Schöner Scheitern Weihnachtsstress? Bloggerin und Vierfachmutter Claudia Schaumann verrät, wie man ihn vermeidet

Advent: Ein weihnachtlich geschmücktes Zimmer mit Tannenbaum und einer Frau, die auf einem Sessel relaxt
Nur ein Traum? In der Weihnachtszeit hoffen viele auf Entspannung
© dpa Creative/ / Picture Alliance
Schöner Scheitern: Im Interview erklärt die erfolgreiche Eltern-Bloggerin Claudia Schaumann, warum nicht immer alles perfekt sein muss und wie man ohne Nervenzusammenbruch bis Weihnachten durchhält.

Frau Schaumann, auf Ihrem Instagram-Account zeigt sich der volle Weihnachtszauber: lachende Kindergesichter, selbst gebackene Plätzchen, alles hübsch weihnachtlich dekoriert. Wie kommt man stressfrei durch die Adventszeit?
Vergessen Sie's, ich kenne niemanden, dem das zu einhundert Prozent gelingt. Ich mag die Vorweihnachts-Zeit, aber sie ist auch die stressigste im ganzen Jahr. An allen Fronten ist man gefordert: dekorieren, Geschenke besorgen, Weihnachtsessen planen, dazu die vielen Termine. Basteln in der Schule, die Theateraufführung der Kinder oder die x-te Weihnachtsfeier – man hechelt von Termin zu Termin. Da fällt das Innezuhalten manchmal schwer. 

Welche Tricks haben Sie dafür?
Ich bin ein Pflicht-Mensch. Oft mache ich viel zu lange Listen und denke: Wenn ich die abgearbeitet habe, gönne ich mir etwas Schönes. Einen Moment nur für mich oder mit den Kindern. Aber das geht natürlich meist daneben. Ich habe deshalb den Hashtag #meinachten für mich entwickelt. 

Was hat es damit auf sich?
Es ist wie eine Ermahnung an mich selbst. Oft versucht man den Erwartungen anderer zu entsprechen und hinterfragt zu selten, was gut für einen selbst ist. Vor allem in der Weihnachtszeit tappt man schnell in die Stressfalle. Deshalb habe ich entschieden, mir selbst kleine Momente zu schenken. Egal, ob ich mich für eine Stunde zum Lesen zurückziehe oder einen Nachmittag nur mit den Kindern verbringe. 

In der Adventszeit bleibt vieles häufig an den Müttern hängen. Wie ist das bei Ihnen? 
Ich habe vier Kinder. Wir sind eine Großfamilie, jeder hat feste Aufgaben. Die Arbeit darf nicht nur an einer Person hängenbleiben. Aber man muss auch delegieren und Aufgaben abgeben können. In der Adventszeit haben mein Mann und ich deshalb feste Regeln: Er kümmert sich um den Baum und die Gans, ich mich ums Dekorieren und die Geschenke.

Die Leute sind übersättigt vom ewig Perfekten bei Instagram."

Sie haben einen Lifestyle-Blog, verdienen ihr Geld auch mit Beiträgen bei Instagram. Dort werden bereits seit Wochen Bilder von Weihnachtsidylle gepostet. Wie groß ist der Druck, mitzuhalten?  
Der Druck ist immens, die Konkurrenz riesig. Wohin man schaut, sieht man perfekt inszenierte Bilder und Videos. Viele meiner Kollegen machen jeden Tag ein Instagram-Video, auch Reel genannt. Alles ist bis ins kleinste Detail inszeniert. Das stachelt an, automatisch wird man Teil der Maschinerie. 

Mit dem realen Leben haben die Instagram-Bilder allerdings wenig gemein. Wie beeinflussen sie dennoch unseren Alltag? 
Instagram gaukelt uns eine makellose Welt vor. Das darf man nicht vergessen, wenn man durch soziale Medien scrollt. Nicht immer gelingt alles, nur werden Missgeschicke selten gezeigt. Die Menschen, die mit Instagram Geld verdienen, leben schließlich davon, perfekte Welten zu inszenieren. Das ist ihr Job, nicht die Realität. 

Bloggerin Claudia Schaumann im weißen Kleid am Schreibtisch sitzend
Die Hamburgerin Claudia Schaumann, 46, ist Vierfachmutter und arbeitet als freie Journalistin. 2013 gründete sie das Lifestyle-Blogmagazin „Was für mich“. Sie hat mehrere Bücher im Eigenverlag herausgebracht, außerdem die Kinder-Reihe „Die Geburtstagsbande“ beim Fischer Verlag. Ihr erster Roman „Sommer ist meine Lieblingsfarbe“ erscheint im März
© Ilona Habben

Dennoch wird eine Perfektion zelebriert, die für viele unerreichbar ist.
Das stimmt, aber ich glaube, die Leute sind immer öfter übersättigt von dem ewig Perfekten bei Instagram. Wenn man immer nur das glatte Ideal zu sehen bekommt, stumpft man irgendwann ab. So als hätte man sich sattgesehen.

Man darf also scheitern?
Ja, unbedingt! Erst kürzlich habe ich ein Back-Reel gemacht, in dem es darum ging, dass ich besondere Weihnachts-Plätzchen backen wollte. Grüne Kranz-Kekse sollten es werden. Doch was ich aus dem Backofen zog, erinnerte eher an angebrannte Avocados. Zuerst war ich enttäuscht, denn ich wollte etwas Besonderes zaubern und meinen Kindern und auch den Instagram-Followern beweisen, wie kreativ ich bin. Irgendwann musste ich aber über mich selbst lachen und nahm ein Reel auf, in dem ich von meinem kläglichen Scheitern erzählte. 

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Wie waren die Reaktionen?
Ich erhielt nur positives Feedback. Die Leute gieren nach Authentizität. Für sie waren meine misslungenen Kekse inspirierender und ermutigender als jedes inszenierte Bild oder Video. Viele erzählten mir auch von ihrem eigenen Scheitern.

Ein aufkeimender Trend?
Das wäre schön. Es gibt Tendenzen, aber der Hang zur Perfektion ist einfach noch immer weit verbreitet. Dafür hat Instagram unsere Wahrnehmung zu viele Jahre geschult. Das Schöne, Glatte und Aufgeräumte ist zum Standard geworden. Wenn ich mich bei anderen Bloggern umschaue oder in meinem Bekanntenkreis, dann sieht es überall wie geleckt aus. Das war früher anders.

Sie meinen, früher war mehr Chaos?
Ja, und es hat niemanden gestört! Heute muss alles sauber und ordentlich sein, damit man jederzeit das Handy für den nächsten Instagram-Post zücken kann. Ich kenne Familien, deren Kinder sich nicht allein ein Brot schmieren dürfen, weil sie die Küche vollkleckern könnten. Das ist bei uns zum Glück nicht so. 

Wie viel Familienleben teilen Sie mit Ihrer Community bei Instagram?
Ich gebe schon einiges preis und lasse meine Follower an unserem Alltag teilhaben. Aber alles hat Grenzen. Ich muss nicht zum 20. Mal ein Reel teilen, wie ich meinen Adventskranz dekoriere. Die Zeit nutze ich lieber, um mit meiner Familie zusammen zu sein. 

Haben Sie feste Weihnachts-Rituale?
Wir dekorieren jedes Jahr zwei Knusperhäuschen. Die backen wir aber nicht selber, sondern kaufen sie im Supermarkt. Meist schaffen wir es aber erst kurz vor Weihnachten, sie fertig zu machen. Zudem holen wir stets zur Adventszeit eine Kiste mit Weihnachtsbüchern vom Dachboden. 

Wie gelingen besinnliche Stunden als Familie? 
Ich versuche es seit einigen Jahren mit dieser Formel: weniger planen, einfach machen. Man kann besinnliche Momente nicht im Kalender festlegen, meist geschehen sie spontan. Eine meiner schönsten Weihnachtserinnerungen hatte nichts mit Plätzchenbacken zu tun, sondern ausgerechnet mit dem Rollen von Fleischklößchen. Die Kinder hatten sie sich damals gewünscht, also standen wir eines Tages alle zusammen in der Küche und formten Teigkugeln. Im Hintergrund lief Weihnachtsmusik, es war ein perfekter Adventstag mit der Familie. Wenn auch mit eher untypischer Leckerei!

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