Sie ist wohl die Frau, die am meisten weiß über Jeffrey Epsteins kriminelle Machenschaften, die sich über drei Jahrzehnte zogen. Jetzt wurde Ghislaine Maxwell selbst in sechs Punkten angeklagt, nachdem sie sich ein Jahr lang versteckt hatte. Am kommenden Freitag wird Maxwell zum ersten Mal vor Gericht in New York erwartet, wegen der Corona-Pandemie wird sie allerdings nicht selbst vor Ort sein, sondern zugeschaltet werden.
Ghislaine Maxwell vor Gericht: Wird sie Kronzeugin?
In der Medienberichterstattung wird der Tag mit Spannung erwartet. Vor allem die britische Boulevardzeitung "Daily Mail" ist sich sicher, dass die Britin auspacken wird. "Wenn sie untergeht, nimmt sie alle mit", zitiert die Zeitung einen Insider. Angeblich soll Maxwell Dokumente wie Fotos und Videos haben, die alles beweisen, was Epstein und seine Freunde über Jahrzehnte getrieben haben. Stimmen die Informationen der "Daily Mail" und hat die Angeklagte tatsächlich Beweise für die Schuld anderer, könnte das ihre Verteidigungsstrategie bestimmen. "Die Kronzeugenregelung wäre das Einfachste. Die mediale Vorverurteilung ist immens. Du stehst mit dem Rücken zur Wand", erklärt Strafverteidiger Dr. Alexander Stevens dem stern. Eine Jury von der eigenen Unschuld zu überzeugen, nachdem Epsteins Opfer im Fernsehen unter Tränen von ihrem Martyrium erzählt haben, ist schwer.
Sinnvoller wäre es also für die Verteidigung, mit der Staatsanwaltschaft zu verhandeln. "Das System ist komplett anders als bei uns in Deutschland. Die Staatsanwälte haben relativ freie Hand. Das wird oft kritisiert, weil der Vorwurf im Raum steht, dass man sich freikaufen kann", erklärt Dr. Stevens. "Man hat alle Möglichkeiten. Von völliger Straffreiheit bis dahin, dass man ihr Immunität gibt – dann könnte sie für all die Punkte nicht belangt werden. Man könnte ihr auch anbieten, dem Gericht eine Straf-Empfehlung zu geben. Da ist alles möglich. Wenn sie also Beweise hat, bin ich mir sicher, dass sie mit einem super Deal davonkommen könnte", sagt er.
Eine Aussage allein bringt nichts
Ein solcher Deal würde dazu führen, dass noch mehr Täter gefasst werden könnten. Für die Staatsanwaltschaft hätte er also den größtmöglichen Nutzen, Maxwell selbst könnte ihre Strafe abmildern. Und die wäre – würde sie schuldig gesprochen werden – immens: Allein für das gemeinschaftliche Verführen Minderjähriger gibt es bis zu 30 Jahre Haft pro Tat. Für das Verbringen der Minderjährigen, um sexuell ausgebeutet zu werden, 20 Jahre pro Tat. Und für Meineid, den sie 2016 begangen haben soll, stehen fünf Jahre Haft im Raum. Anders als in Deutschland werden die Haftstrafen für die einzelnen Punkte in den USA addiert.
Alles steht und fällt also damit, ob Ghislaine Maxwell tatsächlich über Beweise und Dokumente verfügt. "Hätte sie nichts anzubieten, wäre jede Kronzeugenregelung obsolet. Eine reine Aussage wäre nichts wert, denn dann stünde Aussage gegen Aussage. Wenn sie sagt: 'Clinton war dabei', sagt der: 'Stimmt nicht.' Wenn sie allerdings ein Video hat, wäre es was anderes", erklärt der Anwalt.
Momentan sitzt die Angeklagte im Metropolitan Detention Center in Brooklyn, New York. Eine Kaution durfte sie nicht zahlen, um bis zum Prozess auf freiem Fuß zu sein. Zu groß sei die Fluchtgefahr. "Man hat aus der Causa Polanski gelernt: Denn sie besitzt auch die französische Staatsbürgerschaft und Frankreich liefert nicht aus", erklärt Dr. Stevens.
Am Freitag wird sich zeigen, welche Strategie die Verteidigung wählen wird und ob Maxwell tatsächlich liefern kann - um ihre eigene Haut zu retten.
Quelle: "Daily Mail"