MipTV in Cannes Die Rückkehr des Löffelverbiegers

Auch auf der Fernsehmesse MipTV, die derzeit in Cannes stattfindet, ist der Klimawandel ein Thema. Doch an der glamourösen Croisette muss das nicht zwangsläufig mit persönlichen Entbehrungen einhergehen. Weitere Trends: Wackel-Videos, TV-Game-Kombis und - der Löffelverbieger Uri Geller kommt zurück.

Die Sonne strahlt über der Cote D'Azur, die Jachten schaukeln sacht im Hafen, schöne Menschen gehen teuer essen - Cannes lebt das Klischee, aber erst mal wird es ernst: Kann das Fernsehen die Welt retten? "Green TV" heißt der neue Trend, der die internationale Programm-Messe MipTV bewegt, die in diesen Tagen in Cannes stattfindet. Über 4000 Firmen haben dazu Vertreter an die französische Riviera entsandt: um TV-Ware zu sichten, sie zu kaufen oder zu verkaufen. Das weltweit erstarkte Umweltbewusstsein, Al Gores Kampagne als Warnung vor dem Klimawandel - all das hat diesmal auch die TV-Branche erreicht. Und so entdecken Programm-Macher das Gute in sich und diskutieren die Frage, ob "grünes Fernsehen", also Umwelt-Dokumentationen, künftig zur Hauptsendezeit der großen Kanäle ausgestrahlt gehören.

Und auch sonst gibt sich die Branche öko: Der französische Star-Fotograf Yann Arthur Bertrand wird für seine Serie "Earth from Above" ("Die Welt von oben") in Cannes mit dem "Green World Award" geehrt. Welt-Verbesserer Bob Geldorf schließlich kam am Dienstag eingeflogen und hat ein Projekt zur Rettung menschlichen Kulturerbes aus der Taufe gehoben. Man konnte es deutlich spüren in den noblen Hotels an der Croisette: Der Kampf gegen die globale Erwärmung muss nicht zwangsläufig mit persönlichen Entbehrungen einhergehen.

Ansonsten benimmt sich das TV-Volk derzeit ziemlich aufgekratzt. Das liegt vor allem an den vielen Videoclips im Internet, die private Nutzer ins Netz stellen. Derartige Kurzfilme werden oft millionenfach abgerufen. Die Hitliste führt derzeit ein kurzes Video mit Tanzszenen unter dem Titel "The Evolution of Dance" an, das auf der Internet-Plattform YouTube läuft. Über 45 Millionen Mal wurde es schon angeklickt - eine Zahl, von der TV-Branche und Werbeindustrie nur träumen können. Und so fragt sich die TV-Szene, wie sie sich künftig solche Trends zu Nutze machen kann: Durch neue Kanäle, die sich ähnlichen privaten Film-Materials bedienen? Oder durch juristischen Druck: Vielfach verletzen YouTube und Co mit ihren Kurzvideos das Urheberrecht der Etablierten.

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Geteiltes Branchen-Echo auf Wackel-Filmchen

Eine Antwort darauf hat die Branche bislang noch nicht gefunden. Ein Teil reagiert euphorisch auf die Wackel-Bilder und sieht hierin enorme Geschäfts-Chancen. Rick Sands von dem Hollywoodstudio Metro Goldwyn Mayer hingegen, der die traditionelle Fraktion vertritt, mag bei den neuen Trash-Filmchen gar nicht hinsehen: "Mal im ernst", rief Sands während einer Podiumsdiskussion einem jungen Wilden zu: "Wer will sich das ernsthaft im Fernsehen angucken? Wen interessiert der Mist?"

TV-Game-Zwitter vom "Big Brother"-Produzent

Nur in einem Punkt ist sich die Branche einig: Künftig wird Fernsehen nicht mehr nur via Kabel und Satellit abgespult, sondern es wächst mit Internet und Mobilfunk zusammen. Einige Firmen reagieren bereits darauf. Der "Big Brother"-Produzent Endemol etwa will zusammen mit dem Computer-Spiele-Hersteller Electronic Arts einen Zwitter von TV und Game entwickeln: Internet-Shows, in denen sich Teilnehmer virtuelle Alter-Egos zulegen können. Erst wer sich hier gegen seinen Mitspieler durchsetzt und zu Berühmtheit gelangt, kann in die reale Welt des Fernsehens einziehen.

Ein anderes Beispiel ist der israelische Telenovela-Betreiber Dori Media, der an einen Kanal für Deutschland bastelt: Das Unternehmen bereitet Serien auf der Basis eines einzelnen Drehbuchs und mit denselben Schauspielern von vorn herein für verschiedenen Abspielkanäle vor: mit unterschiedlichen Sequenz-Längen, in verschiedenen technischen Qualitäten und mit variierenden Episoden-Zahlen.

Contergan-Film wegen Rechtsproblemen bisher unverkäuflich

Das traditionelle Fernseh-Programm - den Krimi, die TV-Schnulze, die große Samstag-Abend-Show - das alles gibt es natürlich auch noch. Es macht nur weniger von sich reden in diesen Tagen. Ein engagiertes Programm aus Deutschland ist zum Beispiel der Film "Eine einzige Tablette" über den Contergan-Skandal aus den 50er Jahren. Der Zweiteiler, den die Produzenten Zeitsprung und Eos für die ARD drehten, darf wegen rechtlicher Winkelzüge des damaligen Contergan-Herstellers Grünenthal derzeit nur in Ausschnitten auf der Messe präsentiert werden - die Ausstrahlung in Deutschland wird seit mehr als einem Jahr blockiert. So ist der Film nahezu unverkäuflich.

Mentalist sucht Hexenmeister

Ein Comeback gibt es allerdings noch zu vermelden aus Cannes: das von Uri Geller. Der Mann, der einst in Deutschland durch das Verbiegen von Löffeln per Willenskraft bekannt wurde, kommt voraussichtlich als Gastgeber einer TV-Show zurück, wahrscheinlich bei Pro Sieben oder Sat1. Sie heißt "The Successor" und ist eine Casting-Show. Uri Geller, der als Beruf "Mentalist" angibt, gibt dabei den Zeremonienmeister und sucht aus einer Reihe von Kandidaten denjenigen aus, der ähnliche Fähigkeiten besitzt wie er selbst. TV-Deutschland sucht also bald nicht mehr den Superstar. Gefahndet wird nach einem Hexenmeister.

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