Streit mit AfD-Politiker Enissa Amani wollte aus Protest ins Gefängnis gehen − warum das Vorhaben nun gescheitert ist

Enissa Amani stellt sich öffentlich immer wieder gegen die AfD.
Enissa Amani stellt sich öffentlich immer wieder gegen die AfD. 2021 machte sie publik, aus Protest ins Gefängnis gehen zu wollen. 
© Annette Riedl / DPA
Enissa Amani wollte nach einer Auseinandersetzung mit AfD-Politiker Winhart eine Geldstrafe nicht zahlen, sondern aus Protest ins Gefängnis gehen. Nun hat die Staatsanwaltschaft den Fall abgeschlossen – und damit auch Amani brüskiert, wie stern-Nachfragen zeigen.

Es war 2019, als Enissa Amani mit einer Instagram-Story für Aufsehen sorgte: Damals beschimpfte sie den AfD-Politiker Andreas Winhart öffentlich als "Idioten" und "Bastard". Anlass dafür war eine Rede gewesen, die der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion in Bayern 2018 gehalten hatte und die Amani auch auf ihrem Account in Teilen veröffentlichte. Darin sagte Winhart unter anderem, man wolle "Frau Merkel in den Ruhestand [...] senden und die Soros-Flotte mit den ganzen Rettungsbooten im Mittelmeer [...] versenken." Über die Pflegepolitik und besonders Menschen mit Migrationshintergrund, die in der Pflege arbeiteten, sprach er ähnlich abwertend und schürte Ängste, dass "Albaner-Gruppen" die "Bude ausräumen" würden, wenn man sie als Pflegende ins eigene Zuhause lassen würde. Zuletzt griff der 40-Jährige auch noch Schwarze an und nutzte das "N-Wort".

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Amanis Reaktion darauf fiel ebenfalls beleidigend aus. Im Interview mit dem stern erklärte sie später: "Ich hatte damals das Gefühl, dass es einfach Lautstärke, Mut und Courage braucht und dass man das nur sieht, wenn jemand das sehr laut, deutlich und provokant sagt – und das habe ich gemacht." Mit einer Geldstrafe als Konsequenz auf ihre Aussagen hatte sie gerechnet, nahm die verhängten 1800 Euro in Kauf. Doch als sie hörte, dass Winhart nach seinen Aussagen mehrfach angezeigt worden, aber in jeder Anzeige straffrei geblieben war und er alle, die ihn wegen seiner Aussagen angriffen, wegen Beleidigung selbst anzeigte, reichte es der Deutsch-Iranerin. Sie werde die Strafe nicht zahlen, entschied sie 2021, als das Strafgeld fällig geworden wäre. Sie gehe lieber 40 Tage ins Gefängnis, um aufzuzeigen, was es für ein Unding sei, dass ein Politiker Menschengruppen beleidigen und Volksverhetzung betreiben dürfe, ohne dass es Konsequenzen gebe.

Amani wollte lieber ins Gefängnis statt die Strafe zu zahlen

Die Staatsanwaltschaft Traunstein leitete damals trotz zahlreicher Anzeigen und Hinweise auf Volksverhetzung kein Ermittlungsverfahren gegen den AfD-Politiker ein. In einer Pressemitteilung vom 12. Februar 2019 hieß es dazu, dass für diesen Beschluss das "Grundrecht der Meinungsfreiheit" eine Rolle gespielt habe. Der Tatbestand der Volksverhetzung sei bei Winharts Rede "noch nicht als verwirklicht anzusehen". Zudem würden Äußerungen im politischen Meinungskampf besonderen Schutz genießen. Das "Recht auf polemische Zuspitzung und zur bewussten Provokation" seien ebenfalls Faktoren, die den Entschluss bekräftigten, ihn nicht zu bestrafen. Der AfD-Politiker blieb straffrei. Amani und auch andere Menschen, die Winhart nach der Rede stark kritisierten, wurden derweil wegen Beleidigung belangt.

Im Interview mit dem stern  sagte sie 2021 dazu: "Mir ist sehr wichtig, an dieser Stelle nochmal zu betonen, dass ich an meiner Strafe gar nichts zu beanstanden habe. Dass ich bestraft wurde, finde ich genau richtig. Ich bin sogar sehr glücklich über das deutsche Rechtssystem und dass man hierzulande darauf Wert legt, dass kein Mensch einen anderen beleidigen darf. Aber dass er dagegen für so eine wahnsinnig gefährliche Aussage komplett straffrei in jeder Form davonkommt, ist ein Unding. Und darauf möchte ich aufmerksam machen."

Amani ging davon aus, dass sie im Dezember 2021 ihre sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe, die eintritt, wenn man eine Strafe nicht zahlt oder zahlen kann, antreten müsse. Fast zwei Jahre später war noch immer nichts passiert. Im März 2023 sagte die Aktivistin und Künstlerin im "Deutschland 3000"-Interview mit Radiomoderatorin Eva Schulz, dass sie keinerlei Informationen dazu habe, wann sie die Strafe antreten müsse. Sie sei aber nach wie vor nicht bereit, die Geldstrafe zu zahlen.

Diese Einstellung wiederholte sie im September 2023 in der NDR-Talkshow "deep und deutlich". Sie wünsche sich sogar, dass es endlich einen konkreten Bescheid gebe und sie den symbolischen Akt durchführen könne. Zumal Winhart nicht aufhörte, weiter zu provozieren. Der Politiker erklärte in einem Video zwischenzeitlich, Amani hätte sich nach London abgesetzt und wolle der Strafe entfliehen. Dabei spielte die Künstlerin ganz offiziell Shows dort. Zudem lag kein Haftbefehl vor, da sie sonst gar nicht dort hätte einreisen dürfen.

Staatsanwaltschaft hat den Fall abgeschlossen

Der stern hat jetzt, im Januar 2024, die zuständige Staatsanwaltschaft in Köln dazu kontaktiert. Auf Nachfrage, wann Amanis Ersatzfreiheitsstrafe durchgesetzt werde und warum man damit so lange warte, antwortete Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn am 12. Januar folgendermaßen:

"In der angesprochenen Frage kann ich Ihnen mitteilen, dass die fragliche Geldstrafe inzwischen vollständig vollstreckt und die Sache damit hier abgeschlossen ist." Weitere Fragen seien "an die Verurteilte zu richten sein, zumal ich aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen an weiteren Auskünften gehindert bin." Auf stern-Nachfrage, wann die Strafe gezahlt worden sei und ob Amani darüber informiert worden sei, antwortete er: "Das Vollstreckungsverfahren wurde hier mit Verfügung des Rechtspflegers vom 20.11.2023 als erledigt ausgetragen, da zu diesem Zeitpunkt die Tilgung der Geldstrafe festgestellt worden ist. Eine gesonderte Mitteilung hierüber ergeht an den Vollstreckungsschuldner grundsätzlich nicht, da solches gesetzlich nicht vorgesehen ist. Rein faktisch bleibt dem Vollstreckungsschuldner die Tatsache der Tilgung durch ihn aber kaum verborgen."

Auf Nachfrage bei Amanis Management meldet sich die Aktivistin und Künstlerin persönlich beim stern und erklärte, sie habe die Strafe nicht selbst gezahlt und sei nach der stern-Nachricht, dass die Akte geschlossen wurde, "aus allen Wolken gefallen". Daraufhin habe sie bei der Staatsanwaltschaft angerufen und die Auskunft erhalten, dass das Geld eigenständig von ihrem Konto vom Rechtspfleger eingezogen worden sei. 

Tatsächlich ist so ein Vorgehen in Strafsachen üblich. Auf den Justizseiten der Länder heißt es zum Thema Geldstrafen: "Sollte die Geldstrafe nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gezahlt werden, werden die Verurteilten gemahnt. Nach fruchtlosem Fristablauf erteilt die Staatsanwaltschaft einen Vollstreckungsauftrag. Dies ermöglicht eine Pfändung in das bewegliche Vermögen der Verurteilten. Gepfändete Gegenstände werden öffentlich versteigert und der Erlös fällt der Staatskasse zu." Erst wenn auch die Pfändung erfolglos bleibt, werde man "zum Strafantritt zur Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe geladen". Wie Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn erklärte, sei in Amanis Fall also die Pfändung durch den Rechtspfleger durchgeführt worden. Informiert werden muss sie darüber nicht, wie er ebenfalls mitteilte.

Enissa Amanis Vorhaben, die Freiheitsstrafe anzutreten, war offenbar von Anfang an unrealistisch

Amanis Plan, lieber symbolisch ins Gefängnis zu gehen, war demnach von Anfang an unrealistisch. Da sie aus finanzieller Sicht jederzeit dazu fähig gewesen wäre, die Strafe zu zahlen, war es wahrscheinlich, dass eine Pfändung und ein Vollstreckungsauftrag erfolgreich verlaufen würden. Die Aktivistin und Künstlerin selbst sagt auf stern-Nachfrage, sie habe nicht gewusst, dass es zu einer solchen Pfändung kommen werde. Sonst hätte sie versucht, ihr zu entgehen. Über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei sie aber sehr verärgert.

Amani sagt weiter, es tue ihrer Entschlossenheit keinen Abbruch, dass die Gefängnisstrafe nicht zustande kam. Sie werde der AfD und rassistischen Aussagen weiterhin öffentlich entgegentreten. Besonders im Hinblick auf aktuelle Geschehnisse um die AfD sei es wichtig, nicht still zu sein, so Amani.

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