Wassili Ignatenko war einer der ersten Feuerwehleute, die zum Kernkraftwerk von Tschernobyl eilten, als es dort in den frühen Morgenstunden des 26. April 1986 zu einer Explosion kam. Sich der Gefahr nicht bewusst, versuchte er mit seinen Kollegen die Flammen zu löschen - vergebens. Innerhalb weniger Minuten erhielt er eine tödliche Strahlungsdosis. Zwei Wochen später starb er unter Qualen in einem Moskauer Krankenhaus.
Seine Frau Lyudmila Ignatenko blieb die ganze Zeit an der Seite ihres Mannes und bezahlte dafür mit dem Leben ihres ungeborenen gemeinsames Kindes.
3000 Dollar "einfach nur dafür, dass Sie existieren"
Die US-amerikanisch-britische Serie des Senders HBO "Chernobyl" machte sie zu einer der Hauptfiguren. Nun erhebt sie schwere Vorwürfe gegen die Macher. Sie sei vor dem Dreh der Serie nicht kontaktiert worden, sagte Ignatenko in einem Interview mit der BBC. "Als ich herausfand, dass es einen Film über mich geben würde, fühlte ich mich verletzt", so die Ukrainerin.
"Es hat einen Anruf aus Moskau gegeben. Man erzählte mir, dass man einen Film gedreht habe, aber es ihnen nicht gelungen sei, mit mir in Kontakt zu treten." Ihr seien in dem Gespräch 3000 Dollar angeboten worden. "Ich habe gefragt wofür?", erzählte sie weiter. "Einfach nur dafür, dass Sie existieren", habe man ihr geantwortet. Sie lehnte ab und legte auf. "Ich dachte, das ist eine Art Betrug."
Seit der Ausstrahlung der Serie werde sie angefeindet. "Die Leute sagen, dass ich mein Baby getötet habe", erzählte Ignatenko. Zum Zeitpunkt der Tschernobyl-Katastrophe war sie schwanger, blieb aber trotzdem an der Seite ihres Mannes, obwohl er verstrahlt war. "Man fragt mich, warum ich am Bett meines Mannes war, obwohl ich wusste, dass ich zu der Zeit schwanger war. Aber sagt mir: Wie hätte ich ihn verlassen können? Ich dachte, dass Baby sei sicher. Damals wussten wir nichts über Strahlung", sagte sie in dem Interview. Das Kind war kurz nach der Geburt gestorben.
"Chernobyl"-Macher HBO bestreitet die Vorwürfe
Unter Tränen erinnerte sich Ignatenko an einen der letzten Augenblicke, den sie mit ihrem Mann geteilt hatte. Auf seinem Sterbebett liegend habe er ihr eines Tages drei Nelken geschenkt. Es sollten die letzten Blumen sein, die sie von ihm bekam. "Wir wussten nicht, dass dies der letzte romantische Moment sein würde, den wir miteinander teilen." Nach dem Tod ihres Mannes hat sie nie wieder geheiratet.
Nun werde sie von Reportern gejagt: "Es gab Leute, die mich bis in meine Wohnung verfolgt haben. Einmal haben Journalisten sogar meine Tür mit dem Fuß aufgehalten und versucht, Interviews mit mir aufzunehmen", berichtete sie.

HBO und Sky, wo die Serie ausgestrahlt wurde, bestreiten jedoch Ignatenkos Vorwürfe. "Lyudmila hatte die Möglichkeit, am Storytelling-Prozess teilzunehmen und uns Feedback zu geben", hieß es in einer Stellungnahme. "Während dieses Austauschs äußerte sie zu keinem Zeitpunkt den Wunsch, dass ihre Geschichte oder die ihres Mannes nicht erzählt wird. Die Filmemacher haben alle Anstrengungen unternommen, um ihre Geschichte und die aller von dieser Tragödie Betroffenen mit Authentizität und Respekt darzustellen."