Das Aha-Erlebnis ist nun genau drei Wochen her. Es war Freitagabend, der 3. Januar 2014. Im Fernsehen lief die große Jubiläumsshow "30 Jahre RTL". Erwartungsgemäß mit den üblichen RTL-Nasen: Sylvie Meis, Hugo Egon Balder, Harry Wijnvoord und Hella von Sinnen. Gemeinsam plauderten sie über die Anfänge des Privatsenders. Über "Tutti Frutti", "Alles nichts oder" und "Der Preis ist heiß". Nostalgischer Kitsch, ja. Belangloses Geplänkel, ja. Aber trotzdem irgendwie unterhaltsam. Und plötzlich, mitten zwischen Erika Berger und Mike Krüger, wurde klar warum. Wegen ihm. Dem Dinosaurier der deutschen Fernsehunterhaltung: Thomas Gottschalk.
Es war eine Wohltat, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Der Moderator führte spontan, sympathisch und witzig durch die Show. Ein Gottschalk in Höchstform. Er war locker und entspannt, wie es nur Gottschalk sein kann. Ohne Peinlichkeiten wie bei Lanz. Ohne kindisches Geplänkel wie bei Joko und Klaas. Und ohne sich selbst allzu wichtig zu nehmen, wie diese Generation von glattgebügelten Moderatoren à la Marco Schreyl oder Steven Gätjen.
Lanz verbiegt sich - das konnte nur schief gehen
Genau deshalb muss er auch wieder "Wetten, dass ..?" moderieren. Das mag wenig innovativ sein, aber an Innovationen, so scheint es, ist das ZDF ohnehin nicht interessiert. Am Grundkonzept von "Wetten, dass ..?" hat sich seit über 30 Jahren nichts geändert. Es ist eine Familienshow, mit der eine ganze Generation groß geworden ist und die bei vielen Zuschauern Kindheitserinnerungen weckt. Das ist vermutlich auch ihr Erfolgsgeheimnis. Eine Show als Fels in der Brandung zwischen Casting-Müll, Hirschhausens Witzstunde und Volksmusiktümelei.
Auch Markus Lanz hat das längst erkannt. Statt "Wetten, dass ..?" neu zu erfinden, knüpfte er dort an, wo Gottschalk aufgehört hat. Allerdings glaubte er, sich selbst neu erfinden zu müssen. Aus dem etwas biederen Moderator mit dem strahlend weißen Lächeln sollte ein Entertainer werden. Ein Conférencier alter Schule, der den Smalltalk ebenso beherrscht wie spontane Comedy-Einlagen. Doch das ist gründlich daneben gegangen. Denn Lanz kann sich noch so sehr verbiegen - Spontaneität und Witz wird er in diesem Moderatorenleben nicht mehr lernen.
Gottschalk und "Wetten, dass ..?" gehören zusammen
Das heißt nicht, dass Lanz alles schlecht oder falsch macht. Doch auch er muss inzwischen eingesehen haben: Es passt einfach nicht. Die Kritiken sind vernichtend, inzwischen hat er sogar die öffentliche Meinung gegen sich. Mehr als 190.000 Menschen haben eine Petition für seine Absetzung unterzeichnet. Was er auch macht, er macht es falsch. "Wenn der Shitstorm kommt, müssen Sie in der Lage sein, gedanklich einfach mal die Spülung zu drücken. Wenn Sie das nicht tun, gehen Sie kaputt", sagte er im Interview mit dem stern. Doch inzwischen stellen sich selbst ihm wohlgesonnene Zuschauer die Frage: Warum tut er sich das an?
Auch über Gottschalk wurde, als er "Wetten, dass ..?" noch moderierte, pausenlos Häme ausgeschüttet. Zu oberflächlich seien seine Interviews, zu jovial seine Art gegenüber Talkkästen - von der Schleichwerbung für Gummibärchen ganz zu schweigen. Oft war die Kritik berechtigt. Doch Gottschalk und "Wetten, dass ..?" gehören einfach zusammen. Nur mit ihm wird die immer wiederkehrende Einfalt aus den immer gleichen Wetten, Talkgästen und Musikeinlagen erträglich. Eine perfekte Symbiose eben.
Sollte demnächst also wirklich eine Nachfolge für Herrn Lanz gesucht werden, wie einige Medien bereits munkeln, kann sich das ZDF eine wochenlange Nachfolgesuche sparen. Entweder die Show geht unter oder er kommt zurück. Thomas Gottschalk, das alte Zirkuspferd. Aber im Vergleich zu den Alternativen eben immer noch das beste Pferd im Stall.