Hamburg. Ein Nobelhotel in der Nähe der Reeperbahn. Die Suite in der oberen Etage. Die drei sitzen auf einem roten Samtsofa, mustern mich. Mein Platz ist gegenüber. Allein und etwas verloren - wie bei einem Vorstellungsgespräch. Und so als würde nicht gleich ich, sondern sie die Fragen stellen. Puh, so fühlen sich also die Kandidatinnen der neuen Popstars-Staffel, wenn sie vor Stefanie Heinzmann, Miss Platnum und Bella Garcia sitzen.
RTL2 startet am Montagabend ein Fernsehexperiment. Drei Jahre nach dem Quotendesaster und dem vorzeitigen Ende der letzten Popstars-Staffel holt der Sender die Castingshow, die einst die No Angels hervorgebracht hat, aus der Versenkung. Ohne Detlef D. Soost, der sich inzwischen lieber um seinen Sixpack sorgt, dafür mit drei hochkarätigen Jurorinnen: Stefanie Heinzmann, Miss Platnum und Bella Garcia. Sie sollen der Garant dafür sein, dass nichts mehr so ist wie vorher. Wie soll das gehen?
Frauenpower für die Jury
"Popstars 2015 ist vom ganzen Konzept her, von allem was wir machen, eine neue Sache. Auch von der Jury. Wir sind drei Frauen, uns gab's noch nie. Wir machen unser eigenes Ding", sagt Stefanie Heinzmann überzeugt. Die Schweizerin, die einst von Stefan Raab entdeckt und mit dem Song "My Man Is A Mean Man“ bekannt wurde, kann sechs der insgesamt elf aus "Popstars" hervorgegangen Bands nennen: "No Angels, Bro'sis, Queensberry, Preluders, Nu Pagadi, Some and any. Das waren doch jetzt schon 'ne Menge, oder?" Ja. Vermutlich mehr, als den meisten Zuschauern einfallen würden.
Denn außer den No Angels, Bro'sis zu Beginn und vielleicht noch Monrose hat "Popstars" keine nennenswert erfolgreichen Bands hervorgebracht. LaVive und Melouria? Kennt kein Mensch. Hinzu kommt die allgemeine Castingshow-Müdigkeit in Deutschland. "X-Factor" ist längst abgesetzt und "The Voice" und "DSDS" haben mit einem anhaltenden Quotenschwund zu kämpfen. Da gehört schon Mut dazu, nun mit einer umgekrempelten "Popstars"-Variante an den Start zu gehen. Warum geben sich drei erfolgreiche Künstlerinnen für sowas her?
"Sehen wir aus, als wollen wir jemanden vorführen?"
"'Popstars 2015' ist ein Karrieresprungbrett für die Kandidatinnen, und ich habe die Möglichkeit, ihnen dabei zu helfen", sagt Ruth Maria Renner, besser bekannt als Miss Platnum. Die 34-jährige Sängerin und Songwriterin, aus deren Feder "Lila Wolken" stammt, will mit dem alten Konzept von "Popstars", bei dem Kandidatinnen auch mal vorgeführt wurden und in dem es gegen Ende mehr um persönliche Schicksale und weniger um die Musik ging, nichts zu tun haben. "Sehen wir aus, als wollen wir jemanden vorführen? Ich hab da keinen Bock drauf. Ich sehe das als Neuanfang für Popstars, schließlich sitze ich in der Jury."
27 Kandidatinnen werden bei "Popstars 2015" darum konkurrieren, von der Jury in eine neue Band gewählt zu werden und einen Plattenvertrag zu bekommen. Anders als früher konnten sich die Teilnehmerinnen nicht selbst bewerben, sondern wurden gescoutet. Das soll garantieren, dass keine Casting-Opfer, sondern echte Talente in der Show zu sehen sein werden. "Die Kandidatinnen mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Alle können singen, manche spielen Instrumente, andere können auch tanzen. Aber alle sind auf einem bestimmtem Niveau", erklärt Miss Platnum. "Wir suchen eine zeitgemäße Band.“
Die Rollen sind in der Jury klar verteilt. Heinzmann ist für die Stimme zuständig. "Ich liebe schöne Stimmen, achte auf eine gute Technik und die Harmonien.", sagt sie. Bella Garcia, die dritte des "Popstars"-Triumvirat, zeichnet sich für für Choreografie, Tanz und die Fitness verantwortlich. Und Miss Platnum achtet auf das Komplettpaket: "Ich werde gerne unterhalten, ganz gleich auf welche Art und Weise! Ob mit Charakter, Charisma oder weil die Kandidatin einfach 'Eier' hat. Natürlich gehört dazu Gesang und eine tolle Stimme."
Castingshow mit Niveau
Wenn es den drei ambitionierten Jurorinnen am Ende gelingt, genau das zu finden, könnte "Popstars 2015" tatsächlich an frühere Erfolge anknüpfen. Ausgerechnet RTL2, der Sender, der sonst mit den "Geissens" und "Frauentausch" eher am unteren Ende der Geschmacksgrenze Zuschauer anzieht, würde damit deutlich an Profil gewinnen. Und Deutschland hätte vielleicht statt den aktuellen Castingshowsiegern Severino Seeger ("DSDS") oder Charley Ann Schmutzler ("The Voice") echte Popstars. Bleibt zu hoffen, dass die Zuschauer die hohen Ansprüche der Jury und die Castingshow mit Niveau goutieren.
So streng wie die drei Jurorinnen wirken, sind sie gar nicht. Schon gar nicht zu ihren Kandidatinnen. Zu einem Redakteur, der sie frech über ehemalige "Popstars"-Kandidaten ausfragt, aber schon. Zum Trost putzt mir Stefanie Heinzmann am Schluss sogar die Brille.
"Popstars 2015" läuft ab sofort immer montags um 20.15 Uhr auf RTL2.