, Rüstungsgeschäfte. Und eine jäh beendete Liebesgeschichte kommt auch vor. Uff. Die Themendichte ist erschlagend. Entsprechend überfrachtet und undurchschaubar gestaltete sich der dritte Fall des Gespanns Falke und Lorenz, der eigentlich so etwas wie ein Neustart sein sollte.
Denn die ursprünglich in Hamburg angesiedelten Ermittler mussten sich eine neue Heimat suchen. Hamburg ist offenbar zu klein für zwei Typen vom Schlage eines Til Schweiger und Wotan Wilke Möhring. Zwar waren die Fälle des von Möhring gespielten Ermittlers Thorsten Falke schon von vornherein so angelegt, dass er das Umland beackert, während sich Schweiger im Zentrum austoben darf. Doch das klappte nicht so recht: Während Möhrings starkes Debüt tatsächlich in der Hansestadt spielte, führte ihn sein zweiter Fall auf die Nordseeinsel Langeoog, was auch mit viel Wohlwollen kaum als Hamburger Umland durchgeht.
Vieles bleibt im Nebulösen
Daraus haben die Macher nun die Konsequenz gezogen: Falke verlässt das LKA Hamburg. Und weil er mit seiner Kollegin Katharina Lorenz, hinreißend gespielt von Petra Schmidt-Schaller, beruflich wie privat gut harmoniert, wechselt die gleich mit. Noch bevor die beiden ihren Dienst bei einer Mobilen Fahndungseinheit der Bundespolizei antreten können, werden sie an den Jade Weser Port gerufen. Eigentlich sollten sie dort einen Schleuserring ausheben, doch nun geht es um Mord: Eine Polizistin ist beim Einsatz ums Leben gekommen. Für Falke war es mehr als eine Kollegin: Offenbar war es seine heimliche Geliebte. So genau erfährt man es nicht, wie so vieles in diesem "Tatort" bleiben auch hier die Hintergründe im Nebulösen.
Im Vordergrund der Handlung steht ein Schleuserring. Doch es geht um mehr: Wie sich schon bald herausstellt, befinden sich in den aus Afrika eingeschifften Containern nicht nur Menschen, sondern auch Waffen. Und die Drahtzieher der Verbrechen sind keine dahergelaufenen Menschenschmuggler, sie arbeiten im Auftrag eines ominösen Rüstungskonsortiums. Das bleibt allerdings merkwürdig gesichtslos. Den Superschurken eines James-Bond-Films ähnlich agieren die wahren Bösewichte nur im Hintergrund, haben aber mithilfe einer Überwachungsdrohne alles im Blick, vor allem über den aktuellen Ermittlungsstand der Kommissare sind sie stets im Bilde.
Großartig gefilmt
Und so gelingt es den Ermittlern letztlich nur, den von André Hennicke herrlich sinister gespielten Hintermann aufzuspüren. Doch bei einer Verfolgungsjagd - er wird sowohl von Falke als auch von einer Kampfdrohne seiner Auftraggeber gejagt - wird er erschossen. Von Falke. Am Ende gibt es viele Tote, und nichts wurde aufgeklärt. Immerhin: Die Folge (Regie: Marvin Kren, Kamera: Moritz Schultheiß) ist bestechend gefilmt. Die Bilder des trostlosen Containerhafens Jade Weser Port, in den Milliarden an Steuergeldern flossen, an dem aber zumeist gähnende Leere herrscht, haben Kino-Qualität. Für das verworrene Drehbuch entschädigen sie jedoch nicht.
Ihr Einstand im neuen Job ist Falke und Lorenz missglückt. Dennoch macht ihr neuer Job Hoffnung: Als Bundespolizisten können sie fortan überall ermitteln. Sie können den unseligen Jade Weser Port in Wilhelmshaven also umgehend verlassen. Der nächste Fall spielt dann in Oldenburg, 2015 darf das Duo wieder nach Hamburg. Es kann nur besser werden.