Der Januar neigt sich dem Ende zu und damit auch die trockene Jahreszeit. "Dry January" nennt sich die Prämisse, der seit einigen Jahren auch hierzulande immer mehr Menschen folgen. Zwischen Champagner-Feiern an Silvester und feuchtfröhlichem Schunkeln zum Karneval wird im ersten Monat des Jahres kein Tropfen Alkohol getrunken.
Wie sehr es sich tatsächlich lohnt, auch nur vorübergehend auf Alkohol zu verzichten, weiß Dr. Rainer Günther. Er ist Oberarzt und stellvertretender Direktor des Universitätsklinikums Schleswig-Holstei, Günther leitet dort die Abteilung für Hepatologie. Kurzum: Wenige Menschen in Deutschland kennen sich so gut mit der Leber aus wie dieser Mann.
Verzicht zeigt sich schon nach einem Monat
An der Popularität des Dry January findet Günther wenig überraschend Gefallen: "Wenn jemand wirklich diesen Monat durchzieht, wird er merken, dass er sich fitter fühlt und besser schläft. Die Magenschleimhaut wird außerdem nicht mehr so viel Säure produzieren." Bei übergewichtigen Menschen, die bereits über eine Fettleber verfügen, würde sich zudem das Risiko einer Zirrhose, also einer Leberverhärtung, stark reduzieren.
Günther attestiert Westeuropa eine Fettleber-Epidemie. In Deutschland seien es bereits 30 Prozent der übergewichtigen Bevölkerung, die daran leiden. Der Alkohol greift den Körper auf zweierlei Wegen an: über seine toxische Wirkung und seinen hohen Kaloriengehalt. "Das erste Organ, was davon betroffen ist, ist die Leber", so der Hepatologe. "Die Leber macht keine Schmerzen, ihr Schmerz ist die Müdigkeit." Symptome zeigen sich also erst spät, jedes Fett in der Leber würde aber automatisch zu einer Leberzirrhose führen.
Nun sollte allseits bekannt sein, dass Alkohol nicht unbedingt gesunden Auswirkungen auf den Körper hat. Laut Rainer Günther sei neben dem offensichtlichen Verzicht deshalb dann auch eine wesentliche Stärke des 'Dry January', dass es bei vielen überhaupt mal zu einer bewussten Auseinandersetzung mit dem eigenen Alkoholkonsum komme.
'Damp January': Es geht um den bewussten Umgang
Nun schwappt aus den Vereinigten Staaten aber schon der nächste Social-Media-Trend zu uns rüber, nämlich der 'Damp January'. "Damp" bedeutet so viel wie "etwas abschwächen". Beim 'Damp January' wird demnach nicht penibel darauf geachtet, überhaupt keinen Alkohol mehr zu trinken, sondern der Konsum soll lediglich gezielt und effektiv abgeschwächt werden. Hiermit ließen sich, so eine Überlegung, womöglich auch all jene erreichen, die regelmäßig und überdurchschnittlich viel Alkohol trinken – und sich im Laufe des Januars zu einem Bier oder einem Glas Wein breitschlagen lassen, trotz gegenteiliger Beteuerungen.
Alle Krankheitsrisiken wird man zwar auch mit dem 'Damp January' nicht vermeiden können, aber trotzdem schult das Konzept einen, bewusst “Nein” zu Bier oder Wein zu sagen. Und je häufiger man das trainiert, desto einfacher wird es mit der Zeit.
Auch Dr. Günther kann sich, bei aller Professionalität, mit dem Gedanken anfreunden, nicht ganz abstinent zu leben. ."Wenn man abends mal genussvoll ein Weinchen trinkt, hat man bei der nächsten Gelegenheit direkt wieder das Bedürfnis danach – das zu realisieren ist entscheidend", erklärt der Oberarzt. Der 'Damp January' bediene denselben entscheidenden psychischen Aspekt, die Konfrontation mit dem eigenen, wöglich normal gewordenen Konsum. "Das Ziel muss aber weiterhin sein, den Alkoholkonsum langfristig zu reduzieren”, sagt Günther. Dabei könne es helfen, sich eine klare Grenze an Tagen zu setzen, an denen man Alkohol trinkt, oder vielleicht sogar ein Tagebuch über den eigenen Alkoholkonsum zu führen.
"Es gibt keinen gesunden Alkoholkonsum"
Wie also sieht ein gesunder und langfristig realistischer Umgang mit Alkohol aus? Bis vor wenigen Jahren ging selbst die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung davon aus, dass ein halber Liter Bier pro Tag zwar nicht gesund, aber doch risikoarm sei. "Es gibt keinen gesunden Alkoholkonsum", entgegnet Dr. Rainer Günther darauf. "Mit jedem Schluck Alkohol verliert man eine bestimmte Menge seiner Lebenszeit. Jeder muss selber entscheiden, ob er genussvoll kürzer leben oder gesund alt werden will."
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Daher rät der Experte: "Kein Alkohol ist der beste Alkohol, aber jeder reduzierte Alkohol ist der erste Schritt zu einem gesünderen Leben." Der 'Damp January' dürfe nicht als faule Ausrede aufgefasst werden. Komplett auf Alkohol zu verzichten, das sei in unserer Gesellschaft noch immer nicht wirklich kompatibel, räumt auch der Mediziner ein. Er werde immer wieder komisch angeschaut, wenn er bei einem sozialen Event keinen Alkohol trinke.
Langfristig sollte man aber immer noch das Ziel vor Augen haben, ganz auf Alkohol zu verzichten. Es könnte sich lohnen: "Wer ein Jahr oder noch länger keinen Alkohol trinkt, hat sehr wenig Restrisiko, eine der 200 Folgeerkrankungen des regelmäßigen Alkoholkonsums, etwa Dickdarmkrebs oder Brustkrebs, zu erhalten."
Quellen: New York Times, NDR, RBB, BZgA