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Prozess Depp gegen Heard Im Zweifel für den (reichen) Mann

Amber Heard
Amber Heard ist die große Verliererin des Verleumdungsprozesses, in dem sich die Schauspielerin und ihr Ex-Mann Johnny Depp wechselseitig verklagt haben.
© Evelyn Hockstein/ / Picture Alliance
Johnny Depps Erfolg im Prozess gegen seine Exfrau Amber Heard zeigt ein grundsätzliches Problem auf: Im Zweifel gewinnt der reiche Mann. Für die #MeToo-Bewegung bedeutet das nichts Gutes.

Eindringlicher hätte die Symbolik kaum sein können: Während Amber Heard mit gesenktem Kopf in einem Gerichtssaal in Virginia das Urteil der Jury vernahm und hörte, dass die Geschworenen gegen sie entschieden haben, war Johnny Depp längst auf Partytour in Großbritannien. In einer Kneipe soll der Hollywood-Star von seinem Sieg erfahren haben, drei Abende in Folge hatte er sich vor Publikum als Gitarrist auf Konzerten bejubeln lassen.

Dieses Motiv zog sich durch die ganzen sieben Wochen Prozess: Während Heard auf Ernsthaftigkeit bedacht war, sogar in Tränen ausbrach, tat sich Depp mit Grinsen, trockenen Kommentaren und kleinen "Fluch der Karibik"-Gags hervor. Er wusste, wie er sein Publikum bedient - und die Rechnung ging auf. Dass sie dies nicht im Kino, sondern im einem Gerichtssaal, in dem über häusliche Gewalt gesprochen wurde tat, sagt viel über die gesellschaftliche Sehnsucht nach Idolen und Unterhaltung aus. Und es zeigt, dass die #MeToo-Bewegung offenbar krachend gegen eine Wand gefahren ist. Zumindest, was die öffentliche Meinung angeht.

Johnny Depp vs. Amber Heard: In den sozialen Medien war das Urteil schnell gefällt

Denn es war ein Prozess, der schon lange in den sozialen Netzwerken entschieden worden war. Unzählige Social-Media-Accounts - übrigens auch einige Bots -  hatten sich darauf spezialisiert, das Geschehen zu verwerten. Und zwar in überwältigender Mehrheit zu Lasten von Amber Heard. Aus Depps Gags und Reaktionen ließen sich in den sozialen Netzwerken lustige Memes und TikTok-Filmchen basteln - aus Amber Heards Tränen oder ihrem verbissenem Gesichtsausdruck eher Mobbing-Material. Selbst die US-Comedyshow "Saturday Night Live" machte sich über Heard lustig. Die siebenköpfige Jury hatte wie der Rest der Welt Zugang zu all diesen Wertungen.

Sie hat natürlich auch, wie alle anderen, gehört, wie Johnny Depp Amber Heard im Suff wüst beschimpfte, wie er sie sich in einer Email mit drastischen Worten tot wünschte. Und sie wusste auch, dass Heard in Großbritannien bereits Recht bekommen hatte, als ein Gericht urteilte, die Zeitung "The Sun" dürfe Depp einen "Frauen-Schläger" nennen. Dort beurteilte das Gericht gleich mehrere Anschuldigungen Heards als wahr. Doch darum ging es im Prozess in Virginia gar nicht mehr.

Möglicherweise abschreckende Wirkung auf künftige Missbrauchsopfer

Die Jury sollte lediglich darüber urteilen, ob es falsch ist, wenn Amber Heard schreibt, dass sie zu einem Symbol für häusliche Gewalt wurde, nachdem sie 2016 eine einstweilige Verfügung gegen Depp erreichte und ein Foto von ihr mit Verletzungen im Gesicht um die Welt ging. Und ob sie durch diesen Artikel in der "Washington Post" mit dem Titel "Ich habe mich gegen häusliche Gewalt ausgesprochen und den Zorn unserer Gesellschaft abbekommen. Das muss sich ändern" Depp verleumdet hat. Dadurch stand immer auch die Frage im Raum, ob Überlebende von häuslicher Gewalt über ihr Erlebtes öffentlich sprechen können - oder ob sie aus Angst vor möglichen Gerichtsprozessen besser schweigen. Heards Niederlage könnte "abschreckende Wirkung" auf künftige Missbrauchsopfer haben, sagte eine Expertin bereits der "New York Times".

Schauspieler Johnny Depp

Denn das US-Magazin "Mother Jones" beschrieb das als einen neuen Trend: Immer mehr beschuldigte Männer gehen gerichtlich wie Depp mit Verleumdungsklagen gegen Frauen vor, die ihnen Gewalt vorwerfen. Das vielleicht prominenteste Beispiel ist gerade der Sänger Marilyn Manson, der gegen seine Exfrau Evan Rachel Wood klagt. Sie ist nur eine von mehreren Frauen, die ihm sexuelle Gewalt vorwerfen. Doch auch in nicht-prominenten Fällen häufen sich die Verleumdungsklagen, wenn Opfer sich trauen, öffentlich darüber zu sprechen, zeigen die Recherchen des Magazins. Das bedeutet: Wer das Geld hat, hat gewonnen. Im Zweifel für den reichen Mann. Und das wiederum ist kein neuer Trend, sondern eine jahrtausendealte Regel, deren Gültigkeit mit dem Urteil in Virginia wieder eindrücklich bewiesen wurde.

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