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Schauspielerin Fall Antje Mönning: Exhibitionismus ist nur für Männer strafbar

Schauspielerin Antje Mönning
Die Schauspielerin Antje Mönning
© wtp international
Dieser Fall schlug Wellen: Die Schauspielerin Antje Mönning hat einen Strafbefehl wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses bekommen. Ihr Anwalt Dr. Alexander Stevens erklärt im stern, weshalb Exhibitionismus nur für Männer strafbar ist.
von Dr. Alexander Stevens
Nein, es war kein PR-Gag und es war auch keine geschickte Marketing-Kampagne. Ich habe Antje Mönning, deren Fall am 23.10.2018 vor dem Strafgericht Kaufbeuren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhandelt wird, zugeraten, sich an die Medien zu wenden, um vielleicht so Allgäuer Juristen ein klein bisschen Nachhilfe in Sachen Sex(recht) zu geben.
Schauspielerin Antje Mönning (unter anderem bekannt aus der ARD Erfolgsserie "Um Himmels Willen") hatte am 18.06.2018  auf einem Parkplatz der B12 vor einer zivilen Polizei­streife geparkt. Bekleidet war Mönning mit einer durchsichtigen Bluse, außerdem trug sie unter einem kurzen Rock keine Unterwäsche. 

TV-Nonne Antje Mönning hob Rock an und wackelte mit dem Hintern

In unmittelba­rer Nähe zu den Zivilbeamten, die sie nicht als Polizisten erkannte, hob sie ihren Rock mehrfach an und wackelte mit dem Hintern. 
Die Zivilbeamten gaben sich Mönning zufolge eher belustigt und nicht als Polizisten zu erkennen. Dafür spricht auch ihr Verhalten: Sie starteten heimlich ihre Verkehrsüberwachungskamera, filmten das Geschehen und verfassten einen eher humorig geschriebenen Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft, nachdem sie zuvor im Internet noch freiwillig ein paar "Filmchen" der bekennenden Exhibitionistin angesehen hatten – nur zu Ermittlungszwecken, natürlich. Angesprochen haben sie Frau Mönning jedenfalls nicht.
Ein paar Wochen später flatterte meiner Mandantin Gerichtspost ins Haus: 1200 Euro Strafe, weil die Staatsanwaltschaft eine "Erregung öffentlichen Ärgernisses" erkannt zu glauben hatte. In dem Strafbefehl (gleich einem Gerichtsurteil) wird behauptet, die braven Beamten seien durch die "schamverletzenden und ärgerniserregenden sexuellen Handlungen in ihrer Diensthandlung erheblich gestört worden". Der Fall wurde von höchster Stelle bearbeitet – kein geringerer als ein leitender Oberstaatsanwalt hat dafür Sorge getragen, dass "seine" Beamten künftig ihre Diensthandlungen ungestört verrichten dürfen. Zur Fallbearbeitung musste der stellvertretende Behördenleiter der Staatsanwaltschaft natürlich auch das pikante Beweisvideo sichten – als eigene höchstpersönliche, hoffentlich ungestörte Diensthandlung.

Exhibitionismus ist nur für Männer strafbar

Frau Mönning war zugegeben überrascht – ich war es auch. Denn zum einen ist nicht ganz verständlich, warum die Polizisten sie nicht angesprochen haben, wenn sie sich so gestört gefühlt haben. Zum anderen ist in Deutschland das Nacktsein schlicht nicht strafbar – zumindest nicht für Frauen.
Denn Exhibitionismus ist ausschließlich für Männer strafbar kein Witz! Dieses Sonderstrafrecht nur für Männer ist einzigartig, wenn auch für den begeisterten Verfechter von #metoo und Gleichberechtigung vielleicht auf Anhieb nicht ganz nachvollziehbar. Schließlich heißt es doch in unserem Grundgesetz: Alle Menschen sind gleich.
Auf die Idee, dass es ein klein wenig ungerecht sein könnte, weibliche Exhibitionistinnen gesetzlich anders – oder besser gesagt ungleich – zu behandeln, waren zwei bekennende (männliche und verurteilte) Exhibitionisten bereits 1998 und 2002 gekommen und klagten vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Ergebnis: Sie scheiterten. Der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht sind trotz Gleichberechtigung nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Präsentation des unbekleideten weiblichen Körpers nicht strafbar sein soll. Dabei verwies unser höchstes Gericht lapidar auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts von 1957. Darin sei schließlich eindeutig geklärt und entschieden worden, dass es in Ordnung sei, männliches Sexualverhalten anders zu bestrafen als weibliches. Deshalb sei es auch völlig in Ordnung, den männlichen Exhibitionisten zu bestrafen, die weibliche Exhibitionistin nicht. 
Im Jahre 1957 hatten zwei (männliche und verurteilte) Homosexuelle versucht gegen ihre wegen "widernatürlicher Unzucht" verhängten Gefängnisstrafen vorzugehen – ebenso erfolglos wie die Exhibitionisten gut 40 Jahre später. Bis 1994 stellte der berühmte "Schwulenparagraph" männliche Homosexualität unter harte Strafen bis hin zu zehn Jahren Gefängnis. Das Gesetz wurde übrigens letztlich nur abgeschafft, weil die DDR die Strafbarkeit von Homosexualität schon vor Jahren aufgehoben hatte und es nach der Wende Probleme mit einer einheitlichen Lösung gab.
Die Gründe der Entscheidung von 1957 ermöglichen "interessante" Einblicke in den Stand der Geschlechterforschung in den späten 50er Jahren. Denn "schon die körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weist für den Mann auf eine mehr drängende und fordernde, für die Frau auf eine mehr hinnehmende und zur Hingabe bereite Funktion hin". Mit anderen Worten: Vom Mann geht angeblich eine deutlich aggressivere Sexualität aus. 2002 war die Entscheidung zuletzt als wegweisend zitiert worden.
In dem Urteil wurde noch abschließend darauf hingewiesen, dass "die männliche (Homo)sexualität unvergleichlich viel stärker als die weibliche in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, was wesentlich durch das größere weibliche Schamgefühl und die größere Zurückhaltung der Frau in Geschlechtsfragen bedingt sein dürfe. Die Verschiedenheit des Sozialbildes zeigt sich schließlich darin, daß (sic) angesichts des auch bei der Lesbierin vorhandenen Überwiegens zärtlicher Empfindungen über das rein Geschlechtlich zwischen einer lesbischen Beziehung und einer zärtlichen Frauenfreundschaft kaum eine Grenze zu ziehen ist." 
Dem ist ja quasi nichts hinzuzufügen: Schließlich besagen unzählige Volksweisheiten, dass die Frau das zartere Geschlecht sei – und damit auch natürlich in sexueller Hinsicht.

Die Geschlechter Mann und Frau sind sobald es um Sex geht dann doch nicht vergleichbar, also auch keine Gleichbehandlung

Folgerichtig kam das Gericht 1957 zu dem Entschluss, dass eine Differenzierung des Gleichheitsrechts im Rahmen der Strafbestimmungen gegen gleichgeschlechtliche Unzucht durchweg geboten sei, "weil die Eigenart der Frau als weibliches Geschlechtswesen und die Eigenart des Mannes als männliches Geschlechtswesen den Tatbestand so wesentlich und so entscheidend verschiedenen prägen, daß (sic) das vergleichbare Element, die anormale Wendung des Triebes auf das eigene Geschlecht, zurücktritt und lesbische Liebe und männliche Homosexualität im Rechtssinne als nicht vergleichbare Tatbestände erscheinen.“ Ergo: Die Geschlechter Mann und Frau sind sobald es um Sex geht dann doch nicht vergleichbar, also auch keine Gleichbehandlung.
So bleibt das präsentieren der nackten Geschlechtsorgane beim Mann als "Exhibitionismus" strafbar, bei der Frau dagegen ist strafrechtlich nichts zu befürchten. Unterschiedslos angewendet wird dagegen die "Erregung öffentlichen Ärgernisses", wo aber im Vergleich zum Exhibitionismus strengere Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Öffentlichkeit und die Vornahme einer "erheblichen" sexuellen Handlung.
Aber auch die Erregung öffentlichen Ärgernisses scheint nicht sonderlich gut auf den angeklagten Sachverhalt zu passen. Schließlich bedarf es hierzu nicht nur einer sexuellen Handlung, die zudem von einiger Erheblichkeit gekrönt sein muss, auch muss sich die anwesende Öffentlichkeit belästigt fühlen.
Wenn sich aber noch nicht einmal der "Nackt-Flitzer" in einem Fußballstadion strafbar macht – da keine sexuelle Handlung – und bis dato nur Fälle des öffentlichen Geschlechtsverkehrs oder das öffentliche Einführen diverser Gegenstände in die Geschlechtsorgane von Gerichten als erhebliche sexuelle Handlung angesehen wurden, kann das Tragen einer durchsichtigen Bluse und das flüchtige – auch mehrfache – Anheben eines Rockes mit Blick auf den unbekleideten Intimbereich kaum so erheblich sein, dass dies als Erregung öffentlichen Ärgernisses strafbar ist.
Das gilt übrigens nach höchstrichterlicher Rechtsprechung übrigens auch für Striptease-Vorführungen oder sonstige Entkleidungen – wohl aus gutem Grund:  Dafür bis zu 1 Jahr ins Gefängnis zu müssen – wäre das nicht ein wenig arg abgefahren?
Dass zu guter Letzt die Diensthandlung der Polizeibeamten durch das Verhalten meiner Mandantin "erheblich gestört“ und diese damit belästigt worden sein sollen, ist ebenso wenig nachvollziehbar: Im Gegenteil war es den Polizeibeamten ja augenscheinlich mühelos möglich, eine heimliche Videoaufzeichnung zu starten und das Kennzeichen des PKW zu notieren – allesamt zusätzliche Diensthandlungen, welche störungsfrei durchgeführt werden konnten. Übrigens: Die heimliche Fertigung des Videos durch die Polizisten ohne Einverständnis meiner Mandantin begründet den Anfangsverdacht einer Straftat nach § 201a StGB (unerlaubte Bildaufnahmen). Aber wer weiß schon, was die bayrische Polizei nach Bestätigung des umstrittenen neuen Polizeiaufgabengesetzes noch so alles heimlich filmt?
Dr. Alexander Stevens ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Antje Mönning ist seine Mandantin.
Schauspielerin: Fall Antje Mönning: Exhibitionismus ist nur für Männer strafbar

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