Strafakte geschlossen Enissa Amani macht der Staatsanwaltschaft Vorwürfe. Die erkennt bei sich keine Schuld

Enissa Amani
Enissa Amani ärgert sich, dass ihr Gefängnisprotest nicht stattfinden wird
© Anka Portraits
Enissa Amani wollte aus Protest ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hat allerdings nach zwei Jahren eine Pfändung vorgenommen und den Fall damit geschlossen. Die Aktivistin und Künstlerin wirft der Justiz vor, die sei "still und heimlich" vorgegangen.

Über zwei Jahre schien es durchaus im Bereich des Möglichen, dass Künstlerin und Aktivistin Enissa Amani ins Gefängnis gehen könnte. Nach der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem AfD-Politiker Andreas Winhart hatte sie angekündigt, lieber den Gang hinter Gitter anzutreten statt eine Geldstrafe zu zahlen. Seit gestern ist klar, dass es dazu nicht kommen wird. Die Staatsanwaltschaft Köln hat eine Pfändung bei Amani durchführen lassen, um das Strafgeld, das nach der Beleidigung Winharts verhängt worden war, einzuziehen. Der stern hatte die Pfändung exklusiv vermeldet. Der Fall ist damit abgeschlossen.

Was aber nicht bedeutet, dass die Beteiligten mit dem Fall abgeschlossen hätten.

Amani hadert mit dem Vorgehen der Justiz und erhebt Vorwürfe, gegenüber dem stern erklärte sie jetzt: "Die Staatsanwaltschaft hat weder mir noch meinem Management einen Brief gesendet und mitgeteilt, dass sie das Geld einziehen werde oder das vorhabe. Sie haben uns nicht schriftlich informiert." Warum warte man zwei Jahre mit einer Pfändung und warum ziehe man still und heimlich das Geld ein, fragt sich Amani. Außerdem sei der Zeitpunkt der Pfändung ungünstig: Das Geld wurde im November 2023 eingezogen, noch im September 2023 hatte die Deutsch-Iranerin in der NDR-Talkshow "deep und deutlich" aber betont, wie wichtig der Gefängnisprotest sei. Damals erhielt sie viel Zustimmung von den anwesenden Gästen.

Warum Amani der Geldeinzug nicht früher aufgefallen ist? "Ich habe in meine Konten nicht geguckt, weil es gerade mal einige Wochen her ist und meine Steuerberaterin immer die Konten durchsieht und uns darüber informieren würde. Das kann gerade über die Weihnachtszeit auch mal im Januar sein für eine Sache, die Ende November passiert ist", lässt sie auf Nachfrage ausrichten.

Staatsanwaltschaft Köln reagiert auf Vorwürfe von Amani

Die Nachfrage des stern, warum man zwei Jahre mit der Pfändung gewartet hat, beantwortet der zuständige Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn wie folgt: Die Dauer des Vollstreckungsverfahrens erkläre sich "durch die – am Ende leider vergeblichen, aber vor der Ergreifung von Zwangsmaßnahmen doch notwendigen – Versuche, zunächst eine freiwillige Zahlung herbeizuführen." Die Staatsanwaltschaft sei gesetzlich zur Pfändung verpflichtet. "Ebenso dazu, sich nicht vor irgendwelche Karren spannen zu lassen, sondern ihrer gesetzlichen Aufgabe nachzukommen. Dazu gehört auch eine möglichst sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln und damit auch die Vermeidung von kostenintensiven Ersatzfreiheitsstrafvollstreckungen, soweit dies möglich ist. Bei der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe entstehen in NRW Kosten von durchschnittlich 178,91 Euro pro Hafttag (Stand 2021)", so Willuhn.

Dass Amani nicht vorab informiert worden sei, liege laut Willuhn am standardisierten Prozedere: "Die vorherige Information eines zahlungsunwilligen Pfändungsschuldners über eine bevorstehende Pfändung durch den Pfändungsgläubiger ist mit Blick auf den Vollstreckungserfolg ersichtlich wenig sinnvoll, vor allem aber auch gesetzlich nicht vorgesehen. Im Übrigen wird jeder Geldstrafenschuldner bereits mit der ersten Zahlungsaufforderung umfassend rechtlich belehrt und informiert. Und wenn eine Pfändung vollstreckt wird, erfährt der Pfändungsschuldner natürlich davon, nämlich dadurch, dass das Gepfändete nunmehr fehlt." 

Dass das Ganze "still und heimlich" vonstatten gegangen sei, bestreitet der Oberstaatsanwalt. Man habe gesetzliche Pflichten und denen sei man nachgekommen. Es bestehe "ein grundsätzliches Fehlverständnis der Pflichten einer Staatsanwaltschaft in einem Strafvollstreckungsverfahren", wenn man erwarte, dass bei einer öffentlich bekannten Person Ausnahmen gemacht oder ein Zeichen gesetzt werden sollten, so Willuhn.

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