Es klang von Anfang an wie eine etwas seltsame Idee. Warum sollte ausgerechnet eine "Tatort"-Kommissarin nach einem Holocaust-Opfer benannt werden? Selma Jacobi sollte die neue Ermittlerin aus Frankfurt heißen - genauso wie eine jüdische Frau, die 1943 in Theresienstadt ermordet wurde. Der Grund: Schauspielerin Margarita Broich, die die Figur verkörpern wird, hatte den Namen auf einem "Stolperstein" vor ihrem Haus entdeckt.
Nach etlichen Protest rudert der Hessische Rundfunk nun zurück. Es habe nur eine kleine Geste gegen das Vergessen sein sollen, der Sender wolle mit der angestoßenen Diskussion aber nicht die Gefühle einzelner verletzen, gab der Sender am Montag bekannt. Auch Schauspielerin Broich zeigte sich zerknirscht: "Offenbar gibt es Menschen, deren Gefühle ich dadurch verletzt habe", sagte die 54-Jährige am Montag. "Das tut mir leid, und dafür möchte ich mich entschuldigen." Sie habe niemanden verletzen wollen.
Kritisiert hatte die Namensgebung unter anderem der Initiator der "Stolpersteine", Gunter Demnig. Er verlegt in ganz Deutschland die Erinnerungssteine vor einstigen Wohnhäusern von Holocaust-Opfern in den Bürgersteig. Die Entscheidung des Senders hält Demnig zwar für übertrieben, die angekündigte neue Namensgebung sei dennoch "der beste Weg". Protest war auch aus der Jüdischen Gemeinde Berlin gekommen. Dort hieß es, eine solche Form der Erinnerung sei "völlig unpassend".
Neuer Name bleibt geheim
Christian Walz, ein Nachfahre von Jacobi, habe dagegen keine Einwände gehabt, teilte der Hessische Rundfunk mit. Selma hätte sich "über ihre "neue Existenz" als Kommissarin sehr gefreut", zitierte der Sender aus einem Brief des Ur-Enkels - "so wie es uns eben zum Lachen gebracht hat, als wir darüber [über die Debatte] lesen konnten."
In die Entscheidung, die neue Kommissarin umzubenennen, seien allerdings auch künstlerische Erwägungen eingeflossen. "Die Rolle wäre immer mit dem Holocaust-Opfer Selma Jacobi in Verbindung gebracht worden. Eine freie Weiterentwicklung der Figur wäre unter diesem Aspekt nicht mehr möglich", sagte hr-Fernsehspielchefin Liane Jessen. Den neuen Rollennamen will der Sender nach Angaben eines Sprechers nicht vorab veröffentlichen.
Gemeinsam mit Wolfram Koch tritt Broich in der ARD-"Tatort"-Reihe die Nachfolge von Joachim Król und Nina Kunzendorf an. Der Hessische Rundfunk dreht noch bis zum 14. April die erste Folge mit dem neuen Team. Es müssten aber keine Szenen nachgedreht oder synchronisiert werden, hieß es beim Sender.