Im Motodrom DSDS ist kein Platz für Magie. Normalerweise. Hier steht der Pfusch-Pop auf dem Programm, der so klingt, wie Red Bull schmeckt: hundert Prozent künstlich, hundert Prozent knallig, hundert Prozent Kacke. Doch dann betrat ein junger Mann die Bühne. Ganz allein stand er da, das Mikrofon umklammert, und sang ein Lied, das ausnahmsweise mal nicht aus Leim und Zucker war: "Wonderful Life" von Hurts. Das war ein wirklich magischer Moment in der "Superstar"-Geschichte – vor fast genau einem Jahr, als der damals 16-jährige Sebastian Wurth im einsamen Scheinwerferlicht stand. Dieter Bohlens damaliger Kommentar, der gleich wieder alles kaputt machte: „Du hast die Leute viagramäßig hochbekommen.“
Dass Bohlen in diesem Jahr gerne den Schweizer Luca Hänni "viagramäßig hochbekommen" würde, nämlich auf den "Superstar"-Thron, ist bekannt. Woche für Woche bescheinigt er dem 17-jährigen Maurerlehrling mit dem Zementgrinsen eine perfekte Performance. Auch gestern wieder in der sechsten Mottoshow, als Hänni eben jenen Hurts-Song zum Besten gab. Seine Interpretation war so prickelnd wie Blasentee. Ohne Schnitzer zwar, aber auch ohne einen Funken Esprit spulte der Schweizer sein Repertoire herunter. Das besteht aus drei Bs: Bubi, Body und Belanglosigkeit.
Pin-up-Boy in der "Bravo"
Die Vermarktung des Schweizer Schwiegersöhnchens läuft schon auf Hochtouren. Im Auftrag der "Bravo" ließ er sich mit nacktem und ölverschmiertem Oberkörper in einer Autowerkstatt ablichten – als Pin-up-Boy für die feuchten Träume der jungen Leserinnen. Deren Fantasien hätte man sich im Jahr 2012, ehrlich gesagt, ein wenig ambitionierter vorgestellt. Was Hännis vornehmlichste Aufgabe ist, machte Bruce Darnell in der Show unmissverständlich klar. "Kannst du CDs verkaufen?", fragte er und gab gleich selbst die Antwort: "Ja!" Der Eidgenosse soll die nächste Hochleistungskuh im Stall von RTL werden. Doch ist in ihm wirklich dauerhaft was zum Abmelken drin?
Während Heidi Klum, der anderen Veteranin des deutschen Castingfernsehens, in ihrer aktuellen Staffel mit der Kandidatin Luisa tatsächlich erstmals ein wirkliches "Topmodel" zugelaufen sein könnte, hat Bohlen wieder keinen "Superstar" in seinen Reihen. Luca Hänni ist ein potentieller Bestseller für einen Sommer, mehr nicht. Selbst dafür sollte ihm ein Vocalcoach ein halbwegs knitterfreies Englisch beibringen, das nicht nach Ricola tönt. Sein Landsmann Jesse Ritch, Bohlens zweite Wahl, ist der bessere Sänger, aber noch eine Spur öder. Von seinen beiden Auftritten gestern blieben lediglich eine recht verstörende Gasmasken-Choreographie in Erinnerung und eine Kussattacke Bruce Darnells, der wieder wie auf Ritalin durch den Abend tobte.
"Ich würde ein Kilo Hackfleisch in die Charts kriegen"
Einen ganz schwachen Tag hatte Fabienne Rothe erwischt. Ihr Stimmchen flatterte mit und ohne Stecker. "Du hast gesungen", ätzte Bohlen, "als hätte eine Ziege Schluckauf." Rothes Glück war, dass Joey Heindle noch schlechter sang. Der spleenige Münchner jaulte sich wie gewohnt um Kopf und Kragen, konnte sich bis jetzt aber immer auf seine große Fan-Base vor den Fernsehern verlassen. Bohlen resigniert: "Vor 20 Jahren habe ich gesagt, ich würde ein Kilo Hackfleisch in die Charts kriegen – du schaffst das auch." Und: "Der schiefe Turm in Italien ist auch beliebt, der wurde auch noch nicht abgerissen." Doch diesmal irrte der Oberjuror: Heindle musste seine Koffer packen. Irgendwann springt eben auch ein "Eddie The Eagle" einfach zu kurz.
Zum echten und einzigen Überflieger der Show mausert sich dagegen mehr und mehr Daniele Negroni. Bruce Darnell bemühte einmal mehr seine Lieblingsmetapher von der Rakete: "Du kommst von gar nichts und bist aufgegangen wie ein Rocket." Einmal brüllte er mehrmals hintereinander Danieles Namen ins Publikum, als hätte er endgültig den Verstand verloren. Negroni ist in der Tat der kompletteste Kandidat: Er hat eine bemerkenswerte Rockröhre, kann rappen und tanzen wie ein Derwisch und sieht nicht aus wie der uneheliche Sohn von Enrique Iglesias. Genau diese Kombination scheint Bohlen Sorgen zu machen. Er lobte den 17-Jährigen zwar höflich, weiß aber auch, dass der zu seiner Hitfabrik ungleich schlechter passt als die beiden Schweizer Langweiler.
Nur an seiner Songauswahl muss Negroni noch arbeiten. Er sang das schrecklichste aller Lieder von der schrecklichsten aller Bands: Bon Jovis "It's my Life". In der Hinsicht bewies Sebastian Wurth vor einem Jahr besseren Geschmack. Gebracht hat ihm das allerdings wenig. Er schied in der sechsten Mottoshow aus und wurde am Ende nur Fünfter.