TV-Tipp 25.8.: "Der Baader Meinhof Komplex" Als der Terror in Deutschland wütete

Kann man aus einem Sachbuch einen unterhaltsamen Kinofilm machen? Bernd Eichinger konnte. "Der Baader Meinhof Komplex", sein Film über den RAF-Terror, ist unser TV-Tipp des Tages.

"Der Baader Meinhof Komplex"
23.15 Uhr, NDR

DRAMA Sie kommen uns vor wie Menschen aus dem Mittelalter, wenn nicht aus der Steinzeit: Auf dem Gebiet von Syrien und dem Irak errichten ISIS-Kämpfer mit unvorstellbarer Brutalität ein Großreich und gehen dabei buchstäblich über Leichen, Andersdenkende werden grausam hingerichtet. Auch wenn uns diese Menschen unendlich fern und fremd scheinen, dürfen wir nicht vergessen, dass es gar nicht so lange her ist, dass auch in Deutschland Menschen kaltblütig töteten, um ihre Vorstellung einer anderen Welt durchzusetzen. 2008 nahm sich der inzwischen verstorbene Filmproduzent Bernd Eichinger des Projekts an, die Geschichte des deutschen Terrorismus' in einem abendfüllenden Kinofilm zu erzählen. Dabei stützte er sich auf das gleichnamige Sachbuch von Stefan Aust, dem Standardwerk über die Rote Armee Fraktion.

Doch kann das gut gehen, viele hundert Seiten populärwissenschaftliche Prosa in 144 Minuten (Kinofassung) bzw. 152 Minuten (TV-Fassung) zu stopfen? Eichinger, der auch das Drehbuch verfasste, nimmt sich zunächst viel Zeit für die Vorgeschichte. Der Film setzt ein im Sommer 1967 mit den Studentenprotesten gegen den Schah-Besuch und der Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg. Eichinger lässt in dieser Anfangsphase viel Sympathie mit den protestierenden Studenden durchscheinen.

Der Film zeigt, wie sich die Bewegung im weiteren Verlauf radikalisierte, wie sich aus der sehr heterogenen Szene eine kleine Gruppe herausbildete, denen gewaltloser Protest zu wenig war, die ein Zeichen setzen wollte. Bei der Berfreiung Andreas Baaders aus der Haftanstalt in Berlin, an der auch die Journalistin Ulrike Meinhof beteiligt war, wurden zwei Wachmänner schwer verletzt. Diese Aktion gilt als Geburtsstunde der Roten Armee Fraktion (RAF).

Bis zu diesem Punkt stellt der Film anschaulich dar, wie ein prinzipiell gutes Ansinnen, das Aufbrechen verkrusteter Strukturen und alter Nazi-Seilschaften in der BRD und der legitime Protest gegen den Vietnamkrieg, nach und nach pervertiert wurde und sich ins Gegenteil verkehrte. Wie das Ansinnen nach mehr Freiheit in Terror umschlug. Mit dem Abtauchen in den Untergrund war der weitere Weg der RAF vorgezeichnet: Es war ein Weg der kaltblütig geplanten Verbrechen. Und spätestens mit der ab 1975 agierenden sogenannten "zweiten Generation" ging es bei den Aktionen nur noch darum, die inhaftierten Terroristen der ersten Generation freizupressen. Der Film kommt nun kaum noch zur Ruhe.

Seiner Chronistenpflicht folgend hetzt er durch Morde, Anschläge und Entführungen und endet erst mit dem als Todesnacht von Stammheim bekannt gewordenen kollektiven Selbstmord von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Da ist der Zuschauer dann von all dem Morden ziemlich erschöpft und ist froh, dass der Film endlich vorbei ist. Trotz der überfrachteten zweiten Hälfte ist der Film sehenswert. Er ist wie eine Reise in eine fremde, aber noch gar nicht lange zurückliegende Zeit, in der Menschen glaubten, für das Gute töten zu dürfen. Man versteht es heute nicht mehr, wie es soweit kommen konnte. Und doch geschehen genau solche Taten tagtäglich. In Syrien, im Irak, und anderswo. Die Welt, sie ist seither leider keine bessere geworden.

Ein TV-Tipp von Carsten Heidböhmer, Kulturredakteur beim stern

PRODUKTE & TIPPS