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Kurzkritiken zum neuen Hamburg-"Tatort" Das Beste an Schweiger? Fahri Yardim!

Til Schweigers Einstand als "Tatort"-Kommissar spaltet die Fernsehnation - und auch die stern.de-Redaktion. Von "bestes Kino" bis "90 Minuten Rumgeeiere" ist alles dabei. Zehn Kurzkritiken.

Unterhaltung ohne erhobenen Zeigefinger
Natürlich, viele Experten meckern: "Tatort" ist kein "Stirb langsam", die Schweiger-Tochter keine Schauspielerin, Nuscheln keine Mimenkunst. Mag alles sein. Ich fand den ersten Schweiger-"Tatort" gut. Weil er ehrlich war. Dieser Krimi wollte unterhalten, er wollte den Bauch ansprechen, weniger das Hirn. Das gelang. Und dabei war er nicht trivial. Er mied die zwei Hauptplagen anderer Folgen der ARD-Krimireihe: Die "Derrick"-Masche - das eben Geschauspielerte noch mal ausführlich zu erklären. Und die "Zeigefinger"-Masche - das Böse der Welt mehrmals auf Wikipedia-Niveau zu kritisieren. "Willkommen in Hamburg" hatte auch seine Moral, sogar ganz schön viel davon, aber er ließ Bilder sprechen, einige Comicbilder, manche gute Gags, passende Dialoge. Ich freue mich auf die nächste Folge, auf den lustigen Partner, die coole Staatsanwältin und den Cop mit der Dauer-Marmelade im Gesicht. (Frank Thomsen)

"Stirb langsam" ohne Willis


Krachbummpeng! Und aus Staubwolke tritt: Til Schweiger. Das Gesicht versteinert, die Haut martialisch mit Schnittwunden verunstaltet. "Fuck", sagt er. Wow. Aber bitte: Was will dieser "Tatort" sein? Er ist: "Stirb langsam" - aber ohne Willis, Charme und Geld. Schweiger macht GEZ-Actionkino zum Wohle der Familie Schweiger und denunziert dabei, was den "Tatort" adelt - den Anspruch, etwas über die Gesellschaft zu erzählen. In Schweigers War on Entertainment ist es wurscht, wer warum ein Bösewicht ist. Das Thema ist nichts, der Held alles, klar, wer am Ende gewinnt. Das ist vorhersehbares Genrekino. Aber kein "Tatort". (Lutz Kinkel)

War das wirklich alles?


Es war ein Muss, diesen ersten Til-Schweiger-"Tatort" zu schauen. Auch ich kam nicht drum herum. Während um 20.15 Uhr noch die Neugier überwog, blieb ich am Ende allerdings mit einem dumpfen Gefühl zurück: Das soll er jetzt gewesen sein? Der neue, aufregende, sagenumwobene "Tatort"? Mit im besten Falle durchschnittlichen schauspielerischen Leistungen, unrealistischen Szenen und Til Schweiger als … Til Schweiger? Aber wenigstens war ich dabei, bei diesem historischen Ereignis. Und wahrscheinlich werde ich mich auch beim nächsten Mal nicht entziehen können. Ich bin ja Optimist. Eigentlich. (Katja Reith)

Wie Hollywood

Nach all dem Til-Schweiger-Bashing wollte ich mir selbst ein Urteil bilden. Und ja, das war alles ganz schön fett, die ewigen Alleingänge von Nick Tschiller, seine Ei-(Nicht)-Kochkünste, die unbehandelten Kratzer im Gesicht und die supertaffe Arsch-glotzende Staatsanwältin. Aber eben auch sehr unterhaltsam. Bestes Kino. Mir hat es Spaß gemacht. Da pfeif ich glatt drauf, dass Schweiger kein grandioser Schauspieler ist und es ziemlicher Humbug ist, dass ein Computer-Genie vom Krankenbett aus den Fall zu lösen hilft und am Ende trotz fieser Schusswunde im Bein vom Rollstuhl aus den Bösewicht schnappt. So tickt eben Hollywood. So tickt Schweiger. Horst Schimanski war auch ein Überbulle. Nur der Zeitgeist, in dem er wandelte, war ein anderer. Also: Ich freu mich auf den nächsten Schweiger! (Thomas Schmoll)

Ziemlich viel "Rumgeblute"


Von einem Splatter-Film war "Willkommen in Hamburg" zwar weit entfernt. Aber für einen "Tatort" und an einem Sonntagabend in der ARD floss sehr viel Blut in Kommissar Tschillers erstem Fall: von blutigen Schrammen über blutige Pfützen bis zu blutigen Schießereien. Klar, bei sieben Leichen und viel Ballerei fällt so einiges an. Für zartbesaitete "Tatort"-Fans war das vielleicht zu viel Blut - selbst Tschillers Chef Petretti hatte irgendwann davon genug: "Sie und diese Gewalt, dieses ganze Rumgeblute", fährt er seinen neuen Ermittler an. Dennoch: Ich will Blut sehen! Ja, auch hin und wieder in einem "Tatort". (Ulrike Klode)

Nicht schon wieder Mädchenhandel


Auch wenn das Thema noch so wichtig ist - Mädchenhandel scheint gerade das Erfolgsrezept für deutsche Krimis zu sein. Maria Furtwängler befasste sich in ihrer letzten "Tatort"-Doppelfolge mit Minderjährigen aus Osteuropa, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden. Auch die Mini-Serie "Im Angesicht des Verbrechens" von Dominik Graf beleuchtete den Verkauf junger Frauen in Berlin. Mädchenhandel wird zum Krimi-Dauerthema. Und fängt trotz aller Relevanz an zu langweilen. Und ganz ehrlich: Mit der kühlen Maria Furtwängler und der überragenden Erzählweise von Dominik Graf kann Nuschel-Til einfach nicht mithalten. (Viktoria Meinholz)

Der alte "Tatort" stirbt aus


Sieben Tote, leergeballerte Magazine und immer eine blutige Nase: Der neue "Tatort" aus Hamburg ist gute Popcorn-Unterhaltung. Mit dem Action-Format deckt die Krimireihe nun endgültig jedes Genre ab: Komödie in Münster, Freaks in Frankfurt, Mankelleskes aus Kiel. Der alte, gemütliche TV-Sonntagabend - behäbige Handlung, Sozialpathos, Kommissare mit halbhumorigen Privatsorgen, Mord, Aufklärung -, er stirbt aus. Das ist schade, weil das Siegel "Tatort" für alles und nichts steht. Aber gleichzeitig ist es gut, weil sich hinter der unüberschaubaren Anzahl an Ermittlerteams immer häufiger Perlen des Fernsehens finden. (Niels Kruse)

Zuviel Rumgeeiere

Ja, die Anspielung auf Horst Schimanski haben wir verstanden. Der sagte damals als erstes Wort "Scheiße". Schweiger führte sich nun mit "Fuck" ein. Wir leben ja schließlich in einer globalisierten Welt, wo man auf Englisch fluchen können sollte. Aber damit nicht genug: Weil Schimmi bei seinem Debüt zwei rohe Eier verschlang, musste Schweigers Einstand auch eierhaltig sein. Und das gleich im doppelten Sinn: Zum einen versuchte Nick Tschiller mehrfach, seiner Tochter ein weich gekochtes Ei zu servieren. Doch leider ist Schweiger ein großer Freund des Pennälerhumors. Und so ritt er in jeder erdenklichen Szene auf der anderen Bedeutung, Eier als Geschlechtsteile, rum. Das war mir dann über 90 Minuten deutlich zu viel Rumgeeiere. (Carsten Heidböhmer)

Das Beste an Schweiger? Fahri Yardim


Okay, auch ich war skeptisch, als der NDR Til Schweiger aus dem Hut gezaubert hat. Am Ende hat's dann doch gar nicht wehgetan. All die Schweiger-Hasser, die jetzt den Qualitätsanspruch des "Tatorts" wie eine Monstranz vor sich hertragen, haben schon lange keinen Fall aus Ludwigshafen, Konstanz oder Luzern gesehen. Ja, an guten Tagen ist der Krimi am Sonntag was Besonderes - wenn Matthias Brandt im "Polizeiruf" spielt, Dominik Graf Regie führt oder Sascha Arango das Buch geschrieben hat. Ansonsten gab's zuletzt auch viel Schwarzbrot-Krimi-Kost. Und dieses Niveau unterschreitet Schweiger zu keinem Zeitpunkt. Na sicher ist das Popcorn-Fernsehen. Und ja: An manchen Stellen wird schon arg viel geballert und geblutet. So what! Eines muss man Schweiger sowieso zu Gute halten: Er hat Fahri Yardim an seiner Seite. (Volker Königkrämer)

Und das denkt unser Humor-Redakteur Tobias Schülert über Schweigers Einstand:

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