Fast schien es, als wäre sogar das Wetter sorgfältig geplant gewesen für diesen besonderen Tag: Hatte dieser Freitagmorgen im nordwestenglischen Chester noch ein bisschen grau und fröstelig begonnen, hellte sich der Himmel zu Mittag hin merklich auf. Vereinzelte Sonnenstrahlen ließen das üppig mit einem Blumen-Triumphbogen geschmückte Hauptportal der altehrwürdigen Kathedrale mitten in der historischen Altstadt in den Farben der weißen, blauen und grünen Blüten und Blätter erstrahlen.
Schon seit 6 Uhr in der Frühe hatten sich Hunderte Menschen entlang der Absperrungen in der Innenstadt im Umfeld des Gotteshauses versammelt, in dem die Society-Hochzeit des Jahres mit royalen Gästen stattfinden sollte. Bis es um 12 Uhr Ortszeit losging, war die Menge nach Schätzung der Sicherheitskräfte vor Ort auf einige Tausend Zaungäste angewachsen.
Unter ihnen einige, die sich, wie man es sonst nur aus London bei königlichen Events kennt, mit Campingstühlen, Lunchpaket und patriotischen Hüten oder Flaggen auf eine längere Wartezeit eingerichtet haben. Es herrschte erwartungsfrohe Stimmung, der auch die vielen engmaschig an den Absperrungen verteilten Sicherheitskräfte und die auf den Hausdächern mit direkter Sicht auf den Kirchenvorplatz verteilten Scharfschützen keinen Abbruch taten.
So einen Auftrieb hatte man hier seit 2018 nicht mehr erlebt, als die inzwischen verstorbene Queen mit Neu-Schwiegertochter Meghan angereist war, um das neue Community Centre "The Storyhouse" einzuweihen. Und auch daran hatte der erwähnte Bräutigam seinen Anteil.
Herzog von Westminster: Der Bräutigam ist Milliardär
Denn es handelt sich bei ihm um Hugh Grosvenor, den 7. Herzog von Westminster, dessen Familienstammsitz Eaton Hall ein paar Kilometer außerhalb von Chester zu finden ist. Mit einem ererbten Vermögen von umgerechnet gut 11 Milliarden Euro ist der 33-Jährige der reichste Brite unter 40 Jahren, Immobilien- und Großgrundbesitzer und ein engagierter Philanthrop. Zu Coronazeiten hatte er unter anderem stolze 15 Millionen Euro für Covid- Unterstützungsmaßnahmen im britischen Gesundheitssystem gespendet.
Doch der ganze Security-Aufwand wurde hier heute nicht nur dem wohlhabenden Herzog und seiner Familie zu Liebe betrieben. Auch wenn er diesmal nicht die Hauptperson war, galt dieses Security Aufgebot einem anderen Mitglied der Hochzeitsgesellschaft: Thronfolger Prinz William.
Hugh Grosvenor ist dem britischen Königshaus seit seiner Kindheit eng verbunden, insbesondere den Prinzen William und Harry, da schon sein Vater Gerald ein Vertrauter des damaligen Prinzen von Wales, Charles, war. So kam es, dass der Herzog Prinz William bat, bei der Hochzeit mit seiner Verlobten Olivia Henson die wichtige Rolle eines "Ushers" (Platzanweiser für Ehrengäste in der Kirche) einzunehmen – und wegen des andauernden Bruderzwistes dem Herzog von Sussex nahegelegt haben soll, die Einladung nach Chester lieber nicht anzunehmen.
Natürlich war ursprünglich auch die Prinzessin von Wales eingeladen gewesen und sogar das Königspaar, doch aufgrund der Krebstherapien, derer sich sowohl Kate als auch Charles gerade unterziehen, hatten die sich kurzfristig gegen eine Teilnahme entschieden. Auch der kleine Prinz George, Patensohn des Herzogs, hatte eigentlich dabei sein sollen, fehlte aber dann doch, weil er die Schulbank drücken musste, wie es hieß.
Gästeschar aus den ersten Kreisen
An illustren Hochzeitsgästen fehlte es dem Brautpaar trotzdem nicht. Fast 400 prominente Familienmitglieder und Freunde aus Adel, Geldadel und Medien wurden ab 10.30 Uhr in einer langen Kolonne von Vans und Reisebussen vor der Kathedrale abgesetzt, wobei die Damen teilweise eine ganze Weile in ihren dünnen Sommerkleidern und Hütchen im frischen Morgenwind frieren mussten, bevor sie Einlass fanden. In der Schlange fand sich immerhin noch eine Windsor, Williams Cousine Prinzessin Eugenie von York, die sich trotz ihres hohen Ranges nicht an der Schlange vorbeiführen ließ, sondern ebenso geduldig wie fröhlich mit einer Freundin plaudernd darauf wartete, zum Traugottesdienst zu kommen.
Einen ersten Höhepunkt erreichte die allgemeine Aufregung, als der Bräutigam, der, wie man aus seinem Umfeld weiß, Understatement liebt, nicht in einer offenen Kutsche oder Luxuslimousine sondern in einem alten dunkelgrünen Land Rover Defender mit seinen drei Trauzeugen vorfuhr. Fast schüchtern in die Kameras der britischen Presse lächelnd und für Applaus und Hochrufe der Menge mit einem schnellen Winken dankend, verschwand der junge Mann im traditionellen Morning-Suit-Outfit in der Kathedrale.
Kurz darauf folget der Moment, auf den alle gewartet hatten: Die Ankunft der Braut und der erste Blick auf ihr Hochzeitskleid. Olivia Henson, bürgerlich und doch um ein paar Ecken herum aus bestem blaublütigen Hause (ein Herzog und ein Marquis gehören zu ihren Vorfahren) entstieg einem schönen alten Bentley von 1930 aus dem Fuhrpark der Grosvenors, auf dem Haupt das traditionelle Fabergé-Diadem, mit dem im Hause Westminster seit über 100 Jahren geheiratet wird. Das elegant-zurückgenommene Kleid aus crèmefarbenem Seidensatin mit einem bestickten, von ihrer Urgroßmutter geerbten Schleier umwehte die Braut vor dem Kirchenportal, während ihr Vater, der Londoner Bankier Rupert Henson, den Brautjungfern half, trotz auffrischenden Windes die Schleppe zu ordnen, bevor sich das schwere Tor hinter der Trau-Prozession schloss. Schaulustige oder gar die Presse hatten keinen Zutritt zum Gottesdienst, doch der amtierende Geistliche hatte vorher verraten, dass das Paar sich einen verschlankten und modernen Gottesdienst ohne altengliche Gelübde und allzu lange Gebete gewünscht hatte.
Start in die Ehe mit Knalleffekt
Nach einer guten Stunde tat sich das Portal wieder auf und das strahlende Brautpaar erschien, um sich einen Moment auf dem Vorplatz von der begeisterten Menge mit Jubelrufen und Glückwünschen feiern zu lassen - und sich zur Krönung noch spontan zu küssen. Dieser "Balkon-Moment" verstärkte einmal mehr das Gefühl, dass es so eine "royale" Hochzeit seit 2018 nicht mehr gegeben hatte, als Harry und Meghan in Windsor den Bund fürs Leben geschlossen hatten.
Mitten in dieser romantischen Situation erschreckten dann plötzlich ein Knall und rötlicher Rauch Gäste, Zuschauer und die Polizei: Zwei Royal-Fans entpuppten sich als Umweltaktivisten und hatten, anders als zunächst gedacht, keine Freuden- Konfettikanone, sondern eine Art Rauchwerfer im Feuerlöscher-Format gezündet. Doch die beiden radikalen Damen und die 70 waren unter den Buhrufen der Umstehenden schnell abgeführt.
Prinz William, der den Vorfall zusammen mit anderen Gästen vor dem Tor der Kirche stehend ziemlich aus der Nähe mitbekommen hatte, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und beobachte und kommentierte gut gelaunt, wie die Frischvermählten gemeinsam in den alten Bentley stiegen, um sich zum Hochzeitsempfang mit Champagner und Zitronen-Biskuit-Torte auf dem nahen Familienanwesen fahren zu lassen. Dabei tat der Thronfolger weiterhin alles dafür, seinem Freund Hugh nicht die Show zu stehlen, sondern so unauffällig wie möglich in einem der Vans mit verdunkelten Scheiben zu verschwinden. Zur Enttäuschung der Schaulustigen gab es diesmal kein Lächeln und Winken des Prinzen für die Kameras.
Was die Zukunft nun bringt
Obwohl sich die Vorfahren der Familie Grosvenor fast 1000 Jahre zurückverfolgen lassen, und vor allem Investitionen im späten 16. Jahrhundert in Kohle-, Stein- und Bleiminen den Grundstein für das heutige immense Vermögen der Familie Grosvenor legten, gilt der aktuelle Träger des Herzogstitels als angenehm bodenständig und zurückhaltend. Das hat er vor allem auch seinem verstorbenen Vater zu verdanken, der einmal über seinen Erben sagte: "Hugh wurde mit dem größten Silberlöffel geboren, den man sich vorstellen kann. Aber wir konnten ihn nicht in der Vorstellung aufziehen, dass er sein Leben lang nur daran zu lutschen und selber nichts zu leisten braucht. Seine Privilegien bedeuten vor allem, dass er den Menschen und dem Land später ganz viel zurückgeben sollte."
Dementsprechend hat Hugh eine solide Ausbildung genossen, erst in einer staatlichen Grundschule in Chester, dann auf einem renommierten Internat, und beschloss seine Ausbildung auf der nordenglischen Uni Newcastle mit einem Vermögens-Management-Studium. Bevor er das Familienunternehmen und zugehörige Aufgaben erbte, hatte er ganz solide im Rechnungswesen eines Londoner Kaffeeproduzenten gearbeitet.
Die Braut, die sich traute
Die frischgebackene Herzogin von Westminster wiederum hat eine solide Privatschul-Ausbildung genossen – und unter anderem dasselbe College besucht, wie die Prinzessin von Wales. Es folgte ein Spanisch- und Italienisch-Studium am Trinity College im irischen Dublin. Die letzten Jahre hat die jetzt 31-jährige als Senior Account Manager bei "Belazu" in London gearbeitet, einem Hersteller von Bio-Delikatess-Konserven. Allerdings könnten es mit dieser beruflichen Tätigkeit bald vorbei sein. Das junge Paar hatte kürzlich in einem Interview bereits in Aussicht gestellt, nach der Hochzeit seinen Lebensmittelpunkt nach Chester verlagern zu wollen, um sich für das Gemeinwesen von Hughs Heimatstadt einzusetzen.
Geld und Liebe: Der Duke von Westminster heiratet Olivia Henson

Wenn man mit Einwohnern der Stadt spricht, erfährt man tatsächlich, dass der junge Mann, der 2016 mit nur 25 Jahren auf seinen verstorbenen Vater Gerald Grosvenor gefolgt war, im besten Sinne des Wortes wie ein verantwortungsvoller Landesfürst über seine Ländereien und Besitztümer "herrscht". Von Jugend an durch seinen Vater in die Verwaltung der Familienbesitzungen eingeführt, hat er definitiv ein Herz für die Menschen seiner Heimat. Den Mitarbeitern auf seinem Landsitz Eaton Hall, wo neben dem Hochzeitsempfang morgen noch ein großes Fest im engsten Familien- und Freundeskreis stattfinden wird, begegnet er selbstverständlich auf Augenhöhe, lässt sich nicht mit "Eure Gnaden" sondern mit dem Vornamen ansprechen.
Im Vorfeld des großen Tages hatten Hugh und seine Verlobte bereits einige Wohltätigkeitsorganisationen in und um Chester besucht, ein eindeutiger Hinweis darauf, dass beide sich, wie Freunde aus seinem nächsten Umfeld bestätigen, künftig noch intensiver wohltätigen Hauptinteressen widmen möchten. Über die familieneigene Stiftung, die Westminster Foundation, möchten beide nachhaltig dazu beitragen, benachteiligte junge Menschen in London, Lancashire und Cheshire (wo die britischen Besitzungen der Familie sich hauptsächlich befinden) zu unterstützen, und insbesondere im Gemeinwesen von Chester eine fördernde Rolle zu spielen.
Mission "Erbe und Ersatzmann"
Und eine baldige Familiengründung steht sicher auch auf dem Plan für das frischvermählte Paar, ein, besser zwei männliche Erben werden benötigt, Stichwort "Heir and Spare-Prinzip". Denn anders als bei seinen Freunden im Königshaus gilt für Hugh Grosvenor noch das alte adelige Familiengesetz der Primogenitur: Falls er keinen Sohn zeugt, erlischt mit ihm der Herzogstitel, Töchter sind Stand heute nicht erbberechtigt. Doch bald geht es für Hugh und Olivia erst einmal auf Hochzeitsreise an einen unbekannten Ort. Vielleicht löst sich das Erbfolge-Thema ja dort schon wie von selbst.