Marco Schreyl hatte sich schon gefreut. "Gleich machen wir aus einem dieser vier Kandidaten ein kleines Häufchen Elend", hatte der Moderator vor dem Finale angekündigt und einem tränenreichen Showdown entgegen gegeifert. Aber nix da. "Fühlt sich nicht schlimm an", stellte Kim Debkowski nüchtern fest, als sie endlich vom Abstimmungsergebnis erfuhr. Sie hatte wohl schon vorher geahnt, dass sie keine Chance hatte. Nicht gegen die Jungs und nicht bei DSDS.
"Zieht euch warm an!", hatte die 17-Jährige mit verschnupfter Nase ihren Kandidaten-Kollegen vor der Show zugerufen. Aber schon da wusste man nicht so recht, ob das eine Drohung oder ein Tipp zur Erkältungsvorbeugung sein sollte. Da half es auch wenig, dass das Studio-Publikum in eingeschworenen Fanblocks die jeweils anderen Kandidaten niederbrüllte. Der Krawall der DSDS-Ultras lärmte ins Leere und auch dem Casting-Dauerbrenner ging langsam die Luft aus.
Ein Käfig voller Narren
Die RTL-Unterhaltungsindustrie, so scheint es, durchlebt eine kleine Strukturkrise. Ist ja auch kein Wunder, nach allem, was Stefan Raab, die ARD und Pro7 da angerichtet haben: Eine 18-jährige Abiturientin aus Hannover mit Doppelnamen und Brille belegt mit gleich drei Songs die Top Five der deutschen Charts.
Mehr als fraglich, ob Bohlens bröckelnde Marktmacht dem noch was entgegen setzen kann, ob das DSDS-"Gesamtpaket" gegen das Eurovision-Sternchen Lena Meyer-Landrut überhaupt eine Chance hat. Dem Oberjuror Bohlen jedenfalls scheint die Lust am Lästern vergangen zu sein, selbst seine deftigen Ostereier-Sprüche der vergangenen Jahre ließ er diesmal in seinem Zitat-Zettelkasten.
Sinnigerweise wählte man bei RTL "Neu versus Alt" zum Motto der siebten Liveshow. Noch bevor es für Kim ans Singen ging, konnte sie ein alternatives Erwerbsmodell testen und als "Kim Gloss" Schmink-Tipps präsentieren. Doch auch wenn Moderator Schreyl nicht müde wurde, sie danach als "Stil-Ikone" und "Mode-Queen" anzukündigen - die Auftritte von Kim Debkowski wirkten eher wie ein missglücktes Remake von "Ein Käfig voller Narren": Halb Trash-Tuntenball, halb Science-Fiction-Funkenmariechen stapfte die Hamburgerin zu Baccaras Disco-Oldie "Yes Sir I Can Boogie" mit Lackstiefeln und einer dekorativen Klobrille auf dem Kopf über die Bühne.
Zumindest Kims Verkleidungswut bekam einhelliges Lob von der Jury: "Meine Augen wollen mehr sehen, als meine Ohren noch ertragen können", sagte Juror Volker Neumüller. Auch Bohlen fand das optische Engagement vorbildlich - wenn da nur nicht diese "Scheißstimme" (Bohlen) wäre.
Aerobic-Choreografie und Buchstabensuppe
Manuel Hoffmann, der für den disqualifizierten Kokser Helmut Orosz nachgerückt war und sich noch immer artig für die zweite Chance bedankte, punktete mit dem Snow Patrol-Klassiker "Chasing Cars" und Nick Strakers "A Walk In The Park", bei dem er mit seiner Jogging-Choreografie eher wie ein Aerobic-Trainer wirkte. "Vielleicht bist du verliebt?", rätselte Bohlen über das plötzliche Formhoch des 19-Jährigen, Nina Eichinger vermutete sogar: "Vielleicht bist du plötzlich erwachsen?"
Blieben noch die beiden Bohlen-Lieblinge Mehrzad Marashi und Menowin Fröhlich. Doch ausgerechnet der scheinbar geläuterte Ganove machte der Jury Kummer: Zuerst war er für eine Woche aus dem DSDS-Camp geflohen, dann versemmelte er den Text von Milows "Ayo Technology" (Bohlen: "Die Strophen waren Buchstabensuppe") und brüllte schließlich "Celebration" von Kool & The Gang zusammen (Bohlen: "Man merkt, dass die Nerven blank liegen"). Lediglich Mehrzad Marashi legte mit Gnarls Barkleys "Crazy" einen souveränen Start-Ziel-Sieg hin und schmachtete schließlich durch die "Unchained Melody" von den Righteous Brothers mit vibrierender Stimme und viel Falsett.
Dass Mehrzad und Menowin das Finale unter sich ausmachen, ist zumindest für die Jury eine klare Sache. Vielleicht können sie ja gegen das Phänomen Lena Meyer-Landrut auftrumpfen.
Kim Debkowski konnte es nicht. Tröstlich jedoch waren ihre Abschiedsworte, als sie das Feld räumte: "Ich werde viel Gutes mitnehmen auf meinen Weg". Und als sie Marco Schreyl, der inzwischen vom "kleinen, tapferen Mädchen" fabulierte, beim Abgang einfach ignorierte, ahnte man, dass sie mindestens genauso viel Schlechtes hinter sich lassen wird.