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ZDF Magazin Royale "Ahoi, Matrosen": Jan Böhmermann nimmt sich die Seefahrt vor – und zeigt gravierende Missstände auf

TV-Moderator und Satiriker Jan Böhmermann nimmt sich in der aktuellen Folge seiner Show die deutsche Schifffahrt vor. 
TV-Moderator und Satiriker Jan Böhmermann nimmt sich in der aktuellen Folge seiner Show die deutsche Schifffahrt vor. 
© Henning Kaiser / DPA
"Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön": TV-Moderator Jan Böhmermann stimmt die aktuelle Folge seiner Late-Night-Show mit Schunkelmusik an. Doch ganz so schunkelig bleibt es nicht lange – es geht um die Untiefen der deutschen Schifffahrt. 

Der Blick auf das offene Meer kann sich nachweislich beruhigend auf uns auswirken. Aus gutem Grund zieht es die meisten Deutschen für den Urlaub ans Wasser. Aber die aktuelle Folge von Jan Böhmermanns Late-Night-Show "ZDF Magazin Royale" dürfte sich wenig entspannend auf all jene auswirken, die von großer Seefahrtsromantik träumen. Der Satiriker hat sich dieses Mal die Schifffahrt in Deutschland einmal genauer angeschaut – und gewährt Einblicke in die Welt der Reedereien, die so ganz und gar nichts Romantisches an sich haben. Aber von vorne. 

Gleich zu Beginn der Folge fällt auf, Böhmermann ist dieses Mal besonders patriotisch unterweg: Er begrüßt seine Gäste mit der Deutschlandflagge in der Hand. Nach einer kurzen patriotisch anmutenden Rede kommt der Moderator aber direkt zum Kernthema der Folge: Mit einer maritimen Seemannsmütze auf dem Kopf stimmt er ein Seemannslied an – und verkündet, dass es auf hohe See geht.

Deutschland ist auf Schifffahrt angewiesen 

Aber eben nicht auf die romantische, erholsame Art und Weise: "Die Seefahrt ist viel mehr als Schlemmerfilet Bordelaise und 14 Tage All Inclusive Urlaub." Stattdessen hält er stolz einen Rettungsring der "MS Albatross" hoch, einem ehemaligen Filmschiff des Bayerischen Rundfunks, den er für knapp 300 Euro gekauft hat – in Indien. Ohne aufzuklären, wie er an das Requisit aus Indien gekommen ist, geht er direkt ans Eingemachte: Deutschland als Exportland brauche die Seefahrt, sie gelte als schnell, effizient und günstig.

Warum? Der Moderator hat da eine Vermutung: "Auf hoher See gibt es keine Klima-Kleber.“ Fakt ist deshalb: 90 Prozent von einfach allem war irgendwann mal auf einem Schiff. Deutschland verfügt über 12,5 Prozent der weltweiten Containerschiffkapazitäten und liegt damit auf Platz zwei im Weltranking, oder wie Böhmermann es nennt: "Deutschland ist Containerschiffahrtskapazitäten-Vizeweltmeister."

Obwohl das auf den ersten Blick alles erstmal positiv klingt, wird schnell klar: Auch in diesem Fall möchte Böhmermann den Finger in die Wunde legen. Oder sagen wir: Er bohrt mit dem Finger aktiv in die Wunde. Die Wunde, das sind in dem Fall die Bedingungen, unter denen die deutsche Schifffahrt derzeit betrieben wird. Der TV-Moderator erklärt das Ganze in etwa so: Die Schifffahrt befindet sich seit Jahren im Aufschwung, weil Reedereien in Deutschland steuerlich bevorzugt werden.

Wie Hapag-Lloyd Milliarden scheffelt

Reeder zahlen weder Lohnsteuer noch müssen sie ihren Gewinn versteuern. Die einzige Steuer, die anfällt, ist die sogenannte Tonnagesteuer. Sie berechnet sich anhand des Ladevolumens, nicht des Wertes. "Es ist dem Finanzamt in Deutschland also komplett egal, ob ein Schiff randvoll ist mit Diamanten oder ob in dem Container nur ein kleiner sprechender Scheissbär mit Mütze drin ist“, bringt es Böhmermann auf den Punkt. Mit dem Bären meint er übrigens Paddington. 

Am Beispiel von Deutschlands größter Reederei Hapag-Lloyd zeigt er auf, wie absurd das Ganze ist: Die habe im letzten Jahr 17,5 Milliarden Euro Gewinn gemacht und musste davon 1,15 Prozent versteuern. Würde es sich dabei um eine Spedition an Land handeln, wären mindestens 15 Prozent Steuern angefallen. Ziemlich unfair eigentlich, das bestätigt auch der Hapag-Lloyd-Besitzer Klaus Michael Kühne in einem NDR-Gespräch. Ändern tut er an der Regelung trotzdem nichts. 

Finanzielle Bevorzugung von Reedereien ist schonmal einen Aufreger wert – aber leider nur die Spitze des Eisberges der Untiefen in der deutschen Schifffahrt. Denn der Grund für die niedrigen Steuern ist offiziell, Deutschland als Standort für die Schiffe attraktiver zu machen. Klingt erstmal logisch, in der Theorie. In der Praxis fahren allerdings lediglich 270 der insgesamt 1686 deutschen Handelsschiffe auch unter deutscher Flagge. Verwirrend, oder? Auf den ersten Blick definitiv.

Kaum Schiffe unter deutscher Flagge unterwegs 

Allerdings nur, bis man den Mechanismus dahinter durchschaut. Böhmermann fasst das so zusammen: "Deutsche Reedereien habe schon viele Vorteile, wollen aber trotzdem noch mehr." Und weil die Besitzer der Schifffahrtsunternehmen auf gut deutsch gesagt den Hals nicht vollkriegen, wenden sie eine Taktik namens Ausflaggen an. Dabei wird grob gesagt im Ausland eine Briefkastenfirma gegründet, um die Flagge des Landes annehmen zu können. Das Ziel: Die Regeln des Flaggenstaats übernehmen und damit die deutschen (vergleichsweise strengen) Gesetze umgehen. 

"Ist doch lustig, dass nur auf 16 Prozent aller deutschen Handelsschiffe auch deutscher Arbeitsschutz gilt", sagt Böhmermann. Aber die Realität ist alles andere als lustig: Die Seeleute werden dramatisch unterbezahlt, es herrschen teilweise hygienische Missstände und unmenschliche Arbeitszeiten. Von Sozialleistungen oder deutschem Arbeitsschutz ist an Bord der Schiffe kaum die Rede. Dadurch sparen die Reeder wiederum noch mehr Geld. Ist das jetzt verwerflich? Vermutlich. Aber illegal in den meisten Fällen eben nicht, durch entsprechende Gesetzeslücken. 

"Was können Reeder dafür, dass sie machen, was die dürfen?", fragt Böhmermann – mit zugegeben ironischem Unterton. Und doch ist die Frage berechtigt. Denn möglich gemacht wird die systematische Ausbeutung auf deutschen Schiffen durch Gesetze, die von der Politik gemacht werden. Ein eben solches Gesetz ist übrigens auch der Grund dafür, dass Böhmermann seinen Rettungsring der "MS Albatross" in Indien kaufen konnte. Dort ist das Schiff auf dem weltweit größten Schiffsfriedhof gelandet – zum Ausschlachten neben etlichen anderen Schiffen, die teilweise Quecksilber-verseucht sind und die Umwelt selbst stillgelegt belasten. Böhmermanns Fazit: "Tja, Seefahrt hat eben nicht immer ein Happy End."

Quelle: ZDF Magazin Royale

lz

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